Mosers Ende. Urs W. Käser

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Mosers Ende - Urs W. Käser

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Dietrich zurück und meldet, der Arzt sei unterwegs. Es würde mich natürlich brennend interessieren, mehr über den Verstorbenen zu erfahren, aber ich wage nicht zu fragen, und Dietrich, sichtlich geschockt vom Ereignis, schweigt vor sich hin.

      Endlich, um zwanzig nach zwölf, höre ich ein Auto vorfahren, und eine Minute später erscheint ein grossgewachsener, schlanker, älterer Mann mit Glatze und kurzem weissem Bart im Türrahmen.

      »Grüss dich, Fritz«, sagt Daniel Dietrich, sichtlich erleichtert, »ich habe dich wahrlich nicht gern aus dem Bett geholt, aber hier sieht es ganz nach einem unnatürlichen Todesfall aus. Übrigens, das ist Herr Valentin Wolf, Hotelgast, und Doktor Fritz Tschanz, diensttuender Arzt aus Meiringen.« Tschanz zieht sich Einweghandschuhe über und untersucht den am Boden liegenden Mann vorsichtig und gründlich. Dann erhebt er sich seufzend.

      »Ja, dem armen Matthias Moser ist leider nicht mehr zu helfen. Dürfte seit einer guten Stunde tot sein. Über die Todesursache kann nur eine Autopsie letzte Klarheit bringen, aber jedenfalls wurde der Mann von hinten niedergestochen, vermutlich mit einem Messer.« Tschanz wendet sich zu Dietrich.

      »Ich fülle jetzt den Totenschein aus, und du, Daniel, avisierst die Polizei. Ich denke, es reicht, wenn die morgen früh anrückt. Bis dann muss aber das Zimmer verschlossen bleiben und niemand darf etwas anrühren.«

      »In Ordnung«, erwidert Dietrich, »dann versuche ich, direkt Polizist Peter Kehrli zu erreichen. Er ist doch ein Neffe der Ehefrau des Verstorbenen.«

      »Ach ja, stimmt, die Linda Moser ist seine Tante. Wo steckt sie eigentlich?«

      »Ich nehme an, immer noch unten bei Claudia. Gehen wir doch hinunter.« Unglaublich, denke ich, hier in der Gegend scheinen alle irgendwie miteinander verwandt zu sein. Wir treten auf den Flur hinaus, und der Hotelchef schliesst das Zimmer von aussen ab. Mittlerweile haben sich im Flur etwa zwanzig Hotelgäste versammelt, sprechen durcheinander, gestikulieren, wollen wissen, was passiert ist. Daniel Dietrich erklärt, es habe einen Todesfall gegeben, und bittet die Leute, auf ihre Zimmer zu gehen und Ruhe zu bewahren. Aber da mich selbst das Geschehen so fasziniert und mich niemand weiter beachtet, gehe ich einfach mit hinunter, immer einige Schritte hinter Tschanz und Dietrich bleibend, und beobachte vom untersten Treppenabsatz aus, was weiter passiert.

      Während Daniel zum Telefon geht, kommt Claudia mit Linda Moser zusammen aus dem Büro heraus. Doktor Tschanz begrüsst Linda und drückt ihr gegenüber sein Bedauern und Mitgefühl zum Verlust ihres Ehemanns aus. Er will ihr ein Beruhigungsmittel geben, damit sie besser schlafen könne, aber sie lehnt dies ab. Claudia bietet ihr an, sie dürfe gerne ein anderes, freies Zimmer zum Schlafen benutzen.

      »Nein danke«, sagt sie, »ich gehe lieber zu meiner Tochter Elena ins Zimmer. Es wird uns gut tun, heute Nacht nicht allein zu sein.« Da kommt Daniel Dietrich zurück.

      »Ich habe soeben mit Peter Kehrli telefoniert. Er war total fassungslos, ist aber derselben Meinung wie Fritz Tschanz. Es genügt, wenn er morgen früh hierherkommt, sofern wir das Zimmer verschlossen halten.«

      »Danke, Daniel«, sagt Linda Moser.

      »Kann ich noch irgendetwas für dich tun, Linda?«, fragt Claudia. Linda schüttelt den Kopf, verabschiedet sich mit einem Händedruck von allen und steigt die Treppe empor in Richtung Elenas Zimmer. Nachdenklich steige auch ich wieder zu meinem Zimmer hoch und lege mich ins Bett, kann aber erst nach zwei Uhr morgens einschlafen.

