Tod oder Taufe - Die Kreuzfahrer am Rhein. Jakob Matthiessen
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Mainz – in Jehudiths und Chaims Haus
Jehudiths Kopf lag entspannt an der Schulter ihres Mannes, der seinen Arm locker um sie geschlungen hatte. Eigentlich war es nun der rechte Moment, seine Frau zu küssen, aber sie wich seinem Blick aus. Ihr verschmitztes Grinsen sagte Chaim, dass da etwas war, das sie ihm mitteilen wollte.
Jehudith schloss die Augen. »Ich glaube, ich weiß, warum Salomo dich so merkwürdig angeschaut hat, als du ihn heute im Rat getroffen hast.«
»So?«
»Hannah hatte Bauchschmerzen.«
»Ah ja.« Chaim hatte nicht die geringste Ahnung, worauf seine Frau hinauswollte.
»Und uns ist der Kräutersud ausgegangen, den ich in solchen Fällen den Kindern gebe.«
»Hm.«
»Deshalb bin ich heute Morgen zu Salomo gegangen. Der hat mir ein Säckchen getrockneten Fenchel mitgegeben.«
»Und, haben die Kräuter geholfen?«, fragte Chaim, mehr, um in Jehudiths Spiel mitzuwirken, als aus wirklichem Interesse.
»Ja, Hannah ging es schon am Nachmittag viel besser.«
»Sehr schön. Aber war das der Grund für sein Grinsen?« Chaim war verwirrt, dieses Rumgestottere war ganz und gar nicht Jehudiths Art. Die Klarheit ihrer Worte war nicht nur bei den Kindern gefürchtet.
»Ähm … wohl nicht«, druckste Jehudith weiter herum.
»Was war dann der Grund?«, fragte Chaim mit Engelsgeduld.
»Ich habe mit Salomo über dies und das gesprochen.«
»Aha.«
»Nun ja, ich habe ihm erzählt, dass ich immer ziemlich genau nach dreiunddreißig Tagen meine Blutungen bekomme.«
Chaim konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. »Schon oft habe ich unserem Schöpfer dafür gedankt, dass der Zeitraum deiner reinen Tage länger ist als bei den meisten anderen Frauen. Und auch dafür, dass du das immer so genau einschätzen kannst. Wir sind wirklich gesegnet.«
Jehudith lächelte. »Meine letzte Monatsblutung war am sechsten Ijjar. Ich mache dann immer eine Kerbe in den Kalender in der Küche. Daher weiß ich das so genau.«
Natürlich war es Chaim nicht entgangen, dass seine Frau am Dienstag letzter Woche für das rituelle Reinigungsbad die Mikwe aufgesucht hatte. Seit dem Tag war ihnen nach der Niddah, wie die zwölf Tage der Schonung nach der ersten Blutung genannt wurden, wieder die Möglichkeit der Vereinigung gegeben. Aber abgesehen von dem Abstimmen der Zeiten der Reinheit und der Schonung redeten sie normalerweise nicht über diese Dinge, das war eigentlich Frauensache. So blickte Chaim Jehudith ratlos an und sagte mit gespielter Empörung: »Ich hoffe nur, dass unsere Kinder das mit dem Kalender nicht wissen. Oder willst du, dass die ganze Familie diese Dinge mitverfolgt?« Mit jeder Sekunde wuchs Chaims Lust. Als Jehudith schwieg, konnte er seine Ungeduld kaum noch beherrschen. »Nun spann mich nicht weiter auf die Folter, worauf willst du hinaus?«
Jehudith gab vor, von der Unruhe ihres Mannes keine Notiz zu nehmen. »Das bedeutet, dass ich am neunten Siwan wieder bluten werde«, dozierte sie, als würde sie einem Schüler das kleine Einmaleins beibringen.
»Und? Komm zur Sache, mein Liebes.« Chaim verdrehte die Augen und zählte die Balken an der Decke.
Das Grinsen seiner Frau ging von einem Ohr zum anderen. »Salomo hat gesagt, dass genau fünfzehn Tage vor der nächsten Blutung die beste Zeit sei.«
Chaim wurde es zu bunt, er zeigte mit der Hand nach oben und platzte heraus: »Schatz. Die beste Zeit wofür? Deine Sprache ist so dunkel wie die Balken an unserer Decke.«
Zärtlich nahm Jehudith den Kopf ihres Mannes in ihre warmen Hände und zog ihn zu sich hinunter. Er spürte ihre weichen Lippen auf seinem Mund. Ihre Zunge berührte seine Lippen, und bereitwillig öffnete er sie. Langsam dämmerte es ihm, worauf seine Frau hinauswollte, und seine Anspannung löste sich. Frei und sorglos gab er sich Jehudith hin.
