Mörderisches vom Niederrhein. Regina Schleheck
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Mörderisches vom Niederrhein - Regina Schleheck страница 11
»Er wird mich nie freigeben. Sonst ist seine Ehre – wie sagt man? – schmutzig. In meiner Community bin ich sein Eigentum.« Sie aß, sagte: »Lecker«, auch wenn der Gesichtsausdruck nicht ganz danach aussah. »Eine verheiratete Frau kann nicht heiraten. Ohne Heirat keine Duldung.«
»Und wenn ich nicht will?«
Sie zuckte die Achseln. »Dann finde ich einen anderen.«
Wieder hätte er sie würgen können. Stattdessen würgte er den Quark in sich rein. Was sie veranlasste, brav weiterzulöffeln.
»Aber wie sollte dein Mann dich finden?«
»Abdul ist ein hoher Beamter. Sie spionieren alles aus. Wenn er meine Route kennt, weiß er, wo er mich suchen muss. Dass ich in Deutschland bin, ist ihm sowieso klar. Ich spreche die Sprache. Er wird den Scheich hierherlocken. Und ihn begleiten. Der Scheich hat viel Macht.«
Oho. Ihr Mann kannte den Scheich persönlich, hatte Einfluss. Er, Holger, der arbeitslose kleine Technische Zeichner, hatte die Gattin eines hohen Tiers aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gevögelt. Der Gedanke gab ihm Auftrieb.
Amira gähnte hinter vorgehaltener Hand. »Entschuldige. Ich bin so müde.«
»Leg dich hin. Wir haben Zeit.« Holger blieb sitzen, die Arme um die Beine geschlungen, träumte in die Ferne, das Zwitschern der Vögel, das Schnattern der Enten im Ohr …
Waren das Frösche?
Das Gurgeln kam von Amira. Nur ein Schnarchen? Ein Schleimfaden rann aus ihrem Mundwinkel. Unter der Nase glänzte es feucht.
Wenn er sie jetzt weckte und ihr den Finger in den Hals steckte, damit sie erbrach?
Sie war so schön. Das ebenmäßige Gesicht. Das blonde Haar ausgefächert wie ein Kranz um den Kopf …
Gefärbt, klar. Fast wäre er darauf reingefallen. Er ertrug es nicht. Stand auf, ging durch das raschelnde Gras zu einer Weide. Setzte sich, an den Stamm gelehnt, schloss die Augen. Spürte eine Träne unterm Lid hervorquellen, ließ sie laufen. Moment der Schwäche. Er würde noch viel Kraft brauchen.
Da er das Smartphone zu Hause gelassen hatte, wusste er nicht, wie viel Zeit verstrichen war, als er nach ihr sah. Sie lag auf der Seite, verzerrte Züge, vollkommen verschleimt, zuckte und röchelte. Schien aber nicht bei Bewusstsein. Das Luminal war tatsächlich noch wirksam. Er hatte es im Arztkoffer des Großvaters gefunden. Auf dem Dachboden.
Die Sonne neigte sich dem Horizont zu, als er sicher war, dass sie nicht mehr atmete. Er zog sie aus, schleifte sie zum Steg, ließ sie ins Wasser sinken und band sie an den Pfosten fest. Ihr Körper war jetzt am Grund fixiert, nicht tief, aber tief genug, dass er unter dem Holz und zwischen den grünen Algen auch von der Seite nicht sichtbar war. Keine Geruchsentwicklung. Hier kam eh niemand her. Das Wasser und die Tiere des Sees würden den Zersetzungsprozess beschleunigen.
Noch in derselben Nacht verbrannte er ihre Klamotten, pulverisierte das Smartphone, spülte, wusch, putzte, beseitigte sämtliche Spuren. Er hatte Hausarbeiten immer gehasst. Aber es fühlte sich gut an, als im Morgengrauen alles geschafft war.
Nie war ihm seine Umgebung so hell und sauber vorgekommen.
*
Allahs Universum war nicht nur riesengroß, sondern en détail sehr profan! Hussein machte eine Handbewegung. »Yalla.«
Hamid kicherte. »Deutsche Ordnungsfanatiker.«
Sein Vater runzelte die Stirn. »Um den anderen zu verstehen, musst du ihn lieben. Erst wenn du ihn verstehst, kannst du ihn beurteilen. Wer lacht, weil er nichts versteht, offenbart die eigenen Grenzen.«
»Wenn die rechte Hand nicht versteht, was die linke tut?«, gab Hamid zurück.
