Operation Werwolf - Fememord. Uwe Klausner

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Operation Werwolf - Fememord - Uwe Klausner

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Wichtigste war, die Ruhe zu behalten. Auch wenn es ihm noch so sehr gegen den Strich ging. Und sich die Wut, die seine Galle zum Brodeln brachte, nicht anmerken zu lassen. Wer aus der Haut fuhr, schadete sich selbst am meisten.

      Und spielte seinen Gegnern in die Hände.

      Genau darin bestand das Problem. Wenn die Emotionen in ihm hochkochten, war seine Selbstbeherrschung dahin. Irgendwie verständlich, wenn man sich die Situation auch nur einen Moment vor Augen hielt. Denn was sich sein Komplize da geleistet hatte, das ging über seinen Horizont.

      Und gegen den Strich ging es ihm auch.

      Einfach so hier aufzutauchen, aus einer Laune heraus, ohne Kontaktaufnahme.

      Und dann noch am helllichten Tag.

      Das sieht diesem Tollpatsch ähnlich.

      Jakubeit bebte vor Zorn. Er hatte geredet und geredet und geredet. Er hatte davor gewarnt, die Zügel schleifen zu lassen. Hatte mit Engelszungen plädiert, die Kripo nicht zu unterschätzen.

      Umsonst.

      Die Katastrophe war perfekt, so gut wie jedenfalls. Entgegen sämtlichen Warnungen, nur ja kein Risiko einzugehen, hatte Wischulke sie samt und sonders ignoriert, wider jegliche Vernunft, aus einer Sektlaune heraus.

      Einfach so, ohne ersichtlichen Grund.

      Von daher gab es für ihn zwei Möglichkeiten. Entweder er ging an seinen Spind, schnappte sich seine Walther PPK und erledigte das Problem, bevor er Gefahr lief, der Polizei vor die schussbereite Flinte zu laufen. Bisher war es ihm zwar gelungen, sie nach Belieben an der Nase herumzuführen, doch war er klug genug, sein Blatt tunlichst nicht zu überreizen. Auf einen Toten mehr oder weniger kam es im Endeffekt nicht an, ob er nun Müller, Mayer oder Wischulke hieß. Dennoch war etwas in ihm, das zur Vorsicht riet, allen sonstigen Gewohnheiten zum Trotz.

      Man konnte es als innere Stimme, Instinkt oder was auch immer bezeichnen, die Botschaft lautete, Ruhe zu bewahren. Ausgerechnet jetzt hoch zu pokern und dabei das Risiko einzugehen, dass er seine Pläne gänzlich über den Haufen werfen musste, im Moment kam das nicht infrage. Zuerst kamen er und die geplanten Maßnahmen, und danach kam überhaupt nichts mehr. Waren sie geglückt, würde er 100.000 RM kassieren, Berlin auf Nimmerwiedersehen Lebewohl sagen und sich einen Spaß daraus machen, die SS bis auf die Knochen zu blamieren. Die Dokumente, in deren Besitz er sich befand, sie reichten aus, um die Welt in helle Aufregung zu versetzen. Zwei, drei Artikel, falls möglich, auf der Vorderseite der »New York Times« oder der »Washington Post«, und ein Aufschrei der Empörung würde um den Globus gehen. Die Amerikaner würden Gift und Galle spucken, allen voran ihr profilsüchtiger Präsident. Und das zu Recht, so schwer er sich damit tat, dies zuzugeben. Einfach mal so über 60.000 Polen im Akkordtempo umzubringen, da gehörte schon was dazu. Etwas Vergleichbares hatte es noch nicht gegeben, innerhalb weniger Tage schon gar nicht.

      Aber macht nichts, anscheinend waren die Nazis ganz wild darauf, sich in Rekordzeit ihr eigenes Grab zu schaufeln. Denn was Himmler sich von der Aktion erhofft hatte, nämlich dass die Weltöffentlichkeit so gut wie nichts davon mitbekäme, das würde sich nicht bewerkstelligen lassen. Selbst wenn es ihm nicht gelänge, sich mithilfe der Geheimdossiers aus dem Staub zu machen, das »Unternehmen Tannenberg« – so der damalige Deckname – würde publik werden. Den Russen war es mit Katyn genauso gegangen, und wenn alles so lief, wie er sich das vorstellte, hatten Himmler und Konsorten ein Problem. Die Amerikaner, das wusste beinahe jedes Kind, warteten nur darauf, in den Krieg einzutreten, und wie die Dinge lagen, bekamen sie ihn frei Haus.

      Und zwar mit seiner Hilfe – und mit dem allergrößten Vergnügen.

