Mosers Ende. Urs W. Käser
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»Vielen Dank. Ich bitte Sie aber trotzdem, mir eine Liste aller Gäste zu machen, die letzte Nacht im Hotel waren. Und ich würde dann gerne noch die anderen Angestellten des Hotels befragen.« Claudia erhob sich.
»Selbstverständlich, ich werde sie der Reihe nach zu Ihnen schicken.«
Die halbe Nacht hatte ich mich im Bett herumgewälzt, immer wieder hatte ich in meinem Kopf die Schreie der Frau gehört und den toten Mann daliegen gesehen. Auch gegen Morgen fand ich keinen richtigen Schlaf. Kurz vor acht Uhr zog ich mich an und ging hinunter ins Erdgeschoss, wo Maria Manzoni gerade sorgfältig die letzten Zutaten auf dem Frühstücksbuffet platzierte. Da hörte ich einen Wagen vor das Haus fahren, und Augenblicke später betrat ein junger, ausserordentlich grosser und hagerer Polizist in Uniform die Eingangshalle, wo er von Claudia Dietrich kollegial begrüsst wurde. Die beiden verschwanden dann die Treppe hoch. Ich holte mir eine Tasse Kaffee und setzte mich an einen Fenstertisch. Nach und nach füllte sich der Frühstücksraum mit Gästen, und die Nachricht von einem mitternächtlichen Todesfall machte schnell die Runde. Aber niemand ausser mir wusste etwas Genaueres darüber, und ich hielt mein Wissen zurück.
Plötzlich stand Daniel Dietrich im Raum. Er berichtete kurz, was geschehen war und dass die Polizei bereits im Hause sei. Er bat alle Gäste, im Hotel zu bleiben und sich für Auskünfte zur Verfügung zu halten. Die Nachricht von einem Tötungsdelikt drückte die Stimmung im Raum augenblicklich nieder. Es wurde fast nur noch im Flüsterton gesprochen, und viele Gäste gingen bald zurück in ihre Zimmer. Obwohl ich nicht viel zu essen vermochte, blieb ich noch lange sitzen.
Gegen halb zehn Uhr parkten zwei weitere Polizeiautos vor dem Haus, eines davon war offensichtlich ein Leichenwagen. Ein älterer, etwas ungepflegt wirkender Mann mit einem grossen Koffer und eine jüngere Frau, beide in Zivil, betraten das Hotel. Aha, dachte ich, jetzt werden wohl die Spuren gesichert und dann die Leute befragt. Ich wartete noch eine Weile und ging dann zur Rezeption, wo Claudia Dietrich routiniert eine telefonische Reservation entgegennahm, fast so, als wäre überhaupt nichts geschehen.
Sie beendete das Telefonat und lächelte mir zu.
»Guten Morgen, Herr Wolf. Eine furchtbare Geschichte haben wir da in unserem sonst so friedlichen Tal. Ich möchte Ihnen noch für den nächtlichen Einsatz danken. Ich nehme an, Sie haben auch nicht gerade gut geschlafen?« Ich bejahte leise. In diesem Augenblick kamen die drei Polizeibeamten langsam die Treppe herunter. Sie trugen den in ein weisses Tuch eingewickelten Toten ins Freie hinaus und luden ihn in den Leichenwagen. Als sie wieder zurückkamen, stellte mich Claudia Dietrich ihnen vor und berichtete von meinem nächtlichen Mitwirken. Der Mann in Zivil bat mich ins Büro und stellte mir einige Fragen. Anscheinend konnte ich ihm aber nichts Neues erzählen und durfte bald wieder gehen. Dankbar, diesen Ort des Schreckens für eine Weile verlassen zu können, fuhr ich mit dem nächsten Postauto nach Meiringen hinunter und kehrte erst zum Abendessen zurück.
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