»Die Zunge ist die Übersetzerin des Herzens. Also lies.«
»Vorab: Du erinnerst dich? Wir hatten über den Caterer einen ungestörten Ort zum Grillen erbeten. Die Wiese am Teich, die er uns anbot, lag in einem Gebiet, das normalerweise niemand betreten darf. Aus Naturschutzgründen.«
Hussein nickte. »Ich hatte um einen geschützten Raum gebeten. Sind wir Menschen nicht auch Teil der Natur? Es lag im Interesse Deutschlands, für unsere Sicherheit zu sorgen.«
»Wer ist Deutschland?« Hamid holte tief Luft. »Die Kanzlerin? Der Botschafter zitiert Stellungnahmen, von denen einem vollkommen wirr im Kopf werden kann. Hör zu, hier steht: Das Bundeskanzleramt habe das Gespräch mit der Botschaft bestätigt, aber jede Einflussnahme bestritten, was den gewählten Ort anging. Sie haben die Frage einfach in die Verantwortung der untergeordneten Behörden gegeben! Die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen sprach von einem ›Privatbesuch‹, der nicht in ihre Zuständigkeit gefallen sei. Der Kreis Viersen – was auch immer das ist – bestritt, um eine Genehmigung ersucht worden zu sein, beklagte nichtsdestotrotz die entgangene Verwaltungsgebühr. Der Kreissprecher habe die Entscheidung der Stadt Nettetal hingenommen, in deren Nähe wir uns offensichtlich aufgehalten haben. Der Bürgermeister – Chef der Nettetaler Administration – war im Urlaub und konnte dich daher nicht mit einem Goldenen Buch belästigen. Aber es geht weiter: Der Rat der Stadt fühlte sich unzureichend unterrichtet. Ebenso der Ältestenrat, die Parteien und Wählergemeinschaften. Und jetzt kommt es: Niemals hätte man dir ein solches Privileg zugestehen dürfen. Ein Picknick auf einer Wiese! Die Verwaltung sprach daraufhin von einer ›Notlage‹ aufgrund der Kürze der Zeit.« Er blickte von den Papieren auf, von denen er ablas, fragte: »Leben wir im Krieg mit diesem Kaff? Wie kann eine friedliche Zusammenkunft derart missdeutet werden? Dein Besuch anders als ein Zeichen höchster Ehre aufgefasst werden?«
Wieder hielt Hamid inne. Sein Vater hatte den Blick in den Abendhimmel gerichtet. Hamid räusperte sich und fuhr fort: »Die beauftragte Eventagentur sprach von einem angemessenen Zeitraum. Offensichtlich gab es aber weitere Zuständige, die meinten, man hätte sie fragen müssen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz zum Beispiel. Die Biologische Station vor Ort erklärte, die Gänsebrutzeit sei zwar vorbei gewesen, dennoch habe für die Wasservögel eine Stresssituation vorgelegen.« Er kicherte. »Gestresste Gänse!«
»Schöne Tiere«, warf Hussein ein. »Nur ein wenig zäh.«
»Stressbedingt vermutlich. Nächstes Problem: Grillen. Die Freiwillige Feuerwehr hat sich beschwert. Bei einem offenen Feuer, Trockenheit und Temperaturen über 30 Grad hätte ein Löschzug bereitstehen müssen. – 30 Grad!«
»Ich beginne zu verstehen, weshalb Abdul meinte, er müsse mitkommen, um sich um alles zu kümmern.« Hussein lächelte.
»Dafür hat dein Sohn dich ja nun begleitet und das alles auf sich genommen.« Hamid blätterte weiter. »Die Kosten für das Mähen und Aufstellen der Pavillons – Peanuts. Die Rechnung ist längst beglichen. Aber die Männer, die der Caterer für den Transport von Geräten, Geschirr, Speisen und Getränken benötigte – was für ein Geschrei darum! Warum, um Allahs willen, haben sie darauf bestanden, dass nicht mit dem Auto angeliefert wurde? Der Steg hätte Schaden genommen, die Pfosten wären eingesunken. – Natürlich habe ich die Übernahme sämtlicher Kosten zugesagt! Sollen sie nur ja jeden einzelnen Pfosten gründlich gesund sanieren!«
Hussein blickte ihn freundlich an. »Wer dem Gerede der anderen nachgeht, wird müde.«
»Verzeih, Baba, lieber Vater,