Das Komplott der Senatoren. Hansjörg Anderegg

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Das Komplott der Senatoren - Hansjörg Anderegg

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lag ein alter Rosthaufen am Kai, jedenfalls war das Lees erster Eindruck. Aber es war ihr Schiff. ›Спа´сский‹ stand in großen, kyrillischen Lettern am Bug, die Spassky mit russischer Mannschaft unter panamaischer Flagge, die ihre Transportfirma wohl einzig und allein angeheuert hatte, um Kosten zu sparen. Die Wartung des Kahns konnte jedenfalls nicht viel Geld verschlingen, wie die rotbraunen Streifen auf der schmutziggrauen Hülle bestätigten. Das Schiff bestand im Wesentlichen aus einem fünf- oder sechsstöckigen Deckhaus, mehreren Ladeluken und zwei hohen Masten mit überraschend gebrechlich wirkenden, langen Ladebäumen. Einer dieser Deckskräne hatte gerade seine Palette mit folienverpackten Kisten vor dem Gabelstapler abgesetzt. Leuchtend blau lachten ihnen die Buchstaben DT entgegen, das vertraute Logo ihrer Firma. Lee warf seinem Begleiter einen triumphierenden Blick zu und vergaß den zweifelhaften Zustand des Schiffs. Auf Sayeds Rat hatten sie eine spezialisierte Mannschaft mit der Löschung beauftragt, und die Leute schienen ihr Handwerk zu verstehen. Sie arbeiteten schnell und mit der nötigen Vorsicht.

      »Was wohl die Typen dort hinten im Schild führen?«, wunderte sich Lee. Eine Gruppe Hafenarbeiter lehnte gelangweilt an einem Schuppen und beobachtete das emsige Treiben. Sayed grinste verlegen. Er zögerte mit der Antwort.

      »Nokku kooli«, sagte er schließlich wenig hilfreich. Lee sah ihn fragend an. »Bezahlte Zuschauer. Es sind lokale Hafenarbeiter, die wir bezahlen müssen, weil fremde Männer ihren Job machen.« Lee konnte nicht glauben, was er hörte.

      »Du behauptest allen Ernstes, ich bezahle diese Kerle fürs Zuschauen?« Sein Kollege nickte und beeilte sich zu versichern:

      »Diese Zuschauer-Gebühr ist illegal, aber hier war es immer so. Glaub mir, es ist das Beste, den bescheidenen Tribut einfach zu entrichten.«

      »Unfassbar«, brummte Lee einigermaßen erschüttert. Mit seiner Auffassung von freier Marktwirtschaft war dieses Gebaren nicht vereinbar, und das ärgerte ihn nachhaltig. Sie gingen zum Lastwagen, auf dessen Ladefläche die DT-Paletten jetzt standen. Der Chauffeur zwängte sich mit der Ladeliste zwischen den Stapeln hindurch und prüfte die Etiketten. »Alles da?«, fragte Lee. Er begrüßte den Fahrer und schwang sich zu ihm hinauf. Nach dem Gesicht des Mannes zu urteilen, war es alles andere als eine rhetorische Frage.

      Der Fahrer schüttelte den Kopf und schimpfte: »Einmal möchte ich erleben, dass diese elenden Listen stimmen.« Er zeigte Lee das Papier, auf dem er alle Posten abgehakt hatte, außer einem. Als Lee sah, was die fehlende Palette enthielt, erbleichte er.

      »Die Liste stimmt schon«, murmelte er, »aber die Lieferung offenbar nicht. Sind Sie sicher, dass alles abgeladen ist?« Der Fahrer nickte.

      »Das behauptet die Crew.«

      »Das kann nicht wahr sein«, sagte er tonlos und begann, selbst nochmals die ganze Ladung zu kontrollieren.

      »Was ist los?«, rief Sayed beunruhigt.

      »Die Pumpen fehlen«, schrie Lee zwischen den Paletten.

      »Was?«

      Die Ladeliste stimmte.

      Er beugte sich zu Sayed hinunter und reichte ihm das Dokument.

      »Die verdammten Pumpen fehlen«, knurrte er wütend. Das musste ein Irrtum sein. Er wusste mit absoluter Sicherheit, dass die Pumpen von der Transportfirma in Chicago abgeholt worden waren. Sie mussten einfach da sein. Eine Verwechslung? Die Spassky hatte eine Menge anderer Güter entladen, die teils noch auf dem Kai lagerten, teils bereits in anderen Lastwagen wer weiß wohin unterwegs waren. »Wir müssen mit dem Captain reden«, sagte er unvermittelt und sprang vom Wagen.

      Um ganz sicher zu gehen, kontrollierten sie in aller Eile die Etiketten der noch nicht abgeholten Güter am Kai Q6, bevor sie sich zum Schiff wandten. Sie hatten das Fallreep der Spassky noch nicht erreicht, als sich ihnen vier Männer mit versteinerten Mienen in den Weg stellten. Soweit Lee es beurteilen konnte, waren es Einheimische, die nicht danach aussahen, als ließen sie mit sich spaßen.

