Warum ich weder Calvinist noch Arminianer bin. Wilfried Plock
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Warum ich weder Calvinist noch Arminianer bin - Wilfried Plock страница 6
7. Wer im System denkt, verkürzt unwillkürlich biblische Wahrheit. Wer biblisch denkt, versucht, die biblische Wahrheit zu erfassen, wie sie ist, auch in ihren scheinbaren Widersprüchen. Er hütet sich davor, die Schrift zu verändern.
8. Wer im System denkt, für den sind Kompromisse kaum möglich. Extreme Vertreter des Systemdenkens sind typische Sektierer. Außerhalb ihres Systems gibt es für sie nichts mehr. Wer versucht, biblisch zu denken, weiß, wie schwer manche Schriftstellen zu erklären und zu vereinbaren sind. Er weiß, dass er manchmal auf Hilfskonstruktionen angewiesen ist. Das macht ihn vorsichtig, aber deshalb sind für ihn auch andere Hilfskonstruktionen denkbar.
9. Wer im System denkt, ist davon überzeugt, ganz auf dem Boden der Schrift zu stehen, aber in Wirklichkeit verteidigt er nur das System. Natürlich stimmt vieles in seinem System mit der Bibel überein, ich glaube sogar, wenn ich an die Brüderlehre denke, das meiste. Trotzdem muss ich mich hüten, dem System zu verfallen und es zu stützen. Ich muss mich immer zu den klaren Aussagen der Schrift stellen.
10. Wer im System denkt, von dem hört man kaum jemals eigene Aussagen, geschweige denn eine neue Sicht, denn er fürchtet, sie könnten nicht systemkonform sein. Er hat immer alles an den Schriften der Väter geprüft. Wer versucht, biblisch zu denken, kann mit Ergebnissen seines Studiums durchaus Schwierigkeiten bekommen, vor allem, wenn er mit systemkonformen Geschwistern zusammenstößt. Er wird schnell verdächtigt, unbiblische Lehren zu verbreiten. Ja, manche sind sehr schnell bereit, den anderen als liberal zu beschimpfen, wenn er mit seinen Ergebnissen nicht ins System passt.
11. Wer im System denkt, denkt z. B. über Bekehrung und Heilsgewissheit nicht mehr nach, weil sie ihm als selbstverständliche biblische Lehren erscheinen, die sich schon Jahrzehnte festgesetzt haben. Wenn er dann gefragt wird, was die Schrift tatsächlich dazu sagt, wird es gewöhnlich sehr dünn und meist sogar falsch. Wer versucht, biblisch zu denken, muss von der Schrift her neu überlegen, was Gott wirklich will, wenn er von Bekehrung spricht oder von Buße und ob es nicht auch eine falsche Heilssicherheit geben könnte.1
Die Unausgewogenheit von Systemen
Mit diesen Gedanken im Hinterkopf wollen wir uns nun an die unterschiedlichen Systeme von Arminianismus und Calvinismus wagen. Sie stehen sich scheinbar diametral gegenüber. Das eine betont die Verantwortung des Menschen – das andere das Handeln Gottes; das eine ist synergistisch (ein menschlicher Beitrag ist nicht ausgeschlossen) – das andere monergistisch (Gott tut alles) usw. Es ist ja verständlich, dass die Reformatoren nach den Jahrhunderten des finstersten Katholizismus mit all seiner Werkgerechtigkeit mehr die Souveränität Gottes betonten. Aber sie gingen m. E. zu weit.
David Dunlap schreibt von einer Pendelbewegung:
Diese beiden theologischen Richtungen tendierten dazu, soweit wie möglich voneinander weg zu schwingen, anstatt dass sie versucht hätten, die Schrift in ausgewogener und fairer Weise zu behandeln.2
Dunlap zitiert C. H. Mackintoshs Ausspruch: »Der Calvinismus ist ein Vogel mit einem Flügel« und fügt hinzu, dass dasselbe auch vom Arminianismus gesagt werden könnte.3 Das ist die Crux mit allen von Menschen erdachten Systemen: Sie schaffen es nicht, die Lehre der gesamten Schrift ausgewogen darzustellen.4 Wenn man im Denken eines dieser beiden Systeme gefangen ist, könnte es sein, dass man bestimmte Bibelstellen automatisch durch die Brille des Systems liest. Arminianisch geprägte Christen lesen manchmal eine Aussage der Schrift und denken beispielsweise sofort: Hier lehren Paulus, Petrus oder Johannes, dass Gläubige wieder verloren gehen können. Calvinistisch geprägte Christen stoßen auf Begriffe wie Erwählung oder auf »das Ziehen des Vaters« und interpretieren die Aussagen sofort im Sinne ihrer Heilslehre. Genau das ist das Problem: unmerkliche Auslegungstraditionen! Hier gilt es, ein »Anti-Virus-Programm« zu installieren.
