Extra Krimi Paket Sommer 2021. A. F. Morland
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Prima, Jens, du kannst bei der Sitte anfangen!, lobte er sich sarkastisch. Was die beiden trieben, konnte er sich ausmalen. Die moralische Seite entrüstete ihn nicht, allenfalls gab ihm die Sorglosigkeit zu denken, mit der die junge Frau zu Werke ging. Und natürlich die Frage, wie oft sie hier oben ihren Nebenjob ausübte. Auf dem Rückweg verzichtete er darauf, den Wagen zu finden.
Im Bären brannte noch Licht, nach kurzem Zögern trat Rogge noch einmal ein und stellte verblüfft fest, dass die meisten Gästen bereits gegangen und viele Lampen schon ausgeknipst waren. Ein kluger Kopf hatte Fenster geöffnet, der schlimmste Mief war abgezogen. Rechts, auf der Krakeeler-Bank, saßen noch drei junge Männer; zwei beschimpften sich, drohten mit den Fäusten und lallten gewaltig herum, viel zu betrunken für eine ordentliche Prügelei, bei jeder heftigen Bewegung schwankten sie, dass sie von der Bank zu stürzen drohten. Dabei waren sie so mit sich beschäftigt, dass sie den dritten gar nicht beachteten, der Hinkende brütete über einem fast leeren Bierglas und stieß nur ab und zu einen seiner Kumpel in den Rücken, wenn der so weit nach hinten kippte, dass er den Hinkenden berührte. Am Tresen hingen zwei alte Männer, die leise miteinander redeten, Gertrud hatte sich zu einem jungen Paar gesetzt, das Rogge auf den ersten Blick wieder erkannte, der junge Mann mit dem Zopf und die junge Frau, die von dem Quartett so geschnitten worden war; beiden war er auch heute Nachmittag begegnet.
»Hei, Herr Rogge!« Gertrud winkte ihm so energisch zu, dass er zu ihrem Tisch hingehen musste; der Hinkende hob schwerfällig den Kopf und stierte ihn an, sagte aber nichts.
»Wollen Sie sich nicht zu uns setzen?«
»Gerne«, antwortete er gleichmütig; eigentlich wäre er lieber wieder gegangen.
»Das ist Herr Rogge. Das ist meine Freundin Monika.« Ein schneller, bittender Blick streifte ihn und er nickte rasch, versprochen war nicht vergessen. »Monikas Freund, Johann Thelen.«
»Guten Abend.«
Der junge Mann brummte etwas Unverständliches, seine verkniffene Miene signalisierte, dass er über Rogges Anwesenheit alles andere als erfreut war. Dagegen musterte Monika ihn unsicher und Rogge ahnte, dass Gertrud seinen Beruf ausgeplaudert hatte.
»Was trinken Sie? Noch ein Bier?«
»Gerne. Ein großes bitte.«
»Ist schon in Arbeit.« Sie sprintete davon und Monika lächelte ihn etwas verkrampft an. Offenkundig hatte sie Angst vor ihm, diese Reaktion kannte Rogge nur zu gut. Bevor er etwas sagen konnte, brüllte der Hinkende: »Noch ein Bier.«
Gertrud ließ sich nicht beeindrucken, auch die beiden Männer am Tresen reagierten nicht und Rogge murmelte, scheinbar besorgt: »Der hat den Kanal eigentlich schon voll.«
»Benno?«, schnappte der junge Mann. »Der hört erst auf, wenn ihm das Bier aus den Ohren tröpfelt.«
»Benno? Und wie weiter?«
»Brockes.« Nach kurzem Zögern setzte der junge Mann hinzu: »Benno der Kotzbrocken.«
»Jo!«, mahnte Monika.
»Ist doch wahr.«
Thelen zuckte die Achseln. Rogge ließ absichtlich eine halbe Minute verstreichen, bevor er gleichmütig fortfuhr: »Es muss auch solche Typen geben.«
Monika griff nach Thelens Hand, der sie zuerst zurückziehen wollte, dann aber tief Luft holte, weil er sich unter Rogges forschendem Blick zu einer Art Erklärung genötigt fühlte: »Benno und seine so genannten Freunde machen uns das Leben schwer, wo sie nur können.«
»Warum denn das?«
»Ich wohne auf dem Scherkenhof.«
»Tut mir Leid, das sagt mir nichts.«
»Ein Ökohof.« An der Art, wie Thelen die beiden Wörter herausstieß, war leicht zu erkennen, dass der junge Mann Kritik oder Spott erwartete und deshalb wie ein Igel in Verteidigungsstellung gegangen war.
Den Gefallen würde Rogge ihm nicht tun.
»Seit wann hat der Bauer umgestellt?«
»Seit vier Jahren.« Rogges Frage hatte Thelen verblüfft und Rogge meinte gutmütig: »Dann haben Sie ja das Schlimmste hinter sich.«
Auch Monika staunte ihn an. Aus den Augenwinkeln verfolgte Rogge, wie Gertrud dem Hinkenden das Glas hinknallte, als würde sie es ihm am liebsten an den Kopf schmeißen.
»Verstehen Sie was von ökologischer Landwirtschaft?«
»Nein. Wenigstens nicht viel. Eine Bekannte hat Landwirtschaft studiert und einen Hof im Münsterland übernommen, den sie umgestellt hat. Von ihr weiß ich etwas über die Schwierigkeiten.«
Thelen entspannte sich, auch Monika atmete auf, und als Gertrud sich wieder zu ihnen setzte, schaute sie erleichtert von einem zum anderen.
»Zum Wohl.« Er trank langsam, die drei jungen Leute hatten nicht zufällig zusammengesessen, das war ihm klar, und nun musste Rogge noch herausfinden, warum Gertrud ihn an den Tisch eingeladen hatte.
»Nee, über den Berg sind wir noch nicht«, sagte Thelen plötzlich. »Aber es sieht so aus, als würden wir es schaffen.«
»Wir?«
»Wir sind eine Kommune.« Wieder zeigte Thelen diese aggressive Abwehr, als wolle er sich im Voraus jede hämische oder kritische Bemerkung verbitten. Doch Rogge hatte ihm mindestens dreißig Lebensjahre und fünfundzwanzig Berufsjahre bei der Kripo voraus, komplizierte Gesprächspartner beeindruckten ihn nicht.
»Ja, so was kenne ich.« Er lächelte flüchtig. »Irgendwann wird sich die EU überlegen müssen, ob der bäuerliche Familienbetrieb neben den Agrarfabriken wirklich das A und O ist.«
Irgendwie schien Thelen enttäuscht, dass er auf Verständnis stieß. Auf Rogge machte er den Eindruck eines anständigen, aber ziemlich unreifen jungen Mannes, dem zum stoßfesten Selbstvertrauen noch viel fehlte.
»Sind Sie Landwirt?«
»Nein, gelernter Elektriker.«
»Aha. Und Sie, Frau ...«
»Ziegler.«
»Leben Sie auch auf dem Hof?«
»Nein, ich bin Arzthelferin.« Ein merkwürdiger Stolz klang durch. Sie stand