      »Stopp, was wollt ihr?«, schnauzte sie einer an.

      »Zum Captain. Wir wollen zum Captain«, knurrte Lee streitlustig zurück, »und wer seid ihr?« Der Anführer der Viererbande machte einen drohenden Schritt auf sie zu.

      »Der Captain ist nicht da. Ihr habt hier nichts zu suchen, verzieht euch!« Das war zuviel für ihn. Trotzig trat er näher, bereit, dem anderen jederzeit an die Gurgel zu springen, doch Sayed zerrte ihn plötzlich am Hemdsärmel zurück und flüsterte aufgeregt:

      »Goondas!«

      »Goon – was?« Sayed deutete verstohlen auf die Männer, aber Lee hatte die Messer in ihren Händen längst bemerkt. »Komm, weg hier.« Widerstrebend folgte er seinem Mitarbeiter. Kaum waren sie außer Hörweite, klärte ihn Sayed auf. Als Goondas bezeichnete man hier Mitglieder krimineller Banden, und deren gab es viele in dieser Gegend. Selbstredend gab es Gesetzte gegen das Bandenwesen, aber die nützten nicht viel, solange sie nur auf Papier standen. Es sah ganz danach aus, dass jemand mit Gewalt verhindern wollte, dass er den Frachter betrat, aber weshalb?

      Sayed musste sein ganzes diplomatisches Geschick einsetzen, um ihn vor einem Ausraster im Büro der Hafenpolizei zu bewahren. »Es ist das gute Recht des Kapitäns, jemanden nicht aufs Schiff zu lassen«, betonten die Beamten. Das wusste er auch, aber sein gutes Recht war es, Auskunft über seine teuer bezahlte und dringend benötigte Ware zu erhalten. Die nervenaufreibende Odyssee in der Hafenverwaltung brach er nach einer Stunde selbst ab. Mit konstanter Boshaftigkeit endeten sämtliche Vorstöße stets mit dem Hinweis auf die Transportfirma und die Versicherung. Allmählich begann er zu glauben, dass die für das Projekt lebenswichtigen Pumpen tatsächlich nicht angekommen waren. Eine Katastrophe, denn sie hatten keinen Plan B. Chicago würde er erst in ein paar Stunden anrufen können. Alles hatte sich gegen ihn verschworen.

      Sie fuhren wortlos zur Fabrik zurück. Ihm wurde übel beim Gedanken, das Projekt für unbestimmte Zeit auf Eis legen zu müssen.

      Die Krisensitzung mit seinen Teamleitern förderte wenigstens einen kleinen Hoffnungsschimmer zutage. Wenn sie die alten Pumpen in Reihe schalteten, könnte die Förderhöhe überwunden werden, aber sie brauchten zwei solche Konstruktionen. Das hieß für Sayeds Männer, nochmals zwei Ersatzpumpen, Ventile und Röhren zu organisieren. Trotzdem saß der Schock tief, war die Stimmung unter den Leuten bedrückt, denn diese Alternative bedeutete Zeitverlust und beträchtliche Mehrkosten.

      An diesem Abend hatte keiner Lust auf ein gemeinsames Essen, das sonst zum Tag gehörte, wie das Schrillen des Weckers am frühen Morgen. Um acht Uhr rief Lee die Transportfirma in Chicago an. Die freundliche Sachbearbeiterin bestätigte ihm nach kurzer Suche, was er im Grunde genommen schon wusste. Das Material hatte die USA auf diesem Schiff verlassen, daran gab es keinen Zweifel. Resigniert nahm er zur Kenntnis, dass die Versicherung wenigstens einen Teil des Schadens bezahlen würde. Die Sache stank zum Himmel. Mit dieser Spassky stimmte etwas ganz und gar nicht. Er kannte sich selbst gut genug, dass er gar nicht erst versuchte, die Geschichte zu verdrängen. Ohne zu wissen, was los war, fände er keine Ruhe mehr. Wenn sich die offiziellen Stellen blind und taub stellten, musste er die Sache selbst in die Hand nehmen.

      Ein paar Minuten später saß er wieder im Auto und ließ sich, mit einer Taschenlampe bewaffnet, zum Hafen fahren. Diesmal schlich er sich vorsichtig an den Frachter heran. Der Kai lag verlassen im Dunkeln. Auf dem Schiff brannten nur die Positionslichter, und einige Fenster des Deckhauses waren erleuchtet. Er blieb stehen, horchte, schaute sich angestrengt nach allen Seiten um, dann näherte er sich dem Fallreep. Kein Mensch war zu sehen, nur das gleichmäßige Plätschern des Wassers und das verhaltene Brummen der Generatoren waren zu hören. Er setzte einen Fuß auf die Treppe.

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