Toter Regens - guter Regens. Georg Langenhorst

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Toter Regens - guter Regens - Georg Langenhorst

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Zahlenkombination ein und wartete. Gespannt, konzentriert blickte er auf das Gerät in seiner Hand. ‚Nicht da?‘, fragte er sich kurz. ‚Oder hast du erkannt, wer dich sprechen will, und keine Lust abzunehmen?‘ Da aber meldete sich eine Stimme am anderen Ende, die des erwarteten Gesprächspartners. „Ich muss Sie sprechen“, forderte Görtler mit sicherer und weisungsgewohnter Stimme, „jetzt!“

      Er lauschte kurz in das Gerät, unterbrach jedoch den Wortfluss seines Gegenübers mit einem schneidenden „Nein, das kann nicht bis morgen warten! Ich habe schon viel zu lange tatenlos zugeschaut. Nein, ich werde das nicht mehr hinnehmen! Wir müssen die Angelegenheit nun endlich klären. Definitiv.“ Wieder hörte er auf die Worte seines Gegenübers. Dessen Protest war kleinlauter dieses Mal, so viel war zu ahnen.

      „Ja, ich bin in meinem Büro. Den ganzen Abend. Sie können kommen, ich bin da.“ Mit einem Seufzen legte er das Handgerät zurück auf die Station, atmete einmal kräftig durch, lehnte sich zurück und streckte die Arme nach oben. ‚Gut, dann muss es eben sein‘, ging es ihm durch den Kopf.

      Dass er mit diesem Telefonanruf sein eigenes Todesurteil ausgesprochen hatte, konnte Dr. Norbert Görtler, Spross einer alteingesessenten Friedensberger Großfamilie, die viele Priester hervorgebracht hatte, nicht ahnen. Auch in seinen unheilvollsten Albträumen hätte er zwar vieles für möglich gehalten, das jedoch nicht. Nur noch ein einziger Mensch würde je wieder mit ihm, dem zweiundvierzigjährigen Regens des Priesterseminars von Friedensberg, ein Wort wechseln: sein Mörder.

      1

      Kriminalhauptkommissar Bernd Kellert glaubte sich verhört zu haben. Er fragte nach: „Was? Wohin soll ich?“ „Stimmt schon, Chef“, gab die Kommissariats-Sekretärin Lena Winter-Drexler zurück, „Sie haben schon richtig verstanden: in das Priesterseminar, Von-Balthasar-Straße 4. Da gab es einen Mord!“ Kellert, achtundvierzig Jahre alt, immer noch sportlich, schlank, etwas über einsachtzig groß, wusste, dass die Sekretärin keine Witze machte. Dafür war sie schon viel zu lange im Betrieb tätig; dafür kannten sie sich nach fast fünfzehnjähriger Zusammenarbeit zu gut. Trotzdem blickte er sie nun ungläubig an: „Das kann doch nicht sein! Ein Mord im Priesterseminar!“ „Ist aber so, Chef! Los … und nehmen Sie Thiele mit!“

      Kellerts Verblüffung dauerte nur kurz. Mit raschen Schritten eilte er in das Doppelbüro, das er sich seit drei Jahren mit seinem Assistenten, Kriminalhauptmann Dominik Thiele, teilte. „Auf, Dominik, Einsatz!“, rief er dem an seinem Schreibtisch sitzenden Kollegen zu, der mit konzentrierter Miene auf den Computerbildschirm vor sich starrte, ohne selbst etwas zu tippen.

      Kellert griff sich seine Jacke vom Garderobenhaken neben der Tür, machte kehrt und lief auch schon in Richtung Dienstparkplatz. Thiele – etwas größer als sein Chef und siebzehn Jahre jünger, auch er sportlich und durchtrainiert, auch er mit Kurzhaarfrisur, seit drei Monaten aber zudem mit einem stets akkurat getrimmten Dreitagebart – folgte ihm, hatte ihn bald eingeholt.

      Viele Worte brauchte es zwischen den beiden nicht. Sie waren inzwischen ein perfekt eingespieltes Team. Sie hatten gelernt, dienstlich zu harmonieren, ohne privat viel miteinander zu unternehmen. Die Abstimmung passte. „Wohin?“, fragte Thiele kurz, als er sich die Schlüssel für den neuen Dienst-BMW vom Schlüsselbord nahm. „Von-Balthasar-Straße“, gab Kellert zurück. Thiele schaute kurz auf, seine Augen blickten ins Leere, dann zuckte er kaum merklich mit den Schultern: „Kenne ich nicht! Wo ist das denn?“ „Kennst du doch“, behauptete Kellert. „Die enge Gasse hinterm Dom, mit Kopfsteinpflaster. Da, wo es rübergeht zur Uni.“

      Immer noch unsicher blickend setzte sich Thiele ans Steuer und startete den Wagen. Überlaute Radiomusik brandete auf. Mit energischem Knopfdruck sorgte Kellert für jene Stille, die er für einen Montagmorgen um kurz nach halb neun für angemessen hielt. „Und was sollen wir da?“, fragte Thiele nach, während der Wagen fast lautlos auf den doppelspurigen Humboldt-Ring einbog.