      

       Donnerstag, 19. Juli 2012

      Bruno Brawand war gar nicht zufrieden. Leise fluchte er vor sich hin, während er seinen Laptop startete. Verdammt, die miese Geschäftslage wäre schon schlimm genug. Aber dann noch dieser Brief, der setzt dem Fass den Deckel auf… Bruno, seit drei Jahren Geschäftsführer der Moser Bau AG, sass nachmittags um fünf im Garten des Hotels Rosenlaui unter einem Ahornbaum, starrte auf den Bildschirm und machte sich Sorgen. Sein grosses Glas Bier hatte er, etwas allzu schnell, leergetrunken und soeben bei Daniel Dietrich ein zweites bestellt. Er öffnete jetzt sein Buchhaltungsprogramm und studierte intensiv die Lage der zahlreichen Haben- und Soll-Konten. Aber, wie er auch die Ergebnisse in seinem Kopf drehte und wendete, es wollte einfach nicht aufgehen. Die hohen Löhne und die Schuldzinsen frassen einen zu grossen Teil des Ertrages auf, und es war absehbar, dass das Geschäftsergebnis auch heuer, wie schon letztes und vorletztes Jahr, im Minus ausfiele. Und dies trotz seiner beileibe nicht geringen Anstrengungen, die Auftragslage zu verbessern, insbesondere dem kleinen Deal mit seinem Schwager Samuel… Wenn es nur mit der Familienvilla endlich vorwärts ginge! Und dann kam noch dieser vermaledeite Brief…

      Bruno hatte seine Augen geschlossen und war ins Grübeln geraten. Bin ich denn unfähig, ein Baugeschäft zu führen? Früher, unter dem alten Samuel Moser, habe ich doch als Bauführer eine gute Figur abgegeben. Sonst hätte mich mein Schwiegervater doch nicht zum Nachfolger ernannt! Na ja, zugegeben, ich musste noch etwas nachhelfen, und Barbara hat sich auch mächtig stark gemacht für mich, aber wer würde das nicht tun? Jetzt reiss dich zusammen, Bruno, du musst das Ding einfach zum Laufen bringen!

      Oh, wer legt denn da seine Hände auf meine Schultern? Bruno drehte den Kopf.

      »Ach so, du bist es!« Seine Ehefrau Barbara stand hinter ihm und lachte ihn strahlend an. Bruno liebte ihre schon etwas mollige Figur, ihre kurzen, dunklen Haare, ihre braunen, nie geschminkten Augen, ihre Fältchen um die Nase herum, ihren kleinen, stets ein wenig offenen Mund, ihr kehliges Lachen.

      »Sorgen, mein Herz?«, fragte sie. Bruno murmelte einen Fluch in sich hinein.

      »Das kann man wohl sagen. Sieht von Monat zu Monat schlechter aus.«

      »Ganz so schlimm wird es nicht sein«, meinte Barbara betont optimistisch.

      »Komm, wir schauen uns die Sache mal gemeinsam an.« Erleichtert stimmte Bruno zu. Barbara würde bestimmt, wie schon so oft, eine Lösung finden!

      Barbara setzte sich neben ihn und begann, die Tabellen zu studieren. Mehrere Minuten lang sagte sie gar nichts, dann holte sie aus ihrer Handtasche Block und Farbstifte hervor und fing am, ein Schema zu malen. In die Mitte des Blattes zeichnete sie einen schwarzen Kreis und schrieb hinein: Defizit. An diesen Kreis setzte sie etwa ein Dutzend Pfeile an, in alle Richtungen weisend. An die Enden der Pfeile malte sie Kästchen in verschiedenen Farben und schrieb Stichworte hinein, etwa Lohnkosten, Kapitalkosten, Steueraufschub, Verzögerung bei Matter, Einspruch von Meyer, Kostenüberschreitung bei Sieber. Dann malte sie weitere Pfeile, neue Kästchen, bis das ganze Blatt wie ein Labyrinth aussah.

      Bruno schaute fasziniert zu. Frauen denken einfach irgendwie anders! Am Ende notierte Barbara, immer wieder in den Computertabellen nachschauend, neben jedes Kästchen eine Zahl. Sie lehnte sich zurück, schaute auf das Blatt und meinte: »So, jetzt haben wir, auf diesem sogenannten Mindmap, die grafische Übersicht unserer geschäftlichen Probleme.« Bruno war perplex.

      »Wo hast du das nur gelernt?« Barbara lächelte, der Stolz war ihr anzusehen.

      »Schliesslich habe ich die Management Akademie in Thun abgeschlossen. Da lernt man eben, Probleme mal anders anzugehen, als man es schon immer gemacht hat. Du zum Beispiel marschierst, wenn ein Problem vorliegt, einfach schnurgerade darauf zu, du denkst sozusagen eindimensional, gehst von A zu B und dann nach C. Ein Mindmap hingegen ist zweidimensional, da kannst du Abhängigkeiten, Rückkopplungen und Blockaden besser darstellen. So wirst du, wenn es optimal gemacht wird, mit einem Blick die kritischen Schwachstellen der Projekte überblicken.« Bruno umfasste Barbaras Kopf mit beiden Händen.

      »Ich

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