Die Salbenmacherin und der Fluch des Teufels. Silvia Stolzenburg
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Читать онлайн книгу Die Salbenmacherin und der Fluch des Teufels - Silvia Stolzenburg страница 8
»Ich glaube, Eure Tochter leidet an der Fallsucht«, erklärte Olivera.
Martin Groß sah sie verständnislos an.
»Man nennt sie auch die Heilige Krankheit.«
»Wollt Ihr damit sagen, es sei keine Strafe Gottes?«
»Es ist eine Krankheit, die durch das Stocken des Blutes verursacht wird«, gab sie zurück. »Ich habe im Auftrag des Medicus einen Trank zubereitet, der Linderung bringen sollte. Matthäus wird auch bald hier sein, um Eure Tochter zu schröpfen.«
»Warum hat er das nicht längst getan, wenn es ihr hilft?«, erboste sich Groß.
Olivera schwieg. Sie wusste, wie schwer es war, zu erklären, warum nicht jedes Heilmittel anschlug. Da sie Matthäus nicht in den Rücken fallen wollte, hielt sie es für klüger, nichts zu sagen, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen.
»Der Priester meinte, Clara könnte von einem bösen Geist besessen sein«, murmelte der Patrizier.
»Von einem Geist?« Olivera verkniff sich ein Stöhnen. Das hatte gerade noch gefehlt.
»Er sagt, ihr Schreien und diese furchtbaren Krämpfe wären ein untrügliches Zeichen dafür, dass ein Dämon ihr die Seele rauben will.« Er umklammerte ein großes juwelenbesetztes Kreuz, das an seinem Hals hing.
»Ich glaube nicht, dass ein Dämon etwas mit ihrem Zustand zu tun hat«, versuchte Olivera ihn zu beschwichtigen. Allerdings war in seinen Augen zu lesen, dass die Worte des Gottesmannes auf fruchtbaren Boden gefallen waren.
»Und wenn Ihr Euch irrt?«
Darauf wusste Olivera keine Antwort. Zu oft war sie Zeugin geworden, wie abergläubisch die Nürnberger waren. Sobald ein solches Gerücht anfing, die Runde zu machen, war mit gesundem Menschenverstand kaum mehr etwas auszurichten. War es nicht auch damals so gewesen, als alle davon überzeugt waren, ein Werwolf würde sein Unwesen in der Stadt treiben? Ganz zu schweigen von dem angeblichen Stein der Weisen, den der Adept Alphonsius zu besitzen behauptet hatte. Es blieb nur zu hoffen, dass Matthäus’ Behandlung anschlug und das Mädchen schnell wieder genas. Ansonsten stand das Schlimmste zu befürchten, da Angst ein Einfallstor für Eiferer und Scharlatane war.
»Ich lasse nach dem Priester schicken«, beschied Groß. »Er soll dabei sein, wenn Ihr Clara behandelt.«
Olivera verkniff sich die Antwort, die ihr auf der Zunge lag, und folgte den Männern ins Obergeschoss zum Zimmer des kranken Mädchens.
Es schlief, warf sich jedoch unruhig in den Kissen hin und her. Claras Gesicht war grau, das Haar klebte nass in der Stirn. Immer wieder zuckten ihre Beine, aber die furchtbaren Krämpfe hatten sich allem Anschein nach gelegt.
Die Magd, die schon bei Oliveras letztem Besuch in der Kammer gewesen war, saß neben dem Bett und tupfte der Kranken die Stirn ab. »Heiliger Antonius, ich bitte dich, erbarme dich der armen Seele«, hörte Olivera sie murmeln. Offensichtlich war sie immer noch der Meinung, dass es sich bei Claras Leiden um das Antoniusfeuer handelte.
»Wie lange schläft sie schon?«, erkundigte sich Olivera.
»Seit einer Stunde«, erwiderte die Magd.
Olivera beugte sich über die Kranke, um ihr die Hand auf die Stirn zu legen. Sie war immer noch viel zu heiß. Während Martin Groß sich mit vor der Brust verschränkten Armen neben der Tür aufbaute, füllte Olivera etwas von dem Helleborus und der Wolfsmilch in einen Becher ab, mischte alles mit Wein und Honig und hob den Kopf des Mädchens an, dessen Augenlider flatterten. Vorsichtig setzte sie ihm den Becher an die Lippen und flößte ihm den Trank ein.