Schauen wir uns zunächst das theologische System des Arminianismus an.
Ein geschichtlicher Überblick
Eine kurze Biografie von Arminius
Jakob Hermannszoon wurde am 10. Oktober 1560 als Sohn katholischer Eltern in Oudewater/Holland geboren. Die Familie trat zum protestantischen Glauben über. Schon im Alter von 15 Jahren besaß er Grundkenntnisse in Latein, Griechisch und Theologie und wurde zum Studium an der Universität von Marburg/Lahn eingeschrieben. Marburg ist die älteste protestantische Universität Deutschlands. Philipp Melanchthon hatte sie bereits 1527 gegründet. Anschließend wechselte Jakob H. nach Leyden/Holland, wo er weitere fünf Jahre Theologie studierte.
1582 ging Hermannszoon nach Genf und studierte unter Calvins Nachfolger Theodor Beza (franz.: de Bèze) Theologie. Beza hatte inzwischen Calvins Ansichten weiter verschärft; u. a. lehrte er den so genannten »Supralapsarianismus« 5. Nach Bezas Meinung habe Gott die Dekrete zur Erwählung und Verdammnis der Menschen schon beschlossen, bevor er sich überhaupt entschied, Menschen zu erschaffen. Während seiner Zeit an der Universität Genf änderte Jakob Hermannszoon seinen Namen. Wie es damals üblich war, nahm er einen lateinischen Namen an. Er nannte sich fortan nach einem deutschen Heerführer, der die Katholiken besiegt hatte, Arminius.
In Basel wurde ihm eine Professur angeboten, doch er verzichtete wegen seines jungen Alters. Er war ein brillanter Gelehrter, ein eloquenter Redner und galt als Theologe von höchstem Rang. Der junge Arminius liebte den Herrn und sein Wort. Er wurde 1588 zum Hauptprediger jener Kirche in Amsterdam berufen, deren Gottesdienste auch vom holländischen Königspaar besucht wurden. Seine kraftvollen Predigten zogen viele Zuhörer an. Zu jener Zeit waren die jungen holländischen Reformer noch nicht calvinistisch.
Während seines Dienstes dort begann Arminius, das Denksystem des Calvinismus zu hinterfragen. Nach fünfzehn Jahren verließ er das Pastorat und wurde Professor der Theologie an der Universität Leyden. Seine Vorlesungen über Erwählung und Vorherbestimmung sollten später zu einer tragischen Kontroverse führen.
Der katholische Humanist Dirck Coornhert hatte die Lehren Bezas öffentlich in Frage gestellt. Außerdem hatten zwei Calvinisten, Arent Corneliszoon und Reynier Donteklok, ein Buch veröffentlicht, das sich kritisch mit diesen Lehren Bezas auseinandersetzte.
Nun erwarteten alle von Bezas Schüler Arminius, dass er seinen ehemaligen Lehrer verteidigen würde. Aber Arminius steckte in einer Gewissenskrise. Er studierte die Schrift, in Sonderheit den Römerbrief. Dann folgten die Kirchenväter. Offensichtlich hatte keiner von ihnen je eine solche Lehre vertreten. Schließlich erkannte Arminius, dass der Supralapsarianismus Gott zum Urheber der Sünde machen würde. Diese Sicht konnte und wollte er nicht weiter unterstützen. Außerdem waren sie in keinem Konzil je akzeptiert worden. Darum wehrte er sich später in seinen Schriften vehement gegen dieses falsche Dogma.6
Arminius grenzte sich auch explizit von Pelagius ab, indem er z. B. lehrte:
Der freie Wille ist nicht in der Lage, irgendetwas geistlich Gutes zu beginnen oder zu vollenden.87
1603 wurde Jakobus Arminius zum Professor der Theologie an der Universität Leyden berufen. Zu jener Zeit galt er als der größte Gelehrte seiner Zeit. Seine Gegner gaben allerdings nicht auf. In Leyden wurde er von einem Calvinisten namens Franciscus Gomarus scharf angegriffen. Arminius erbat eine öffentliche Anhörung, aber er starb 1609 mit nicht einmal 50 Jahren, bevor die Synode zusammengetreten war.
Arminius