So fühlten die beiden sich als Teil von Gottes großem Plan. Sie würden sich nun verewigen in dem großen Geschichtswerk, das Generation für Generation, Geschlecht für Geschlecht der Welt Seinen herrschaftlichen Willen einprägte und Seine Größe und Schönheit abbildete in all der Fülle des Lebens.
Samstag, der 24. Mai Anno Domini 1096 / 29. Ijjar 4856
Peters Heim nahe Gerstendorf
Kein Wort sprach Peter bei der morgendlichen Mahlzeit in der Stube. Die getrockneten Pflaumen, die seine Mutter für ihn auf den Tisch gelegt hatte, ließ er achtlos liegen. Und auch Lene würdigte er keines Blickes. Er zog das Kumt fest um den Hals eines Ochsen, nahm die Peitsche von der Wand, zerrte das Tier aus dem Stall, spannte das kleine Wägelchen an und wuchtete den Pflug, der über Nacht draußen vor der Tür gestanden hatte, auf das Gefährt. Nach einem Schlag mit der Gerte auf den breiten Rücken des Zugtieres setzte sich der Karren in Bewegung und Peter stapfte hinterher.
Auf dem Acker machte er dort weiter, wo er gestern aufgehört hatte. Alles in ihm war taub. Weder bemerkte er den Schmerz in seinem Rücken noch die Sonne, die ihm ins Gesicht brannte. Dem leisen Rauschen des Windes schenkte er so wenig Beachtung wie dem fröhlichen Zwitschern der Vögel, die laut und energisch ihr Revier verteidigten. Den großen Fluss, der sich unten im Tal kraftvoll um die Hügel wand, sah er nicht an. Stumpf richtete er die Augen zu Boden. Wie die Zahnräder einer Mühle arbeitete er, und auf den Ochsen sah er nur, wenn der zu langsam wurde oder nach links oder rechts abdriftete. Dann gab er mit dem Seil, das an dem Kumt des massigen Tieres angebracht war, ein Kommando, setzte einen kurzen festen Schlag mit der Peitsche und es ging weiter.
In all dieser Dumpfheit spürte er auf einmal einen sanften Druck auf seiner Schulter. Die Anspannung in seinem Körper löste sich ein wenig, während eine freundliche Stimme zu ihm sprach: »Komm mit, Peter, Gott ruft dich.«
Er hatte den Priester mit der roten Kutte gar nicht bemerkt. Peter blickte auf zu dem großen Mann, dem das Mitgefühl im Gesicht stand. Der Mann beugte sich ein wenig zu ihm hinunter und wies mit der Hand in Richtung Tal. Peter schaute auf die gepflegten Hände und dann auf den mächtigen Strom. Langsam, sodass Peters Blicke folgen konnten, zog der Priester die weiten Bögen des Flusses zwischen den Hügeln mit seinem Finger nach. Mainz mit seinem großen Bischofsdom und den hohen Stadtmauern musste hinter diesen Kuppen liegen. Der Mann zeigte hinauf auf den Kamm des Hügels. Dort stand bereits ein Junge aus dem Dorf und winkte ihm zu. Peter lächelte verlegen.
Er blickte auf den halb gepflügten Acker, sah auf den Ochsen, der vor ihm stand, dumm und stumm, als sei er ein Stein und nicht ein Wesen aus Fleisch und Blut. Er hörte den Priester freundlich sagen: »Christus spricht: Wer seine Hand an den Pflug legt, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes.«
Peter ließ vom Pflug ab. Wortlos folgte er dem Mann in der roten Kutte.
Der Junge gesellte sich zu ihnen, und zu dritt schritten sie den Berg hinunter. Peter konnte vor Aufregung nicht sprechen und hielt Abstand zu dem anderen Buben.
Die Fähre wartete am Ufer. Ein anderes Boot mit einem Ochsenkarren und Soldaten war schon bis zur Mitte des Flusses vorgefahren. Der gestern noch leere Wagen war nun voller Brotlaibe