Jahrbuch der Akademie CPH - Anregungen und Antworten. Группа авторов

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Jahrbuch der Akademie CPH - Anregungen und Antworten - Группа авторов Fragen der Zeit

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bedeutet „Richtung“. Bei Sekten handelt es sich also im eigentlichen Sinne des Wortes um Weiterentwicklungen oder Abspaltungen von bereits bestehenden Religionen, was auf Scientology nicht zutrifft. Vielmehr handelt es sich bei der von Hubbard entwickelten „Glaubenslehre“ um eine eklektische Neukreation, in die vielerlei unterschiedliche Ideen eingeflossen sind, u. a. Elemente der Freudschen Psychoanalyse, der Jungschen Archetypus-Theorie, der Semantik des Sprachphilosophen Alfred Habdank Korzybski, Riten satanischer Magie, der Science-Fiction-Literatur und östlicher Religionen.15 Vereinfachend kann gesagt werden, dass der scientologische Glaube auf einer theoretischen und einer praktischen Basis beruht. Erstere besteht aus der von Hubbard entworfenen Heilslehre, während die Dianetik als praktische Heilstechnik dazu dient, der Heilslehre zu folgen und sie umzusetzen.16

      Nach scientologischer Lehre setzt sich der Mensch aus drei Teilen zusammen: dem Thetan, dem Verstand und dem Körper, der rein physische Aufgaben übernimmt. Der in Anlehnung an den griechischen Buchstaben Theta benannte Thetan ist die wahre Identität einer Person und von intrinsisch guter, überaus kreativer, unsterblicher und allwissender Natur. Ein höheres göttliches Wesen gibt es von daher in der scientologischen Lehre nicht, denn eine vergleichbare Position wird von den Thetanen selbst eingenommen. Der Verstand wiederum – und hier werden Parallelen zur Lehre Freuds deutlich – ist gespalten in einen analytischen bzw. bewussten und einen reaktiven bzw. unbewussten Verstand. Während der analytische Verstand der zielführenden, rationalen Problemlösung dient, speichert der unbewusste Verstand negative Erfahrungen und traumatische Erlebnisse. Diese Engramme sind schmerzhaft und führen zu menschlichen Fehlhandlungen. Sie werden als der Ursprung allen Übels angesehen und sind sowohl für geistige Krankheiten als auch für körperliche Beschwerden verantwortlich. Da die Engramme den Thetan und den analytischen Verstand stören und bei der perfekten Lösung eines Problems hindern, müssen sie beseitigt werden. Dies geschieht in erster Linie mit Hilfe der Dianetik.

      Das individuelle Ziel liegt nun darin, clear zu werden, d. h. sich von den Engrammen zu befreien und sich schließlich der eigenen Realität als Thetan bewusst zu werden. Das übergeordnete gesellschaftliche Ziel wiederum, das Scientology explizit ausgibt, besteht in der Erschaffung einer Welt von clears, in der keine Kriege, Krankheiten oder sozialen Missstände existieren. Nicht-Scientologen stellen in dieser Welt unerwünschte Erscheinungen dar.

      Der Fortschrittsprozess hin zum Thetan wird als „Brücke der totalen Freiheit“ bezeichnet, die nur durch das erfolgreiche Absolvieren verschiedener Kurse beschritten werden kann. Diese sind mit hohen Kosten verbunden, welche sich in ihrer Gesamtheit – je nach Angabe – auf € 250 000 bis € 350 000 belaufen.17 Aufgrund dieser offensichtlich kommerziellen Orientierung wird eine Anerkennung als gemeinnützige oder religiöse Vereinigung häufig abgelehnt, wobei es hier zu unterschiedlichen Einschätzungen, vor allem im internationalen Vergleich, gekommen ist.

       Scientology – der Status Quo in Deutschland und den USA

      Laut Garrison wurde die Steuerbefreiung der Founding Church of Scientology schon 1956 von der amerikanischen Steuerbehörde, dem Internal Revenue Service (IRS), gewährt, diese aber bereits zwei Jahre später zurückgezogen mit der Begründung, dass Scientology nicht ausschließlich religiöse Zwecke verfolge.18 In den Folgejahren strebte Scientology mehrere Klagen gegen den IRS an, die jedoch erfolglos blieben. Erst 1989 bestätigte ein Revisionsgericht in Kalifornien, dass Scientology als Religion zu beurteilen sei. Der Organisation war es nun gelungen, darzulegen, ihre Praktiken würden durchaus denen traditioneller Religionsgemeinschaften entsprechen. Das Urteil stellte klar die Rechte heraus, auf die sich Scientology berufen konnte, ohne dabei die Gefahren auszuklammern, die von der Organisation möglicherweise für den Einzelnen ausgingen. Die dogmatischen und theologischen Inhalte der Lehre wurden von den Richtern nicht bewertet.