      Doch zuvor würde ihm nichts anderes übrigbleiben, als sich seinen unbotmäßigen Adlatus vorzuknöpfen. Als ihm eine Lektion zu erteilen, die er so schnell nicht vergessen würde. Noch so ein idiotischer Einfall, und seine Pläne würden sich endgültig in Luft auflösen.

      Das galt es zu verhindern, mit aller Macht und um jeden Preis.

      »Na warte, mein Freund, dir werde ich was erzählen«, murmelte Jakubeit erbost, trat ans Fenster des langgestreckten Schaltraums, der sich im Obergeschoss des Stellwerks Vnk befand, und nahm sein Fernglas zur Hand, um bessere Sicht zu haben. »Das ist gegen die Abmachungen, tu bitte nicht so, als ob du es nicht wüsstest. Wie kann man nur so dämlich sein wie du, ich fasse es nicht!«

      Der Mann hatte wirklich Nerven. Überquerte die Gleise der Fernbahn, als sei dies die normalste Sache der Welt.

      Sah weder nach rechts noch nach links.

      Blickte sich um, als sei der Teufel hinter ihm her. Ein Alarmzeichen erster Güte, die Ruhe vor dem Sturm.

      Wie konnte man nur so verdammt unprofessionell sein.

      Da half nur eins, Ruhe bewahren. Die Handkante an der Stirn, auf der sich quecksilberfarbene Schweißperlen bildeten, nickte er mechanisch mit dem Kopf. Das also kam dabei heraus, wenn man sein Vertrauen auf ehemalige SS-Kameraden setzte. Entweder die Kanaillen ließen einen im Stich, so geschehen vor knapp zwei Jahren, oder sie bauten Mist, dass man die Hände über dem Kopf zusammenschlug.

      Oder, schlimmer noch, sie lieferten einen ans Messer.

      Such es dir aus, Max.

      Und tu endlich was, sonst geht es dir an den Kragen.

      Irgendwas war hier nicht in Ordnung, das konnte er mit bloßem Auge sehen. Am Ende des Laufgangs angekommen, von wo aus es nur noch wenige Schritte bis zum Stellwerk waren, rang der tumbe Koloss nach Luft, noch aufgeschwemmter als vor zwei Jahren, als Jakubeit die Ehre besaß, als sein Stubenkamerad zu fungieren. Auf Komfort hatte er zwar noch nie übermäßigen Wert gelegt, aber was ihn nervte, war, dass Wischulke die Gewohnheit entwickelte, ihm auf Schritt und Tritt zu folgen, im Guten wie im Schlechten. War es doch dieser Versager gewesen, dem er es verdankte, dass er Hals über Kopf ins Verderben gelaufen war. Hätte er ihn nicht abgelenkt, die Begegnung mit dem Flittchen wäre anders verlaufen.

      Und seine Karriere, die in ein Desaster ohnegleichen mündete, vermutlich auch.

      Von Beruf Hilfsweichensteller, mit einem Verdienst von 161 RM im Monat. Welch ein Unterschied zu früher, als die Quelle, aus der er schöpfte, noch am Sprudeln gewesen war. Als dem Verräter, der sich Kamerad schimpfte, nichts anderes übrigblieb, als nach der Pfeife von Maximilian Jakubeit zu tanzen. Einen Skandal zu vertuschen war nämlich eine Sache – und eine höchst knifflige obendrein. Etwas gänzlich anderes, wiewohl Komplizierteres, stellte der Wert der jeweiligen Geheiminformationen dar. Anders ausgedrückt, wer aus den Dossiers, die er in einem unbeobachteten Moment an sich gebracht hatte, kein Kapital schlug, der war zu gut für diese Welt.

      Oder so dumm wie altes Brot, je nach Standpunkt des Betrachters.

      Doch eins nach dem andern, zuerst kam dieser dämliche Fettsack dran. Er hatte seine Gründe gehabt, ihn ins Vertrauen zu ziehen, so banal sie auch immer gewesen sein mochten. Für Jakubeit, der so gut wie keine Ahnung von Chirurgie besaß, war Wischulke ein Geschenk des Himmels gewesen. Oder des Leibhaftigen, auch das eine Frage der Perspektive. Bei Ausbruch des Krieges vor zwei Jahren war Wischulke zwar lediglich Sanitätsgefreiter gewesen, hatte jedoch rasch dazugelernt – respektive dazulernen müssen. Die ideale Voraussetzung, Medizin zu studieren, wäre er sich selbst nicht im Weg gestanden.

      Viel zu jung, viel zu fett, viel zu träge. So hatte es der Regimentsarzt, ehedem Stationsleiter in der Charité, umschrieben.

      Eine Einschätzung, die der Wahrheit

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