Das Komplott der Senatoren. Hansjörg Anderegg
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Bevor er das Haus verließ, informierte er Maria. Ihr Schicksal berührte ihn, ob er wollte oder nicht. Er würde sie bald nicht mehr weiter beschäftigen können, aber er nahm sich vor, im Büro des Senators ein gutes Wort für sie einzulegen. Sie würde nicht lange arbeitslos bleiben. Als er ihr das sagte, fiel sie ihm um den Hals, und er drückte die Geliebte seines Vaters doch noch an sein Herz. Schon auf dem Kiesweg vor dem Portal, drehte er sich nochmals um.
»Ach, beinahe hätte ich es vergessen. Auf dem Schreibtisch liegen drei Bücher, die Sie an die Library of Congress zurücksenden sollten.«
Phoenix
Die offizielle Trauerfeier auf dem National Memorial Cemetery im Norden von Phoenix zog sich wie erwartet in die Länge. Lee drückte die Hand seiner Verlobten, als ihr Vater vor die Trauergemeinde trat, um letzte Worte an seinen guten Freund und treuen Weggefährten Finn O’Sullivan zu richten. Im Gegensatz zu seinem Vater hatte Neill Douglas, der Senator aus Chicago, seine helle Freude daran, als bekannt wurde, dass sich seine Tochter Anna Hals über Kopf ausgerechnet in den blitzgescheiten Lee O’Sullivan verliebt hatte. Seit rund einem Jahr lebten sie ihre Liebe als Verlobte sozusagen öffentlich, doch mit heiraten schien weder sie noch er es sonderlich eilig zu haben, zu beschäftigt waren beide. Seit Anna bei der Tribune angeheuert hatte, war wenigstens nicht immer er derjenige, der Rendezvous absagen musste. In dieser Hinsicht musste keiner dem anderen etwas vorwerfen.
»Droben in Washington«, fuhr Neill fort, als gehörte er auch zu denen unten im Süden, »gibt es viele Leute, die behaupteten, Finn wäre ein sturer Bock.« Beifälliges Raunen ging durch die Reihen. »Und lassen Sie es mich mal so ausdrücken: genau solche Böcke braucht es auf dem Capitol Hill.« Solche Sprüche gefielen den Gästen, die mehrheitlich aus dem Süden stammten und nicht viel am Hut hatten mit dem undurchsichtigen Treiben in Washington. Theatralisch wandte er sich um und schloss seine Rede mit einem letzten Gruß zum Sarg: »Finn, alter Haudegen, wir vermissen dich.«
Die endlose Reihe der Honorablen des Staates Arizona zog an Lee vorbei, um dem hinterbliebenen Sohn die Hand zu schütteln. Dann endlich war die Feier zu Ende und eine sorgfältig ausgewählte Gesellschaft aus nächsten Verwandten und Bekannten geleitete den Verstorbenen zu seiner letzten Ruhestätte.
»Nun, Lee, wann werden Sie in die Fußstapfen Ihres Vaters treten?«, fragte ein untersetzter, braungebrannter Mann neben ihm. Eine massive Sonnenbrille verbarg seine Augen, und die schwarz glänzende Frisur aus dem Windkanal zeigte straff nach hinten. Diego Martinez, der Ehemann von Lucy Martinez, der Gouverneurin von Arizona, und noch so ein Winkeladvokat.
»Diese Fußstapfen sind mir entschieden zu groß«, antwortete Lee trocken. »Wenn immer möglich meide ich ausgetretene Trampelpfade und versuche neue Wege zu beschreiten.« Darauf fiel dem Anwalt keine intelligente Antwort ein. Er schwieg, und Lee bemerkte, wie ein schadenfrohes Lächeln über die Lippen der Gouverneurin zu seiner Rechten huschte.
»Erzählen Sie mir etwas von den neuen Wegen, die Sie beschreiten«, wollte sie wissen, als sie später beim Dinner im Ritz-Carlton neben ihm saß. Zögerlich begann er, von seiner Firma und den Projekten zu sprechen, doch als er bemerkte, dass sie sich ehrlich für seine Arbeit interessierte, holte er weiter aus, froh, endlich ein vernünftiges Thema gefunden zu haben.