      „Da gibt’s natürlich ein Tötungsdelikt. ‚Mord‘ sagt man auch dazu. Schon mal gehört?“, gab Kellert mürrisch zurück. „Mord im Priesterseminar!“ Kurz ging ein kleiner Ruck durch den Wagen, als Thiele den Fuß vom Gaspedal nahm und seinen Chef überrascht und fragend anblickte. „Mehr weiß ich auch nicht“, beantwortete der den fragenden Blick seines Mitarbeiters. „Wir werden schon sehen, was da los ist.“

      Die Kollegen von der Streifenpolizei waren offensichtlich schon einige Zeit vor Ort. Die Zufahrt zum Priesterseminar von der buckligen und engen Von-Balthasar-Straße aus war bereits mit weiß-roten Absperrbändern versehen. Ein Dienstfahrzeug blockierte mit eingeschaltetem Blaulicht die Einfahrt. Die ganze Szenerie wurde in das beständige Wechselspiel des auf- und abblitzenden Lichtrhythmus hineingenommen und wirkte dadurch fast irreal.

      ‚Wenigstens kein Sirenen-Signal‘, dachte Kellert, der den Aufwand für übertrieben hielt. Zwei Streifenbeamte kontrollierten den Zugang. Thiele parkte den BMW auf einem für Behinderte reservierten Parkplatz rechts vor dem Tor der Einfahrt, der einzigen freien Parkmöglichkeit, die er auf die Schnelle erkennen konnte. Kellert zog die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts.

      Einer der Streifenpolizisten kam auf sie zu, grüßte und führte sie durch das hohe Tor in den erstaunlich großen Vierungshof, der ringsum von dreistöckigen Gebäuden umgeben war. Einige sahen mehrere Jahrhunderte alt aus, andere mochten um die Wende zum 20. Jahrhundert errichtet worden sein. Obwohl der Hof geräumig war, wirkte das gesamte Szenario doch eher düster. Der in die Mitte in ein kleines Rundbeet gepflanzte, vielleicht fünfzehn Meter hohe Kastanienbaum verfärbte sich bereits, hatte schon einen Teil seines gelblich braunen Blattwerks abgeworfen.

      Sie wurden in eines der Gebäude geführt, das aus der letzten Bauetappe stammen musste. ‚Ende des 19. Jahrhunderts, tippe ich‘, dachte Kellert. Hohe, saalartige Räume, Schmuckstuck an den weißgetünchten, aber eher grau wirkenden Decken, schmale, tief ausgeschnittene und hoch aufragende doppelverglaste Fenster. Innen alles weiß gestrichen, funktional eingerichtet, unpersönlich. ‚Ein bisschen wie ein Krankenhaus‘, ging es Kellert durch den Kopf, dann korrigierte er sich aber: ‚Oder doch eher wie ein Internat. Also: wie ich mir früher ein Internat vorgestellt habe.‘

      Nachdem sie mehrere hohe, hallende Gänge durchschritten hatten, kamen sie an eine Tür, wo sie ein anderer Beamter schon erwartete. Links neben der Tür war ein silbrig glänzendes Metallschild angebracht, auf dem groß das Wort „Regens“ zu lesen war, darunter viel kleiner „Dr. Norbert Görtler. Gesprächstermine jederzeit, aber bitte nur nach Absprache.“

      ‚Regens‘? Kellert runzelte die Stirn. ‚Was heißt denn das nun wieder genau? Bezeichnungen haben die in der Kirche, da kennt sich doch kein Mensch aus!‘ Dass das Dienstzimmer jedoch zu einem Mann in leitender Stellung gehören musste, war auf den ersten Blick zu erkennen. Viel Zeit zum Nachdenken blieb Kellert aber nicht. „Beckers“, stellte sich der hier postierte Streifenbeamte kurz vor. Er ersparte sich aber weitere Worte und wies die Kriminalbeamten in den dahinterliegenden Raum. „Wir haben nichts verändert“, gab er ihnen noch mit.

      „Ist die KTU schon informiert?“, fragte Kellert im Vorübergehen. „Selbstverständlich! Die wollen in etwa“ – Beckers blickte auf seine Armbanduhr – „zehn Minuten hier sein. Sie haben also noch ein bisschen Zeit, um sich in Ruhe umzuschauen.“ Kellert hielt noch einmal inne und wies mit der rechten Hand in den vor ihnen liegenden Raum. „Äh, schon identifiziert?“, fragte er.

      „Ja, sicher“, gab Beckers zurück, der das wohl für selbstverständlich hielt. „Das ist der Chef hier, der Regens, dem das Zimmer gehört, also dieser … Moment … Görtler.“ „Sagt wer?“, mischte sich Thiele ein. „Na dieser Arenhövel, der ist hier – wie nennt der sich noch mal? – Subregens, glaube ich, also wohl der Stellvertreter. Der hat ihn doch auch gefunden und die Polizei angerufen. Der ist völlig durch den Wind. Kriegt kaum einen Ton raus. Wartet drüben in einem anderen

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