Die Hexenriecher. Roman Rausch
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Des Klosters zu Unterzell Praemonstratenser Ordens professam
Der Orden der Prämonstratenser geht auf den Wanderprediger Norbert von Xanten3 zurück. Er orientierte sich wie viele im 12. Jahrhundert am besitz- und ruhelosen Leben des Zimmermannsohnes aus Nazareth. Im Jahr 1120 gründete er mit Anhängern im Tal von Prémontré (Laon, Nordfrankreich) eine klösterliche Gemeinschaft, die seine Wanderlust aber nicht lange bremsen konnte. Norbert zog weiter und gründete weitere Klöster.
Bei den Gründungen handelte es sich anfangs um Doppelklöster, in denen Frauen und Männer räumlich voneinander getrennt im selben Gebäude lebten. Sie führten ein kontemplatives, monastisches Leben, waren aber keine Mönche, sondern eine Gemeinschaft von Priestern und Schwestern mit Ordensgelübde. Sie folgten der Augustinusregel, legten das Armuts-, Enthaltsamkeits- und Gehorsamkeitsgelübde ab und betrieben Seelsorge.
Den Tagesablauf bestimmte das Stundengebet (lateinisch: Liturgia horarum), auch als Officium divinum (Göttlicher Dienst) bezeichnet. Es ist das tägliche bis zu siebenmalige Gebet der Ordensbrüder und -schwestern, das mit dem Invitatorium (Einladung) in den frühen Morgenstunden beginnt und durch die Komplet (Schlussandacht) in der Nacht beschlossen wird.
Mit dem Stundengebet folgen Kirche und Geistliche dem Auftrag des Herrn:
„Ihr sollt allezeit beten und darin nicht nachlassen.“
Der heutige Markt Zell am Main, der im 18. Jahrhundert noch in Ober-, Mittel- und Unterzell gegliedert war, liegt vor den Toren Würzburgs. Er wird im Jahr 1128 anlässlich der Gründung des Prämonstratenser-Klosters Oberzell erstmals urkundlich erwähnt und bestand überwiegend aus Fischern und Häckern (Weinbauern).
In die Zeit um 1230 fällt die örtliche Trennung des Frauenkonvents vom Männerkonvent in ein neues Gebäude in Unterzell mit Kloster-, Wohn- und Kirchengebäuden, aber auch mit weitläufigen Wirtschaftsanlagen. Das pittoreske Gelände lag in unmittelbarer Nähe zum Main und wurde früher als Paradies bezeichnet.
Abbildung 2: Kloster Unterzell Mitte 18. Jahrhundert
Die Klöster waren Selbstversorger, die sich selbst unterhalten und finanzieren mussten. Großzügige Spenden und Schenkungen, Erbschaften oder auch eine Art Aufnahmegeld für Novizen und Novizinnen waren Teil der Bilanz, genauso wie Erträge aus Pacht, Zehnt und dem Verkauf von Wirtschaftsgütern.
Während die Ordensschwestern ihren Konvent mit einer Priorin an der Spitze weitgehend selbst organisierten und führten, unterstanden sie letztlich jedoch der Aufsicht der Oberzeller Ordensbrüder. Dazu wurde von den Schwestern ein Propst (Vorsteher) gewählt, der unter anderem für die äußeren Angelegenheiten des Frauenkonvents zuständig war, den Schwestern aber auch als Beichtvater diente. Ihm zur Seite stand ein Sekretär, beide (oder zumindest der Propst) wohnten in einem abseits gelegenen Gebäude zum Frauenkonvent. Des weiteren ein Gärtner, dessen Unterbringung in den Klosterbüchern nicht näher bestimmt ist.
Wichtig ist, dass die Schwestern Männer, bis auf den Beichtvater, entweder kaum oder nie zu Gesicht bekamen. Außerdem durfte kein Mann, den exklusiv für Frauen bestimmten Innenbereich (Konvent, Klausur) betreten, auch der Beichtvater nicht.
Schließlich ist ein Klosterphysicus (Arzt) dokumentiert, er hat eher nicht auf dem Gelände gewohnt. Bezeichnenderweise ist für das Jahr 1749 kein Arzt verzeichnet, obwohl für 1733 eine Verbesserung der Krankenabteilung vermerkt ist als auch anderes zu dem Krankenzimmer Nöthiges wie Heilkräuter. Vermutlich wurde in Krankheitsfällen auf einen Arzt in Zell oder Würzburg zurückgegriffen. Das Juliusspital hätte sich dafür angeboten, da es dort unter anderem eine Abteilung für die sogenannten Furiosen (Rasende) gab, und wie wir noch sehen werden, erfreute sich die Abteilung großer Beliebtheit.
