Was deine Angst dir sagen will. Andreas Winter

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Was deine Angst dir sagen will - Andreas Winter страница 3

Автор:
Серия:
Издательство:
Was deine Angst dir sagen will - Andreas Winter

Скачать книгу

Versicherungen, Zigaretten, Schusswaffen, Gewerkschaften, Mausefallen, Spielhallen, Desinfektionsmittel, Medikamente, Kinofilme und vieles mehr. Schulen, Kindergärten, Kirchen und Krankenhäuser könnten unser Selbstvertrauen oder unsere Gesundheit fördern, doch stattdessen verstärken und weiten sie oft unsere Angst nur noch. Und wir schleppen diese Angst dann mit durch unser ganzes Leben und projizieren sie auf alles Mögliche. Menschen glauben, sie hätten Angst vor Spinnen, Fremden, Aufzügen, Dunkelheit, Schlangen, Spritzen, Krieg, Armut oder der Polizei. Dabei steckt etwas ganz anderes dahinter, etwas, das bei jedem Menschen gleich ist. Es ist der Kontrollverlust!

      Doch Angst ist ein Gefühl, welches nicht in ein freies, erwachsenes Leben gehört. Aus Angst werden die unglaublichsten Dinge getan, die man später unter Tränen, vor Gericht oder auf dem OP-Tisch liegend bereut, denn Angst sorgt dafür, dass ein Mensch nicht entscheidet, sondern lediglich reagiert. Er tut nicht, was er für klug und richtig hält, sondern was ihn aktuell emotional erleichtert – ungeachtet der Folgen. Reagieren bedeutet, nicht zu wissen, warum man etwas tut. Eine Reaktion lässt den Menschen im Hinblick auf das Jetzt handeln anstelle mit Blick auf die Ursache und vor allem, ohne sich der Konsequenzen des Tuns bewusst zu sein. Angst ist somit emotional, unberechenbar und nahezu verantwortungslos. Angst und Unwissenheit gehen oft Hand in Hand. Etwas ohne Angst zu entscheiden ist bewusstes, rationales Handeln – ist somit zielführend und verantwortungsvoll.

      Selbst wenn ein Täter die Folgen seiner emotionalen Reaktion nicht beabsichtigte, so hat er sie genau so zu verantworten, wie die Konsequenz einer rationalen und gewollten Entscheidung. Nur ist sich dessen kaum jemand bewusst. Wenn Sie im Flugzeug sitzen und aus Angst vor einem Absturz nahezu durchdrehen und die Maschine wegen Ihnen notlanden muss, dann müssen Sie die Landung voll verantworten und dafür aufkommen.

      Bekommen Sie aus Angst vor einer Examensprüfung einen Migräneanfall und können daher an der Prüfung nicht teilnehmen, dann wird dies so behandelt, als wären Sie durchgefallen. In beiden Fällen haben Sie keinen Abschluss und müssen die Prüfung nachholen. Migräne ist ein Zeichen von Angst.

      Wenn Sie aus Angst vor einem Konflikt mit Ihrem Partner Ihre Bedürfnisse unterdrücken und stattdessen unzufrieden und nörgelig werden, dann versteht das niemand, und es wird Ihnen auch nicht verziehen. Sie belasten mit einem solchen Verhalten Ihre Mitmenschen nur – und bald haben Sie dennoch einen Konflikt, obwohl Sie ihn eigentlich vermeiden wollten. Aus Angst vor Zurückweisung riskieren wir, dass man sich schließlich von uns trennt.

      Allerdings begründen sich nicht alle störenden Verhaltensweisen auf Angst. Einschlaf- und Durchschlafstörungen können zwar dadurch zustande kommen, dass der Betreffende Angst hat, es kann aber auch genauso gut sein, dass der Mensch einfach dadurch, dass er nicht, wie bei Menschen natürlich, morgens geboren wurde, hierdurch eine verschobene Leistungskurve hat und nachtaktiv ist – ohne es zu wissen.

      Menschen, die scheinbar hyperaktiv sind und immer unter Strom, können das aufgrund eines Schuldgefühls, also aufgrund von Angst sein. Sie können aber auch einfach zu den Menschen gehören, die sehr viele Reize verarbeiten und diese Fähigkeit nutzen, so wie ein Rennpferd eben manchmal galoppieren muss. Sie erkennen den Unterschied daran, dass der Betreffende nicht unter seinem Verhalten leidet, wenn es nicht angstmotiviert ist.

      Etwas aus Angst zu tun, ist eine Hypothek mit viel zu hohen Zinsen. Sie vermeiden damit nicht Ihre Probleme, sondern verschieben sie nur und nehmen in Kauf, dass diese dadurch größer werden.

