Jahrbuch der Akademie CPH - Anregungen und Antworten. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Jahrbuch der Akademie CPH - Anregungen und Antworten - Группа авторов страница 13

Jahrbuch der Akademie CPH - Anregungen und Antworten - Группа авторов Fragen der Zeit

Скачать книгу

zwischen dem Verständnis von Meinungsfreiheit in angelsächsischen Ländern und der Bereitschaft zu ihrer Einschränkung in Zusammenhang mit NS-Propaganda auf dem europäischen Festland. So wurde der britische Holocaust-Leugner David Irving 2006 in Wien zu drei Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Die Befürworter der Strafverfolgung stellen die Wirkung bestimmter Aussagen auf die Opfer, also deren Persönlichkeitsrecht und Achtungsanspruch, in den Mittelpunkt: „Bei der justiziellen Ahndung der Holocaust-Leugnung geht es … um die Verhinderung von Hass und nicht um den Schutz eines verbindlichen Geschichtsbildes“ (Zarusky 2001, S. 81). Dennoch: Der Holocaust ist zuerst eine historische Tatsache, seine Leugnung ist eine Behauptung, die nicht den Schutz der Meinungsfreiheit genießt (Urteil des BVerfG vom 13.4.1994, Az. 1 BvR 23/94). Zu dieser Tatsache gehören die Existenz eines Plans zur Ermordung der Juden durch die NS-Institutionen in ihrem Machtbereich und der Einsatz von Gaskammern zu diesem Zweck (Neander 2006, S. 277).

       Lernprozesse am Beispiel unterschiedlicher Rechtskulturen

      Die österreichische Journalistin Eva Menasse hat den Prozess beobachtet, den Irving 1999 in London gegen seine Kritikerin Deborah Lipstadt angestrengt hatte. Es ging ihm um seine Ehre und seinen Ruf (Menasse 2000, S. 12). Aber der Richter stellte fest, dass Irving weiterhin „ein Rassist, ein Antisemit, ein Holocaust-Leugner und ein absichtlicher Fälscher historischer Fakten“ genannt werden darf (Menasse 2000, S. 157). Sie schließt ihren Essay „Der Holocaust vor Gericht“ mit einem Vorschlag für das hier verhandelte Problem, der mir plausibel erscheint: „Zum juristischen Umgang ‚mit den Irvings und Co‘ sind noch viele Fragen offen. Doch scheinen verschiedene Systeme mehr Chancen zu eröffnen als eine einheitliche Lösung. Dass Irving in Deutschland und Österreich seine Parolen nirgends äußern, ja, dass er nicht einmal mehr einreisen darf, scheint aufgrund der historischen Lasten und Pflichten richtig, vielleicht nicht für immer, aber noch eine gute Zeit lang. Dass er in den Vereinigten Staaten predigen und hetzen darf und dafür von der Macht der Zivilgesellschaft bestraft wird, ist nur gerecht und vielleicht die beste Lösung unter vielen schlechten. Dass Irving in seiner Heimat Großbritannien sogar die Möglichkeit hat, zu seiner ‚Ehrenrettung‘ den Gerichtshof der Königin anzurufen, muss im Sinne von Aufklärung und demokratischer Konfrontation nicht falsch sein“ (Menasse 2000, S. 178).

      In der politischen Bildungsarbeit besteht neben einer „antifaschistischen Rechtsmoral des Nie wieder“ eine – der pädagogischen Logik angemessene – Skepsis gegenüber Maßnahmen, gar juristischen Zwangsmaßnahmen und gegenüber dem Strafrecht. Und die Skepsis, ob das trockene juristische Argumentieren der Moral gerade in Menschenrechtsfragen gerecht werden kann, ist bei Bildungsveranstaltungen gerade mit Jugendlichen oft spürbar. Dennoch halte ich es für zwingend, die hier vorgetragenen Themen in die politische Bildungsarbeit und die Menschenrechtsbildungsarbeit einzubringen. Denn: Auch Rechtsverständnis will gelernt sein, gerade wenn in Bildungsveranstaltungen immer häufiger rechtsextremistisch Geschulte mit ihrem Recht auf Meinungsfreiheit, auf Wissenschaftsfreiheit, auf ergebnisoffenen Diskurs usw. argumentieren. Diejenigen, die „Gegen Rechts“ das Banner „Aktive Demokratie“ hochhalten, sollten sich auch mit dem Menschenrecht auf Meinungsfreiheit aktiv auseinandersetzen. Wer andererseits die Menschenrechte in historischer Perspektive als Reaktion auf den Nationalsozialismus analysiert und zum Bestandteil der Bildungsarbeit macht, muss sich mit dem Stand der Erfahrungen derjenigen befassen, die sich in der aktiven Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus befinden.

