Jahrbuch der Akademie CPH - Anregungen und Antworten. Группа авторов
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Auch für die Bundesrepublik Deutschland wird man also feststellen können, dass die Beachtung der Menschenrechte nicht allein und vorrangig darüber entscheidet, mit wem wir zusammenarbeiten. Wie gesagt, kann es entwicklungspolitisch und auch menschenrechtspolitisch angebracht sein, auch mit solchen Entwicklungsländern zu kooperieren, die noch gravierende Menschenrechtsprobleme aufweisen. Entscheidend ist dann allerdings die Frage, ob es gelingt, menschenrechtliche Normen und Prinzipien bei der Ausgestaltung der Entwicklungszusammenarbeit geltend zu machen und entsprechende Reformbemühungen vor Ort zu stärken.
Positive Maßnahmen der Menschenrechtsförderung
Ungeachtet der Möglichkeiten einer negativen oder positiven politischen Konditionalisierung der Entwicklungszusammenarbeit können konkrete Menschenrechtsprojekte oder -programme entwicklungspolitisch gefördert werden. Die beiden bisherigen entwicklungspolitischen Aktionspläne für Menschenrechte des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung enthalten beispielsweise eine Palette entwicklungspolitischer Maßnahmen zur Förderung der Menschenrechte. Sie reichen von der Beratung von Regierungen bei der Umsetzung von Menschenrechtsstandards über die Stärkung menschenrechtlicher Institutionen bis hin zur Finanzierung ausgewiesener Menschenrechtsprojekte. Dem jüngsten Menschenrechtsbericht der Bundesregierung zufolge hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Jahre 2009 menschenrechtsrelevante Vorhaben in einer Höhe von 600 Mio. Euro gefördert, darunter schwerpunktmäßig auch Vorhaben zu Rechte von Frauen, Indigenen und Kindern. In über 40 Ländern seien diese Schwerpunkte im politischen Dialog mit den Partnerländern vereinbart und in entsprechende entwicklungspolitische Länderkonzepte integriert worden.
Während die bilaterale staatliche Entwicklungspolitik indes auf die Zusammenarbeit mit den Regierungen der Partnerländer angewiesen ist, können nicht-staatliche Entwicklungsorganisationen bei der Auswahl ihrer Partner und der Ausgestaltung der Zusammenarbeit weit freier agieren. Die eigenständige Menschenrechtsarbeit von nicht-staatlichen Organisationen (NGOs) ist dabei breit gefächert: Sie fördern vor Ort beispielsweise Programme der Menschenrechtsbildung und des empowerments betroffener oder besonders verletzlicher Gruppen, unterstützen Proteste und Kampagnen gegen bestehende oder drohende Menschenrechtsverletzungen, finanzieren Programme der Rechtsberatung und des Rechtsbeistands oder leisten Schutz für verfolgte Menschenrechtsverteidiger und -verteidigerinnen. Die Menschenrechtsarbeit nicht-staatlicher Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen weist dabei vielfältige Bezüge zur staatlichen Menschenrechtspolitik auf, indem diese etwa menschenrechtspolitische Themen öffentlichkeitswirksam aufgreifen, als watchdog staatliche und zwischenstaatliche Politiken kritisch begleiten, über Kritik, Proteste und Kampagnen nationale Regierungen und internationale Organisationen unter Zugzwang setzen und aktive Überzeugungs-, Lobby- und Advocacy-Arbeit gegenüber politischen Entscheidungsträgern betreiben, wobei sie fallweise mit like minded persons in Regierung, Parlament oder internationalen Gremien zusammenarbeiten. Auch nutzen Menschenrechts- und Hilfsorganisationen – unter Beibehaltung ihrer inhaltlichen Unabhängigkeit – öffentliche Gelder, um Menschenrechtsprojekte in Entwicklungsländern zu fördern.