»Sie lassen sich auf ein gefährliches Spiel ein, Gouverneurin«, warnte Anna. »Wenn er über die Arbeit spricht, vergisst er die Zeit.«
»Oh, kein Problem«, lachte Lucy. »Es ist sicher gut investierte Zeit. Von einem Spitzenwissenschaftler über die neusten Entwicklungen im Kampf gegen den Wassermangel aufgeklärt zu werden, erspart mir mühsames Literaturstudium.«
»Nicht zu vergessen, dass gute Literatur zum Thema Mangelware ist«, warf Lee ein, und er verstand die Bemerkung keineswegs als Scherz. Es gab genug Scharlatane, die Bücher über die Folgen des Klimawandels publizierten, ohne sich im Geringsten um die physikalischen Zusammenhänge zu kümmern. Leute, die einfach mit einem populären Stichwort ihr Schäfchen ins Trockene bringen wollten, oder, schlimmer, von gewissenlosen Lobbyisten gesteuert wurden. »Im Grunde genommen kennt niemand die wahre Ursache der zunehmenden Trockenheit, die man in den letzten Jahren auch hier in den Staaten beobachtet. Jeder, der etwas anderes behauptet, weiß entweder nicht, wovon er spricht, oder er will die Leute gezielt manipulieren. Damit will ich nicht sagen, dass die Ursachenforschung versagt hat oder unnötig ist. Die Wissenschaft ist einfach noch nicht so weit. Die Klimamodelle sind immer noch viel zu grob. Wir kennen lange nicht alle Parameter und Zusammenhänge, um zu begreifen, was in den verschiedenen Schichten der Atmosphäre vor sich geht, ganz zu schweigen von den Vorgängen in den Weltmeeren und ihrem Einfluss auf das Klima. Tausende renommierter Wissenschaftler im Weltklimarat sammeln seit Jahrzehnten Erkenntnisse aus der Klimaforschung, und sie verstehen die Schwächen und Grenzen ihrer Modelle.« Mit einem Seitenblick auf den skeptisch grinsenden Anwalt gegenüber fügte er schnell hinzu: »Und durch die enormen Fortschritte der Computertechnik sind wir heute weit besser in der Lage als noch vor wenigen Jahren, die Ungenauigkeiten abzuschätzen. Man sollte daher nicht den Fehler gewisser Politiker und Lobbyisten begehen, die gesicherten Erkenntnisse einfach zu ignorieren oder zu leugnen, nur weil wir noch nicht alles begriffen haben. Wir wissen viel, aber immer noch viel zu wenig, leider.«
»Die beste Motivation für euch Forscher, nicht wahr?«, lächelte Lucy.
»So ist es. Wie fast immer in der Wissenschaft muss man sich in kleinen Schritten dem Ziel nähern, Voraussetzungen und Konsequenzen von Modellen und Beobachtungen ausloten und eben auch unkonventionelle Wege beschreiten.« Anna hatte sich inzwischen an einen anderen Tisch zurückgezogen und Lee bemerkte, dass er zu dozieren begann, wie sie angedeutet hatte. Leicht errötend entschuldigte er sich: »Tut mir leid, ich rede zuviel.«
»Ganz und gar nicht.« Die Gouverneurin schien eine gute Zuhörerin zu sein. »Wenn ich Sie richtig verstehe, wird es noch lange Zeit dauern, bis konkrete Gegenmaßnahmen in Sicht sind?«
»Gegen die zunehmende Trockenheit, meinen Sie?« Sie nickte. »Ja und nein«, fuhr er fort. »Wir sehen zwar noch nicht, wie die Ursachen zu bekämpfen sind, im Gegensatz zum Kampf gegen die Erwärmung, wo man das CO2 als wichtigen Bösewicht entlarvt hat. Wobei man, nebenbei bemerkt, andere Treibhausgase wie Methan üblicherweise vergisst. Nein, die Ursache der Trockenheit bleibt ein Rätsel, aber wir können und müssen natürlich die Folgen bekämpfen.«
»Und da kommt Ihre Firma ins Spiel, wie ich vermute«, lächelte sie.
»Ja, eines unserer aktuellen Projekte geht gerade jetzt in die entscheidende Phase. Wir haben ein völlig neuartiges Verfahren zur Entsalzung von Meerwasser entwickelt, das nur einen Bruchteil der Energie konventioneller Anlagen benötigt. Schade, dass Ihr Staat keine Küste hat, sonst könnten wir unsere Technologie hier einsetzen und müssten den Pilotversuch nicht in Indien durchführen.«
»Indien?« Er nickte.
»Mit einem großen Projekt im Bundesstaat Kerala wollen wir die Machbarkeit beweisen.«
»Faszinierend. Ich kann mir vorstellen, welcher Segen eine solche Technologie für viele Küstenregionen wäre.« Die Frau war in Ordnung, aber warum hatte sie nur diesen windschlüpfrigen Advokaten geheiratet? Mehr von ihrer Sorte könnte seine Meinung über die Politiker in diesem Land durchaus positiv beeinflussen. Durch die angeregte Unterhaltung hatte er das Steak auf seinem Teller ganz vergessen. Als er zum Messer griff, entschuldigte sich Lucy unvermittelt: »Nun ist Ihr Steak kalt. Tut mir leid, dass ich Sie vom Essen abgehalten habe.« Mit