       Literatur

      L. Baier, Französische Zustände. Berichte und Essays. Frankfurt/Main 1985.

      Ders., Alte Klamotten und neue Fähnchen. Kostümfest bei der Nouvelle Droite, in: H.-M. Lohmann (Hrsg.): Extremismus der Mitte. Vom rechten Verständnis deutscher Nation. S. 29–259.

      Bayerischer Jugendring. Wi(e)derworte. Zum Umgang mit Rechtsextremen bei demokratischen Veranstaltungen. München 22009.

      H. Bielefeldt, Rassismusbekämpfung im Streit der internationalen Menschenrechtspolitik, Policy Paper No. 13 des Deutschen Instituts für Menschenrechte, 2009.

      J. Butler, Hass spricht: Zur Politik des Performativen. Frankfurt/Main 2006. W. Brugger, Hate Speech in den USA: Eine Betrachtung des Juristischen Diskurses und darüber hinaus, in:

      www.stiftung-sozialgeschichte.de/…/Hassrede%20in%20den%20USA%2030.11.05.pdf?

      Bundeszentrale für Politische Bildung, Menschenrechte – Dokumente und Deklarationen, Berlin 1999.

      A. Callamard, Dem freien Wort Raum geben. Die Meinungsfreiheit ist in vielen Ländern gesetzlich eingeschränkt. Doch die Demokratie könnte mehr an Unsinn und Widersprüchen aushalten, in: Le Monde Diplomatique 13.4.2007.

      H. Cremer, „… und welcher Rasse gehören Sie an?“ Zur Problematik des Begriffs „Rasse“ in der Gesetzgebung, Policy Paper No. 10 des Deutschen Instituts für Menschenrechte, 2008.

      Durban Review Conference 2009: http://www.un.org/durbanreview2009/pdf/Durban_Review _outcome_document_En.pdf

      ECRI-Bericht zu Deutschland, verabschiedet am 19.12.2008, http://www.coe.int/t/dghl/monitoring/ecri/Country-by-country/Germany/DEU-CbCIV-2009-019-DEU.pdf [aufgerufen am 20.6.2009].

      P. Follmar-Otto/H. Cremer, Der Nationale Aktionsplan der Bundesrepublik. Deutschland gegen Rassismus – Stellungnahme und Empfehlungen, Policy Paper Nr. 9 des Deutschen Instituts für Menschenrechte, 2009.

      A. Hamburger, „Die Landplage. Fast jede Woche versuchen Nazis, irgendwo in Deutschland aufzumarschieren“, in: Jüdische Allgemeine Wochenzeitung, 30. April 2009, S. 3.

      R. Huhle, „Wie weit geht die Meinungsfreiheit? Ein Rückblick aus Anlass des 60-jährigen Bestehens der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, in: Zeitschrift für Menschenrechte, Heft 2/2008, S. 132–145.

      B. Kammerer/A. Prölß-Kammerer (Hrsg.), recht extrem.de. Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus und Rechtsextremismus – Konzepte und Projekte der politischen und historischen Bildung. Nürnberg 2002.

      M. Kohlstruck, Thesen unter: www.zfa.kgw.tu-berlin.de/lehrmaterial/dateien/Kommunaltagung_Thesen.pdf [aufgerufen am 14.5.2009].

      J. Lange, „‚Nie wieder‘ als normativer Maßstab des Grundgesetzes?“, unv. Manuskript, 2010.

      H. Löllhöfel, Rechte für Rechte, in: in Blick nach Rechts http://www.bnr.de/content/Ausgabe24/2003 [aufgerufen am 25.5.2009].

      E. Menasse, Der Holocaust vor Gericht: Der Prozess um David Irving. Berlin 2000.

      W.-D. Narr, Demokratie und Demonstration. Notizen zur unendlichen Demonstrationskontroverse. www.CILIP.de/ausgabe2/2002-72/demo.htm [aufgerufen am 12.5.2009].

      Ders., Statt Verbote – öffentliche Auseinandersetzungen. www.grundrechtekomitee.de/ub_showarticle.php?articleID=149 (Komitee für Demokratie und Grundrechte 2005) [aufgerufen am 12.5.2009].

      J. Neander, Mit dem Strafrecht

Скачать книгу