Göttliches Feuer, menschlicher Rauch. Josef Imbach

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Göttliches Feuer, menschlicher Rauch - Josef Imbach

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zwischen einer Straßenkreuzung und einer Kreuzwegstation nicht zu benennen weiß. Auch die Kenntnis der alten biblischen Geschichten und des Ablaufs des Kirchenjahres gehört nicht mehr zum allgemeinen Bildungsgut. Was gestern noch ein Kruzifix war, ist heute ein kulturelles Symbol und morgen oder übermorgen vielleicht noch ein Stück Holz. Fast schon muss man sich fragen, ob sich nicht auch die Ökumene in absehbarer Zeit von selbst totlaufe, weil die wesentlichen Differenzen zwischen katholisch und protestantisch allenfalls für eine Minderheit noch von einigem Interesse sind. Wer angesichts dieser Tatsache auf die Präsenz der Massen an Kirchentagen oder bei Papstmessen verweist, aber gleichzeitig die Kirchenaustritte (und die Gründe dafür) mit Schweigen übergeht, spielt mit gezinkten Karten.

      Meiner Ansicht nach bilden Freidenkende oder Angehörige nichtchristlicher Religionsgemeinschaften lediglich in dem Maß eine Gefahr für die Kirchen, als das Christentum selber ausgedünnt und spirituell verarmt ist. Präsenz markieren wir in unserer säkularisierten Welt nicht, indem wir Andersdenkenden in Gottes oder in Christi Namen möglichst viele Stolpersteine in den Weg legen. Sondern indem wir nicht bloß auf unsere christlichen Wurzeln verweisen, sondern uns auf sie besinnen – und die praktischen Folgerungen daraus ziehen.

      KIRCHENKRITIK

      VON GANZ OBEN

      Die in der Kirche am meisten verbreitete Sünde ist der Neid. Wir denken: Warum hat ein anderer das bekommen, was mir zusteht? Es gibt Priester, die vom Neid zerfressen werden und sich sagen: Weshalb ist ausgerechnet diese Person zum Bischof ernannt worden und ich nicht? Ein Segen sind jene Diözesen, in denen keine anonymen Briefe verschickt werden. Es gibt ganze Bistümer, die von anonymen Briefen zerstört worden sind, die manchmal sogar in Rom geschrieben wurden. Auch Eitelkeit ist häufig anzutreffen; das erweist sich schon an der Art, wie kirchliche Würdenträger sich kleiden. In der Vergangenheit trugen die Kardinäle Gewänder mit einer sechs Meter langen Seidenschleppe. Noch immer schmücken sich Kirchendiener mit sinnlosen Ornamenten. Auch an der römischen Kurie will jeder mehr sein oder mehr werden. Das wiederum führt dann zu einer gewissen Selbstzensur. Man bringt bestimmte Dinge nicht zur Sprache, weil man weiß, dass sie der Karriere schaden könnten. Oder man verschweigt die Wahrheit. Das ist ein großes Übel. Man sagt das, was den Vorgesetzten gefällt, man handelt nach dem, was man für deren Wunsch hält, und leistet dabei selbst dem Papst einen sehr schlechten Dienst. Leider gibt es Priester, die sich zum Ziel setzen, Bischöfe zu werden, und es gelingt ihnen. Es gibt Bischöfe, die nicht sagen, was sie denken, weil sie wissen, dass sie sonst nicht befördert werden. Einige melden sich nicht zu Wort, um ihre Kandidatur als Kardinäle nicht zu blockieren. Wir lieben mehr den Applaus als die Pfiffe. Wir müssen Gott um das Geschenk der Freiheit bitten. Wir sind aufgefordert, transparent zu sein und die Wahrheit zu sagen.

      Eigentlich hätte ich diesen ganzen Abschnitt in Anführungs- und Schlusszeichen setzen müssen; er stammt nämlich nicht von mir. Es handelt sich um Äußerungen aus Exerzitienvorträgen, die der 2012 verstorbene Kardinal Carlo M. Martini 2008 als 81-Jähriger vor Priestern gehalten hat. Publiziert wurden sie am 5. Juni 2008 in der italienischen Tageszeitung La Repubblica. In deutscher Übersetzung erschienen sie auf einer Homepage, die unter anderem auch von verschiedenen Diözesen finanziell unterstützt wird.

      Wenn ich mich für die eingangs vorgetragenen Gedanken nicht auf die Autorität von Kardinal Martini berufen könnte und die Verantwortung für sie allein tragen müsste, könnte man geneigt sein anzunehmen, da habe sich wieder einmal mehr ein unzufriedener Theologe seinen Frust von der Seele geschrieben. Was ich schon deshalb nie tun würde, weil es unter meiner Würde wäre. Allerdings kann ich mir die Bemerkung nicht verkneifen, dass Kardinal Martini mir mit seiner Kritik aus dem Herzen gesprochen hat. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch betonen, dass ich die Schriften dieses herausragenden Bibelwissenschaftlers und aufrechten Kirchenmannes mehr schätze als die zumeist etwas realitätsfernen Herdenbriefe mancher seiner Bischofskollegen.

      Aber das steht hier nicht zur Debatte. Bedenkenswert scheint mir etwas ganz anderes. Vielleicht müssten wir uns einmal ernsthaft überlegen, ob wir bei Auseinandersetzungen nicht oft schon deshalb taub sind für Argumente, weil wir die Person ablehnen, die sie vorbringt. Wenn das zutreffen sollte, ginge es nämlich gar nicht um die Sache, sondern einzig ums Rechthaben. Wir müssen unterscheiden zwischen dem, was gesagt wird, und dem, von dem es gesagt wird, um zu verstehen, was dieser sagen will, auch wenn er uns nicht gefällt, während uns das, was er sagen will, durchaus gefallen könnte, und erst recht, wenn er uns gefällt, während das, was er sagt, uns nicht gefallen kann. Das ist gewiss nicht leicht und mag Überwindung kosten, aber es ist unabdingbar, denn es gehört zu den Grundvoraussetzungen menschlicher Verständigung.

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