      Auf diesem Urteil aufbauend und nach Offenlegung des eigenen Vermögens, errang Scientology den lang angestrebten Status der Steuerfreiheit schließlich am 13. Oktober 1993 durch Genehmigung des IRS. Seither ist Scientology in den USA als Religionsgemeinschaft anerkannt und damit auch von der Federal Income Tax befreit.19 153 Scientology-Organisationen und Missionen wurden entsprechend als Organisationen gemäß section 501(c) (3) und section 170 (b) (1) (A) (i) des Internal Revenue Code eingestuft. Das garantiert nicht nur Steuerfreiheit für die Organisation selbst, sondern ermöglicht auch den Mitgliedern, ihre Beiträge von der Einkommenssteuer als Spenden abzusetzen. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass in den USA anders als in Deutschland hinsichtlich des rechtlichen Status keinerlei Differenzierung zwischen religiösen Vereinigungen vorgenommen wird. Eine Unterscheidung in Körperschaften des öffentlichen Rechts beispielsweise oder gemeinnützige Vereine kennen die USA nicht. Alle denominations, unabhängig von ihrer Größe oder ihres Alters, erfahren somit eine Gleichbehandlung. Bereits daran wird das große Bemühen ersichtlich, eine möglichst hohe Neutralität des Staates im Umgang mit Religion zu gewährleisten. Ein Verbot Scientologys stand in den USA zu keiner Zeit ernsthaft zur Diskussion.

      In Deutschland gestaltet sich die rechtliche Einordnung Scientologys weit schwieriger, was mehrere Ursachen hat. So ist zum einen eine wertneutrale Annäherung an den Gegenstand weniger stark ausgeprägt, wie Leggewie und Lagalée treffend befinden:

      „[D]ie Disqualifikation von Scientology als ‚Kirche‘ und ihre pejorative Einordnung als ‚Sekte‘ hilft nicht weiter. Dies ist ein alteuropäischer Maßstab, der die etablierten christlichen Großkirchen über Gebühr privilegiert hat und schon bei der Anerkennung der nichtkirchlich strukturierten islamischen Gemeinschaften in Europa auf gewaltige Probleme stößt.“20

      Zum anderen bestehen, wie oben angesprochen, in Deutschland zahlreiche Rechtsformen, die religiöse Vereinigungen annehmen können. Im Falle Scientologys haben sich Gerichte sowohl mit der Frage auseinandergesetzt, ob Scientology als Religionsoder Weltanschauungsgemeinschaft einzustufen ist, als auch mit der Frage, ob Gemeinnützigkeit oder aber ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu attestieren ist. Die jeweiligen Urteile gehen hier weit auseinander. So kam z. B. das Bundesarbeitsgericht 1995 zu dem Schluss, dass Scientology wirtschaftliche Zwecke verfolge und nicht als Religionsgemeinschaft gemäß Art. 4, 140 GG und 137 WRV zu betrachten sei, weil „die völlige Kommerzialisierung der Mitgliedschaft und der religiösen Dienste“ im Mittelpunkt stehe, was durch die „geschäftliche Werbung, [die] Provisionszahlung für erfolgte Vertragsabschlüsse sowie [die] finanzielle Erschwerung des Aus- und Wiedereintritts“21 deutlich werde. Völlig anders hingegen urteilte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf ein ähnliches Urteil des Baden-Württembergischen VGH:

      „Nach diesen Grundsätzen ist der BayVGH – wie bereits der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hinsichtlich einer anderen Scientology-Organisation – zu dem Ergebnis gelangt, dass der Verein Celebrity Center Scientology Kirche München e. V. keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält. Die von ihm gegenüber seinen Mitgliedern angebotenen Leistungen, insbesondere das sog. Auditing und die Ausbildung zum Auditor, die nach seinem unbestrittenen Vortrag einen wesentlichen Teil seiner Tätigkeit ausmachen, sind zentraler Teil der Lehre von Scientology und können deshalb nicht von anderen, wie z. B. von Aussteigern, in vergleichbarer Weise erbracht werden. Für die Mitglieder werden diese Leistungen von der gemeinsamen scientologischen Überzeugung – mag es sich um eine Religion handeln oder nicht – getragen, von der sie nicht gelöst werden können, ohne ihren Wert für die einzelnen Mitglieder zu verlieren.“22

      Schlussendlich ist somit die rechtliche Beurteilung Scientologys in Deutschland von Bundesland zu Bundesland stark unterschiedlich, wobei die Anerkennung als gemeinnütziger Verein in den letzten Jahren zunehmend von Gerichten bestätigt wurde.

      Diese Tendenz in der Rechtsprechung hat sich jedoch nicht, wie man vielleicht annehmen möchte, positiv auf die Mitgliederzahlen ausgewirkt. Seit Ende der 90er Jahre ist von sinkenden, bestenfalls von stagnierenden Mitgliederzahlen in Deutschland

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