Der 15. Schläger. Bob Rotella
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Aber wenn viele Spieler so gern über die Veränderungen beim Schwung sprechen, warum scheuen sie sich dann, auch über Veränderungen bei der geistigen Einstellung zu sprechen? Rein logisch betrachtet, ergibt das für mich keinen Sinn. Warum sollte Ihnen jemand, ohne sich zu schämen, eine Übung vormachen, bei der er wie ein Flamingo auf einem Bein steht und den Ball schlägt, sich aber nicht trauen, über die 15 Minuten zu sprechen, die er jeden Abend mit mentalen Übungen verbringt? Ich weiß es nicht. Wenn ich den Spielern erzählen würde, sie könnten ein wichtiges Turnier gewinnen, wenn sie jeden Abend eine Stunde lang über glühende Kohlen liefen, dann würden manche ohne zu zögern ihre Schuhe und Socken ausziehen. Aber mit dem Gedanken, in dieser Stunde an ihrer Psyche zu arbeiten, können sie sich überhaupt nicht anfreunden. Vielleicht liegt es daran, dass eine technische Schwachstelle etwas weiter weg ist vom Kern dessen, was einen Menschen wirklich ausmacht. Eine mentale Schwachstelle kommt dem vielleicht zu nahe.
Und genau das ist meiner Meinung nach der Grund, warum viele Golfer gegen eine Wand laufen, wenn sie die Phase erreichen, in der mechanische Abläufe nicht mehr das größte Hindernis sind. Sie haben in unzähligen Stunden gelernt, wie man den Ball richtig schlägt. Und egal, ob sie ein großes Turnier gewinnen, oder ein einstelliges Handicap erreichen möchten, die physischen Voraussetzungen dazu haben sie. Aber allmählich geht der Drang nach vorne verloren. Manche machen sogar Rückschritte. Sie können sich einfach nicht eingestehen, dass sie nun an ihrer geistigen Einstellung scheitern. Sie arbeiten nicht voll engagiert an ihrem Selbstvertrauen. Sie schaffen es nicht, sich zu ändern.
Als Erstes verlange ich also von Ihnen, dass Sie ehrlich zu sich selbst sind. Passt Ihre geistige Einstellung zu dem Spielniveau, das Sie erreichen wollen? Hilft Ihnen Ihre Einstellung unter Druck, oder wirkt sie sich negativ aus? Können Sie mit dieser Einstellung herausfinden, wie gut Sie spielen könnten?
Und haben Sie den Mut, Ihre Einstellung zu ändern?
2.
Der 15. Schläger
Es wäre faszinierend und lehrreich zugleich, wenn Tiger Woods oder Annika Sörenstam eines Tages ein Interview gäben, in dem sie ganz offen über ihr Selbstvertrauen sprechen. Aber das wird nie passieren, denn beide kennen unsere Medienkultur zu genau, als dass sie ihre innersten Gedanken offenlegen würden.
Tiger und Annika sind momentan die Spieler, die mit dem Turnierdruck am besten zurechtkommen. Das heißt aber nicht, dass sie auch die besten physischen Voraussetzungen aller Spieler haben. Beide haben in jahrelangem, hartem Training bewundernswerte technische Fertigkeiten erworben, aber keiner der beiden ist fehlerlos. Beim Putten ist Annika nicht immer brillant, und Tiger hat mit dem Driver so viele Probleme, dass man manchmal glauben könnte, die Yips hätten ihn heimgesucht. Und auch sonst sind sie nicht immer und überall die Besten. Bei jedem Turnier der PGA oder LPGA sieht man auf dem Übungsgelände Spieler, die den Ball genauso weit oder genauso gerade schlagen, die die Chips genauso nahe an die Fahne setzen und genauso viele Putts versenken.
Was diese beiden Spieler aber von ihren Konkurrenten unterscheidet, ist meiner Meinung nach ihr Selbstvertrauen. Und das nenne ich ab jetzt ihren 15. Schläger. Ganz tief im Inneren spüren beide, dass sie jeden Konkurrenten schlagen können. Diese innere Gewissheit macht es ihnen möglich, unter Druck so gut zu spielen. Die meisten Konkurrenten denken ganz einfach nicht so wie sie.
Wenn ich mir den 15. Schläger eines Spielers vorstelle, dann wandern meine Gedanken in meine Kindheit zurück, als ich im Rutland Country Club in Vermont als Caddie jobbte. Damals sprachen viele Spieler und Caddies davon, dass sie einen Lieblingschläger hätten. Vielleicht waren damals die Fertigungstoleranzen nicht so eng, sodass sich alle Schläger eines Satzes tatsächlich unterschiedlich anfühlten. Oder man nannte einen Schlägersatz aus Einzelschlägern sein Eigen, die man entweder günstig gekauft oder geschenkt bekommen hatte, und ein Schläger im Bag fühlte sich einfach besser an als die anderen. Heute spricht kaum jemand von einem Lieblingsschläger, wahrscheinlich weil moderne Schläger besser gemacht sind und die Spieler meist komplette Sätze kaufen.