      Angst lebt von der Machtlosigkeit und Unreife eines kleinen Kindes. Es ist daher einem souveränen, reflektierten Erwachsenen auch nicht möglich, Angst zu haben – alle unsere Ängste und Angstsymptome kommen aus der Kindheit und basieren auf der Logik eines hilflosen Kindes! Ängste sind zwar äußerst intelligent, aber leider auch zerstörerisch und unberechenbar. Sie schwächen den Organismus und hindern eine Gesellschaft an der Entwicklung. Verzwickterweise entsteht Angst im Unterbewusstsein und nie in der bewusst kontrollierten Absicht. Man muss also mit dem Unterbewusstsein arbeiten, um an die Angstmuster heranzukommen.

       Meine Definition:

       Angst ist eine unreflektierte Reaktion

       in Erwartung einer Bedrohung.

      Das bedeutet: Das, wovor wir Angst haben, ist immer irrational, niemals real. Man fürchtet sich vor etwas, was es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Denn wenn Sie etwas Reales erleben, empfinden Sie keine Angst mehr!

      Denken Sie nach: Sie haben Angst vor einer Wespe, genauer: vor ihrem Stich. Wenn die Wespe Sie dann tatsächlich gestochen hat, haben Sie Schmerzen und sind vielleicht wütend, aber Sie haben keine Angst! Warum nicht? Weil Sie die tatsächliche Gefahr nun einschätzen können. Nicht einmal das Erleben des Todes macht Angst, wie so gut wie alle Menschen, die eine Nahtoderfahrung machten, berichten.

      Ich unterscheide zwischen Angst und Schrecken. Sie erschrecken, wenn jemand zur Tür hereinkommt und mit einer Papiertüte laut knallt.

      Angst dagegen heißt zu befürchten, dass jemand hereinkommen könnte. Einen Schrecken bekommen Sie, wenn ein Blumentopf von der Balkonbrüstung direkt vor Ihre Füße fällt. Angst veranlasst Sie, angesichts des Balkons die Straßenseite zu wechseln. Die Bereitschaft zu erschrecken, ist sinnvoll und sollte erhalten bleiben. Angst und Panik jedoch braucht niemand.

      Ich glaube zudem, dass wir in einer ausgesprochenen Angstgesellschaft leben, versehen mit einer weitverzweigten und gut organisierten Angstindustrie, wie ich sie nenne. An jeder Ecke, in jedem Medium, in vielen Institutionen wird Angst erzeugt, geschürt und verbreitet. Subtil, indirekt und doch sehr effektiv. Denn Angst ist ein gutes Geschäft, genauer gesagt: Das Gegenmittel zur Angst bringt den Profit.

      Die gute Nachricht: Angst wieder aufzulösen ist banal und einfach. Es ist geradezu vermessen, ein ganzes Buch darüber zu schreiben. Ein paar Sätze, die man in der Schule lernen könnte, würden eigentlich reichen. Das große Problem ist jedoch, dass wir eben nicht in der Schule lernen, mit der Angst umzugehen, und daher die Dinge, die ich im Folgenden zeige, für einige Menschen so unbekannt, so unvorstellbar und daher so neu sind, dass dieses Buch gar nicht dick genug sein kann, um auch den letzten Leser davon zu überzeugen.

      Ich wage dennoch einen Versuch, denn es ist möglich, ein Leben ohne Angst zu führen.

      Haben Sie Angst? Na klar haben Sie Angst! Jeder hat doch irgendeine Form von Abscheu, Vorbehalten, Befürchtungen oder Panik. Über sieben Millionen Deutsche leiden sogar unter einer diagnostizierten spezifischen Phobie, Tendenz steigend. Aber keine Bange, das kriegt man wirklich weg! Ich weiß es, denn ich war der ängstlichste Junge, den Sie sich vorstellen können. Vielleicht nicht in jeder Hinsicht ängstlich, aber ich hatte Angst vor Lehrern, vor Mitschülern, vor Einbrechern, vor Kellern und Spinnen, ja eigentlich vor allem. Damit war ich sicher nicht der Einzige in der Klasse, aber mich quälten meine Ängste so sehr, dass ich mit 15 Jahren beschloss, damit nicht mehr länger leben zu wollen. Ich nahm mir vor, angstfrei zu werden. Es wurde allerdings ein langer Weg. Jahrelang versuchte ich, eine Angst nach der anderen in die Zange zu nehmen, mich zu überwinden, mir Mut einzureden und mich zusammenzureißen oder zu disziplinieren. Doch egal, was ich tat, es tauchten immer neue Ängste in meinem Leben auf: Die Angst, ein Mädchen anzusprechen, die Angst, ein Referat zu halten, später die Angst vor dem Autofahren oder Angst vor Prüfungen. Mein Versuch, mich zu befreien, war fast wie Herakles’ Kampf gegen die schlangenköpfige Hydra. Wurde ihr ein Schlangenkopf abgeschlagen, wuchsen sogleich zwei neue nach. Je mehr man ein Symptom bekämpft, ohne die dahinterliegende Ursache aufzuarbeiten, desto deutlicher zeigt sich der innere Konflikt! Alles wird schlimmer. Sich zusammenreißen brachte also nichts. Eine chronische Bronchitis, chronischer

Скачать книгу