Die beiden Klöster in Ober- und Unterzell teilten in den Jahrhunderten nach ihrer Trennung alle Höhen und Tiefen des Schicksals – Krieg, Zerstörung, Vertreibung und Wiederaufbau –, Mitte des 18. Jahrhunderts zeigte sich aber eine andere Situation.
Die Brüder in Oberzell sahen sich unter Abt Oswald Loschert mit umfangreichen Renovierungsmaßnahmen ihres Klosters konfrontiert, kein Geringerer als der Baumeister der Residenz zu Würzburg, Balthasar Neumann, wurde dafür engagiert. Die Arbeiten verschlangen Unsummen, und so mancher fragte sich im Angesicht der knappen Haushaltskasse, woher das viele Geld kommen sollte.
Ein ganz anderes Bild im Frauenkloster Unterzell, das auf stattliche Besitzungen und somit auf sprudelnde Einnahmen zurückgreifen konnte.
Neid und Streit waren unter den beiden Klöstern nicht ungewöhnlich, jeder musste sehen, wie er zurechtkam. Ebenso kam es immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen mit externen Vertragspartnern, unter anderem mit den örtlichen Weinhändlern, die expandieren wollten. Mitte des 18. Jahrhunderts wurden umfangreiche Baumaßnahmen in der Gemarkung durchgeführt, wofür Pacht und Zins an die Grundstückseigner, die Klöster, gezahlt werden musste.
Der Frauenkonvent bestand überwiegend aus wohlhabenden Adels- und Bürgerfrauen, deren Familien reichlich für die Unterbringung der mitunter überschüssigen Töchter zahlten oder spendeten. Die Leitung oblag 1749 der gebrechlichen Priorin Katharina Neusesser, die die Erziehung und die Aufsicht über die Novizinnen (Neulinge, ohne abgelegtes Gelübde) vermutlich ihrer Stellvertreterin, der Subpriorin überließ. Das war die ebenfalls schon 69-jährige Maria Renata Singer von Mossau – für die Zeit ein gesegnetes Alter, als die Lebenserwartung um die 40 Jahre lag.
Maria Renatas Gewissenhaftigkeit, aber auch ihre Strenge und ihr Geiz sollen über die Jahre für Unmut unter den Schwestern gesorgt haben. Zum einen wurden viele, wenn nicht die meisten gegen ihren Willen ins Kloster gesteckt, wo sie sich nur schwer mit der dort herrschenden, straff organisierten Klosterdisziplin anfreunden konnten. Zum anderen waren die jungen Novizinnen aus adeligem oder gutbürgerlichem Haus Kinder einer anderen Zeit, besser: einer begüterten und sicheren Welt, anders als die verarmte Offizierstochter Maria Renata, die als Kind und Jugendliche mit ihren Eltern auf den Schlachtfeldern aufwuchs und dort das persönliche wie auch wirtschaftliche Überleben erlernt hatte.
Der Propst von Unterzell, Richard Traub, war ebenfalls nicht gut auf sie zu sprechen, da sie einen anderen Beichtvater bevorzugte und offenbar mit der Bevorzugung der Traubschen Verwandtschaft beim Klosterbesuch nicht einverstanden war, wie wir später noch sehen werden.
Und doch kam es in den knapp fünfzig Jahren ihres Ordenslebens nicht zu einem ernsthaften, nachhaltigen und vor allem dokumentierten Zerwürfnis zwischen Maria Renata, den Schwestern und den Klosterbrüdern aus Unter- und Oberzell.
Magies aliorumque Delictorum4
Was eine Hexe ist und ob es sie überhaupt gibt, darüber wird seit vorchristlicher Zeit gestritten.
Der Begriff Hexe leitet sich etymologisch vom westgermanischen hag (Zaun, Hecke) ab, im 16. Jahrhundert findet sich im Deutschen die Beschreibung Zaunreiterin.
Laut dem Historiker Wolfgang Behringer stehe die Hexe zwischen Wildnis und Zivilisation, zwischen Natur und Kultur, zwischen Teufel und Gott. Sie sei zwar Mensch, besitze aber übernatürliche Kräfte und könne die Gesetzte der Natur transzendieren – was volkstümlich so viel heißt wie: Die Hexe kann zaubern.
Tut oder kann sie es nachweislich nicht, ist sie keine Hexe, sondern nur ein närrisches,