Damals hatten aber viele Spieler einen Lieblingsschläger, mit dem sie sich besonders wohlfühlten. Das war vielleicht ein Eisen 8, das bei jedem Annäherungsschlag unter 115 Meter eingesetzt wurde, oder ein alter Brassie (ein Holz 3), mit dem jeder Abschlag sicher in der Mitte des Fairways landete. Und oft funktionierte dieser Schläger tatsächlich besser als alle anderen Schläger im Bag.
Meiner Meinung nach lag das nicht daran, dass diese Schläger vom Material her besser oder für den jeweiligen Spieler besonders gut geeignet waren. Ich glaube, dass einfach ein Gefühl des absoluten Selbstvertrauens entstand, sobald ein Spieler diesen Lieblingsschläger in Händen hielt. Er hoffte nicht einfach darauf, dass der Ball in die richtige Richtung gehen würde, er wollte den Ball nicht einfach an einen bestimmten Punkt spielen, sondern er wusste, dass genau das gelingen würde. Und das machte den Unterschied aus.
Wenn ich von Ihrem 15. Schläger spreche, dann ist damit kein echter gemeint. Ich weiß, dass die Regeln nur 14 Schläger erlauben. Ich denke stattdessen an dieses absolute Selbstvertrauen, diese Gewissheit, dass der Ball genau dort landen wird, wo er soll. Und das will ich Ihnen mit diesem Buch vermitteln. Es geht um ein Gefühl, das Sie in jeder Lage auf dem Golfplatz abrufen können, egal, unter welchem Druck Sie stehen. Es geht um das Gefühl, das Tiger und Annika auf den letzten Bahnen eines Turniers haben.
Falls Tiger oder Annika wirklich offen sprechen würden, würden sie vielleicht sagen: „Ich bin der beste Spieler bzw. die beste Spielerin der Welt – keiner war bisher besser. Wenn ich antrete und mein normales Spiel spiele, bleibt für die anderen bestenfalls der zweite Platz. So gut bin ich nun einmal.“
Das sagen sie natürlich nicht wirklich, weil sie wissen, dass sie damit viele Menschen vor den Kopf stoßen würden. Muhammad Ali wurde gehasst, wenn er voraussagte, in welcher Runde er einen Gegner k.o. schlagen würde. Joe Namath wurde beschimpft, als er garantierte, dass seine Jets die Baltimore Colts beim Super Bowl III besiegen würden. Ali und Namath blieben so populär, weil ihre Vorhersagen letzten Endes eintrafen. Wenn man aber zu viel Selbstbewusstsein zeigt, wird das in unserem Kulturkreis als Zeichen von einfältiger Arroganz gewertet. Clevere Sportler wie Tiger und Annika haben gelernt, über ihre wirklichen Gefühle nicht öffentlich zu sprechen. Manche tragen sogar eine Fassade der Demut zur Schau, die ihre innere Arroganz verbirgt, damit sie niemanden gegen sich aufbringen. Ich kann verstehen, warum sie so handeln, obwohl ich selbst ganz sicher kein Problem damit hätte, wenn ich das wahre Ausmaß ihres Selbstvertrauens kennen würde. Ich bewundere diese Art Selbstvertrauen bei einem Sportler. Aber da bin ich wohl anders, als andere Menschen.
In unserer Kultur gibt es eine widersprüchliche Einstellung zum Thema Selbstvertrauen. Wir versuchen einerseits, Menschen ein gewisses Maß an Selbstvertrauen zu vermitteln. Trainer von Jugendmannschaften sagen ihren Schützlingen immer: „Du kannst das.“ Clevere Mathelehrer tun das auch. Und später machen das auch clevere Vertriebsleiter. Aber wir akzeptieren Selbstvertrauen nur bis zu einer gewissen Grenze. Niemand möchte ein Kind, das „überheblich“, „arrogant“ oder „nur mit sich selbst beschäftigt“ ist, oder wie immer man ein Übermaß an Selbstvertrauen auch bezeichnen mag. Vielleicht haben Eltern und Trainer Angst, die Kontrolle über ein Kind oder einen Athleten zu verlieren, wenn es bzw. er „zu“ selbstbewusst ist. Vielleicht haben sie auch Angst, ihre eigene Rolle als oberste Autorität zu verlieren. Oder sie fürchten, dass ein Mensch, der „zu“ selbstbewusst ist, nicht mehr lernen bzw. trainieren will. In unserem Kulturkreis wendet man sich aus den unterschiedlichsten Gründen schnell gegen Personen, deren Selbstbewusstsein über das akzeptable Maß hinausgeht. Ein alter Spruch besagt, dass „der Nagel, der herausschaut, wieder in das Brett geschlagen wird“.
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