Clara stöhnte.
Mühsam gelang es Olivera, sie zum Schlucken zu bewegen, da sie nur halb bei Bewusstsein war.
Plötzlich, Olivera hatte den Becher gerade erneut an ihre Lippen gesetzt, öffnete sie den Mund zu einem Schrei und machte eine Bewegung, mit der sie Olivera den Becher aus der Hand schlug. Auch ihre Beine fingen an, sich stärker unter der Decke zu bewegen, die zu Boden glitt.
»Tut doch etwas!« Martin Groß trat neben das Bett und sah hilflos auf seine Tochter hinab.
In diesem Moment erschien eine Magd in der Tür, gefolgt von zwei Männern: dem Medicus Matthäus und einem Mann in Priestertracht.
»Dem Herrn sei Dank! Da seid Ihr, Pater!«, begrüßte Groß den Gottesmann. Matthäus schenkte er kaum Aufmerksamkeit.
»Zieht Ihr immer noch weltliche Hilfe vor?«, fragte der Priester mit einem Blick auf Olivera und den Medicus.
»Sie sagen, sie wüssten, woran Clara erkrankt ist«, gab der Patrizier zurück.
»Das kann nur der Herr sicher wissen«, antwortete der Geistliche.
Matthäus blickte von einem zum anderen. »Soll ich Eurer Tochter helfen oder nicht?«
Der Hausherr zögerte, ehe er nickte. »Ein letztes Mal. Wenn Ihr sie wieder nicht heilen könnt, liegt ihr Schicksal in Gottes Hand.«
Kapitel 8
Jona fühlte sich immer noch ein wenig schwindelig von Fronis Nähe, doch allmählich kehrten andere Gedanken in seinen Kopf zurück. Nachdem er ihr geholfen hatte, das Feuerholz in die Küche zu schleppen, warf er aus der Ferne einen Blick in den Schuppen, in dem Cristin damit beschäftigt war, Schafgarbe auszulegen. Einen Augenblick lang verharrte er unschlüssig auf der Stelle, ehe er tief Luft holte und beschloss, sich Gewissheit zu verschaffen. Wenn er sich irrte, waren all die Vermutungen, war der Verdacht, der an ihm fraß, haltlos. Falls er jedoch recht hatte … Was dann? Er steckte die Hand in die Tasche und umklammerte den Stofffetzen, den er im Haus des Alten Endris entdeckt hatte. Es gab keine andere Möglichkeit. Er musste einfach in Erfahrung bringen, was dort vorgefallen war!
Selbst wenn ihm nicht wohl war bei der Vorstellung, sich durch Oliveras persönliche Dinge zu wühlen, blieb ihm keine andere Wahl. Ohne Gewissheit würde er keine Ruhe finden. Nachdem er sich im Hof umgesehen hatte, ging er zurück ins Haus und erklomm die Treppe ins Obergeschoss. Dort hielt er inne, lauschte kurz und huschte dann weiter zu der Tür, hinter der sich die Kammer befand, in der Olivera ihre Kleidertruhen aufbewahrte. Zu seiner Erleichterung war der Raum nicht abgeschlossen, weshalb es ihm ohne Schwierigkeiten gelang hineinzuschlüpfen. Mit hämmerndem Herzen lehnte er sich gegen die Tür und wartete, bis sich sein Puls etwas beruhigt hatte. Dann sah er sich in der kleinen Kammer um.
Durch ein Fensterchen am anderen Ende fiel etwas Licht auf den Dielenboden, der nach frischem Wachs roch. Links von ihm standen große Holztruhen mit schweren Deckeln, rechts befanden sich einige Körbe mit Tuch. Da er nicht wusste, wo er anfangen sollte, entschied er sich für die Truhe, die ihm am nächsten war, hob den Deckel an und blickte hinein.
»Männersachen«, murmelte er enttäuscht.
In der zweiten Truhe hatte er mehr Glück. Darin lagen, fein säuberlich zusammengelegt, Kleider in leuchtenden Farben, lange Gewänder und die dunklen Mäntel und Überwürfe, die Olivera im Herbst und Winter trug. Hastig zog Jona das Stück Stoff aus der Tasche und fing an, die Stapel zu durchwühlen. Mit jedem Kleid, das nicht zu