Von Casanova bis Churchill. Barbara Piatti

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Von Casanova bis Churchill - Barbara Piatti

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in aller Eile an und ging ohne Frühstück aus dem Hause, ohne zu wissen wohin.

      Eine Stunde nachdem ich die Stadt verlassen hatte, fand ich mich inmitten vieler Berge wieder, so dass ich hätte glauben können, mich verlaufen zu haben, wenn ich nicht überall Wagenspuren erspäht hätte, die mir verhiessen, dass mich jener Weg an einen gastlichen Ort bringen müsste. Alle Viertelstunden lang begegnete ich Bauern, aber ich gefiel mir darin, von ihnen keinerlei Auskunft zu erfragen. Nachdem ich sechs Stunden lang langsamen Schrittes gelaufen war, fand ich mich plötzlich auf einer grossen Ebene zwischen vier Bergen wieder. Ich hatte auf der linken Seite die schöne Aussicht auf eine grosse Kirche, die an ein Gebäude mit gleichförmiger Fassade angrenzte, welche die Wanderer einlud, sie aus der Nähe zu betrachten. Ich sah, als ich dichter herankam, dass es nur ein Kloster sein konnte, und war froh darüber, in einem katholischen Kanton zu sein.

      Ich fand die Kirchentüre offen, trat ein und war verwundert über den reichen Marmorschmuck und die Schönheit der Altäre. Nachdem ich die letzte Messe gehört hatte, ging ich in die Sakristei, wo ich eine Menge Benediktiner fand.

      Der Abt, den ich inmitten dieser Mönche an dem um seinen Hals hängenden Kreuz erkannte, trat auf mich zu und fragte, ob ich die Sehenswürdigkeiten des Klosters und der Kirche in Augenschein zu nehmen wünsche. Ich antwortete ihm, dies werde mir viel Vergnügen machen, und er erbot sich, nebst zwei anderen Brüdern selber mein Führer zu sein. Ich sah sehr reiche Gewänder, die mit Gold und echten Perlen überladen, Monstranzen, die mit Diamanten und anderen Edelsteinen geschmückt waren, eine reiche Balustrade und anderes mehr.

      Ich verstand sehr wenig Deutsch und kein Wort von der Schweizer Mundart, die mir sehr schwer verständlich zu sein scheint und in der deutschen Sprache etwa die Stellung einnehmen dürfte wie die genuesische Mundart in der italienischen. Ich begann daher Lateinisch zu sprechen und fragte den Abt, ob die Kirche schon vor langer Zeit erbaut worden sei. Hierauf begann der Hochwürdigste eine lange Geschichte, die mich beinahe dahin gebracht hätte, meine Neugierde zu bereuen, wenn er mir nicht zum Schluss gesagt hätte, es sei die einzige Kirche auf der ganzen Welt, die Jesus Christus in eigener Person geweiht habe. Demnach musste die Gründung schon recht weit zurückliegen, und ohne Zweifel machte ich ein etwas überraschtes Gesicht dazu; denn der Abt lud mich ein, ihm in die Kirche zu folgen, um mich von der Wahrheit jener Worte zu überzeugen. Dort zeigte er mir auf dem glatten Marmor fünf Eindrücke, die von den Fingern Jesu Christi im Augenblick der Einweihung stammten, um die Zweifler zu überzeugen und dem Superior die Mühe zu ersparen, den Diözesebischof zur Weihe der Kirche herbeirufen zu lassen. Der Superior hatte dieses Wunder durch eine göttliche Offenbarung im Traum erfahren, die ihm in verständlichen Worten befahl, nicht mehr an eine Weihe zu denken, denn die Kirche sei «divinitus consecrata» [von Gott geweiht], das sei so wahr, dass man die Eindrücke an der bestimmten Stelle sehen könnte. Er ging in die Kirche, sah sie und dankte dem Herrn. […]

      Die überzeugungsvolle Miene, womit der Abt mir diese Ammenmärchen vortrug, erregte in mir eine Lachlust. Ich hörte jedoch in so ehrfurchtsvollem Schweigen zu, dass der Hochwürdige Herr ganz entzückt war und mich fragte, in welchem Gasthof ich wohnte. Ich antwortete ihm: «Nirgends; denn ich bin von Zürich zu Fuss gekommen, und mein erster Besuch hat Ihrer Kirche gegolten.»

      Ich weiss nicht, ob ich vielleicht diese Worte mit einem Ausdruck von Zerknirschung vorbrachte, aber der Abt faltete seine Hände und hob sie zum Himmel empor, als wenn er Gott dafür danken wollte, dass er mein Herz gerührt und mich auf meiner Pilgerschaft geleitet hätte, um in diesem Heiligtum die Last meiner Sünden abzuwerfen.

      Dies erschien mir natürlich; denn ich weiss, dass ich stets wie ein grosser Sünder ausgesehen habe.

      Der Abt sagte mir, es sei bald Mittag und er hoffe, ich werde ihm die Ehre antun, mit ihm zu speisen; ich nahm dies mit verbindlichem Dank an. Ich wusste nicht, wo ich war, und wollte ihn nicht fragen; denn es war mir erwünscht, ihn bei dem Glauben zu belassen, dass ich zur Abbüssung meiner Sünden eine Pilgerfahrt machte.