Alles in allem gibt es eine Vielzahl positiver, flexibler Maßnahmen der Menschenrechtsförderung in der Entwicklungszusammenarbeit, die sich an die jeweiligen Ländersituationen anpassen lassen. Dabei hat die Bereitschaft zugenommen, die Menschenrechte auch in nicht-men-schenrechtsspezifischen Entwicklungsprojekten und -programmen zu berücksichtigen. Einige Länder und Organisationen verfolgen inzwischen sogar einen expliziten Menschenrechtsansatz in der Entwicklungszusammenarbeit, der die Menschenrechte zu einem vornehmlichen oder gar zum zentralen Referenzrahmen der Entwicklungszusammenarbeit erhebt. Die gesamte Entwicklungszusammenarbeit soll demnach konsequent auf die Umsetzung von Menschenrechten abzielen, die Menschen in Entwicklungsländern befähigen, ihre Rechte einzufordern und gesellschaftspolitische Entscheidungsprozesse aktiv mitzugestalten, sowie die Staaten dabei unterstützen, ihren völkerrechtlich fixierten menschenrechtlichen Pflichten nachzukommen. Viele Geber gehen zwar nicht so weit, ihre Ziele und ihr entwicklungspolitisches Handeln derart rigoros in Funktion der Menschenrechte zu stellen, wie es strikte Verfechter eines solchen Ansatzes ursprünglich forderten. Doch immerhin treten inzwischen etliche internationale Organisationen, Regierungen und NGOs dafür ein, Menschenrechte umfassender und konsequenter in der staatlichen wie nicht-staatlichen, bilateralen und multilateralen Entwicklungszusammenarbeit zur Geltung zu bringen und bekennen sich, wie die deutsche Bundesregierung, zu einem „weichen“, „undogmatischen“, „pragmatisch gehandhabten“ Menschenrechtsansatz in der Entwicklungszusammenarbeit. Dabei hapert es allerdings noch bei der konsequenten und kohärenten Umsetzung solch hehrer Verlautbarungen. Zudem stößt selbst die beste Menschenrechtsförderung in der Entwicklungszusammenarbeit an ihre Grenzen, wenn nicht auch die internationalen Rahmenbedingungen menschenrechtskonform ausgestaltet werden.
Menschenrechtsschutz als Querschnittsaufgabe
Die Politik muss sich daher auch solcher menschenrechtlichen und entwicklungspolitischen Probleme annehmen, die aus unzureichend geregelten globalen Märkten, Wirtschafts- und Finanzkrisen, Handels- und Patentrechten, Rohstoffabbau, Ressourcenkonflikten, land grabbing, Nahrungsmittelkrisen und Umweltzerstörungen resultieren. Dies verweist auf den Querschnittscharakter einer jeder Politik, welche die Menschenrechte hierzulande und in anderen Ländern fördern möchte. Bei allem commitment der deutschen Regierung zur Achtung, zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte kommt der Querschnittscharakter der Menschenrechtspolitik in der Praxis jedoch nur ungenügend zum Tragen. Noch immer werden menschenrechtliche Forderungen in vielen Politikbereichen (Sicherheit, Migration, Außenwirtschaft, Energie, Umwelt etc.) nicht konsequent zur Geltung gebracht – oder stoßen dort als „sachfremde Anliegen“ auf Irritationen, Unverständnis und Widerstände. Vielfach fehlen bereits die Kapazitäten, um die menschenrechtlichen Folgen politischen Handelns – sowohl in der Entwicklungszusammenarbeit als auch in anderen Politikfeldern – seriös abschätzen, beobachten, analysieren und bewerten zu können.
Eine letzte Bemerkung: Obwohl die Hauptverantwortung für den Schutz und die Erfüllung der Menschenrechte bei den Staaten liegt, kommt zugleich auch nicht-staatlichen Akteuren eine menschenrechtliche Verantwortung zu. Die fortschreitende wirtschaftliche Globalisierung hat den wirtschaftlichen und politischen Einfluss und Gestaltungsspielraum von Unternehmen, insbesondere von transnationalen Konzernen, erheblich erweitert. Da unternehmerisches Handeln direkt oder indirekt – im Positiven wie im Negativen – die bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte von Abermillionen Menschen beeinflusst, dürfen sich Unternehmen nicht ihrer – völkerrechtlich noch unzureichend verankerten – menschenrechtlichen Verantwortung entziehen. Zu fordern ist daher, dass Wirtschaftsunternehmen innerhalb ihres Tätigkeits- und Einflussbereichs menschenrechtliche Verantwortung übernehmen und ihnen national wie international effektive Regeln auferlegt werden.
Mein kurzes Fazit lautet: Wer Menschenrechte in Entwicklungsländern fördern möchte, sollte nicht nur negative Sanktionen erwägen, sondern auch und gerade die vielfältigen positiven Möglichkeiten der Menschenrechtsförderung