      Unterwegs sagte der Abt mir, seine Ordensbrüder ässen an diesem Tage Fastenspeisen, wir aber würden Fleisch essen, da er von Benedikt XIV. einen Dispens erhalten hätte, der ihm erlaubte, das ganze Jahr hindurch mit drei Tischgenossen Fleisch zu essen. Ich antwortete ihm, ich würde gerne an seinem Vorrecht teilnehmen. Als wir in seinem Zimmer waren, das durchaus nicht einer Büsserzelle glich, zeigte er mir sofort den Dispensbrief, der unter Glas in einem schönen Rahmen dem Esstisch gegenüber an der Wand hing, damit die Neugierigen und Gewissenhaften Kenntnis davon nehmen könnten.

      Da auf der Tafel nur für zwei Personen angerichtet war, legte ein Bedienter in reicher Livree noch ein Gedeck auf, was dem bescheidenen Abt Gelegenheit gab, mir zu sagen: «Ich speise für gewöhnlich mit meinem Kanzler; ich muss nämlich eine Staatskanzlei halten, weil ich in meiner Eigenschaft als Abt von Einsiedeln auch Fürst des Heiligen Römischen Reiches bin.»

      Ich atmete auf; denn nun wusste ich endlich, wo ich mich befand, und dies war mir sehr angenehm. Von «Unserer Lieben Frau zu den Einsiedeln» hatte ich sprechen hören, dem Loreto1 nördlich der Alpen.

      Bei Tisch fragte der Fürstabt mich, aus welchem Lande ich wäre, ob ich verheiratet wäre und ob ich die schönen Gegenden der Schweiz zu besuchen gedächte; zugleich bot er mir Empfehlungsbriefe an für alle Orte, die ich aufzusuchen wünschte.

      Ich sagte ihm, ich wäre Venezianer, Junggeselle, und würde die mir angebotenen Briefe dankbar annehmen, nachdem ich ihm in einer Unterredung gesagt haben würde, wer ich wäre. Ich hoffte, er würde mir diese bewilligen, da ich den Wunsch hätte, ihm alles anzuvertrauen, was ich auf dem Gewissen hätte. So ging ich, ohne jeden Vorbedacht und ohne eigentlich zu wissen, was ich sagte, die Verpflichtung ein, diesem Abt zu beichten. Diese Plötzlichkeit der Entschlüsse war meine besondere Liebhaberei. Wenn ich einem plötzlichen Einfall folgte, wenn ich etwas tat, was ich vorher nicht überlegt hatte, so kam es mir vor, als wenn ich die Gesetze meines Schicksals befolgte und einem höchsten Willen nachgebe. […]

      Als das Mahl beendet war, machte der Kanzler eine ehrfurchtsvolle Verbeugung und entfernte sich. Gleich darauf führte der Abt mich im ganzen Kloster herum und zuletzt auch in die Bibliothek. […]

      Über den Anblick der Bibliothek würde ich laut aufgeschrien haben, wenn ich allein gewesen wäre. Sie enthielt nur Folianten, und die neuesten waren ein Jahrhundert alt. Alle diese dicken Bücher handelten nur von Theologie und religiösen Streitfragen: Bibeln, Kommentare, Kirchenväter, mehrere Legisten2 in deutscher Sprache, Annalen und das grosse Lexikon von Hoffmann.

      «Ohne Zweifel, hochwürdigster Herr», fragte ich ihn, «haben Ihre Mönche ihre Privatbüchereien, worin sich naturwissenschaftliche, geschichtliche Werke und Reisebeschreibungen befinden?» – «Nein; meine Mönche sind brave Leute, die sich nur um ihre Andachtspflichten kümmern und in süsser Unwissenheit friedlich dahinleben.»

      Ich weiss nicht, was mir in diesem Augenblick durch den Kopf fuhr, aber genug, mich wandelte eine unbegreifliche Laune an – nämlich Mönch zu werden. Ich sagte dem Abt zuerst nichts davon, aber ich bat ihn, mich in sein Kabinett zu führen, indem ich ihm sagte: «Ich wünsche, hochwürdigster Herr, Ihnen eine Generalbeichte aller meiner Sünden abzulegen, damit ich morgen, rein von allen Verbrechen, das heilige Abendmahl empfangen kann.»

      Ohne mir zu antworten, führte er mich in ein hübsches Gartenhaus, wo er mir sagte, er sei bereit, mich anzuhören; doch litt er nicht, dass ich niederkniete.

      Ihm gegenübersitzend, erzählte ich ihm drei Stunden hintereinander eine Menge anstössiger Geschichten; aber ich erzählte sie ohne Salz, denn ich war in einer asketischen Stimmung und musste in einem Stil der Zerknirschung reden, die ich in Wirklichkeit nicht empfand; denn wenn ich meine tollen Streiche wieder durchging, fand ich die Erinnerung daran durchaus nicht unangenehm. […]

      Um

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