Zum Einklang finden mit sich und den anderen. Karin Seethaler

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Zum Einklang finden mit sich und den anderen - Karin Seethaler

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Schmerzen, die trotz guter medizinischer Versorgung und ausreichender Ruhe spürbar bleiben. Der Körper kann ein strenger, unerbittlicher Lehrmeister sein, der uns auf unsere menschliche Realität verweist, ob wir es wollen oder nicht: Wir sind verwundbar, zerbrechlich und endlich und bekommen dies immer wieder schmerzhaft zu spüren.

      Eine Frau vertraute mir ihren Leidensweg an, der durch einen ständigen Schmerz an ihrem Fuß ausgelöst wurde. Man hatte schon alles versucht, um die Fehlstellung am Fuß zu beheben, die den Schmerz verursachte. Jedoch ohne Erfolg. Zurückgeblieben waren viele enttäuschte Hoffnungen. Es wurde ihr gesagt, dass man fortan nichts mehr für sie tun könne, was konsequenterweise für sie hieß, dauerhaft mit diesen Schmerzen und der eingeschränkten Bewegungsfreiheit zu leben. Diese Diagnose ließ sie verzweifeln. Alles gute Zureden, dieses Los jetzt anzunehmen, half nichts. Es verstärkte nur ihre Verzweiflung, da alles in ihr diesen Schmerz und die körperliche Einschränkung ablehnte. Auch wenn der Verstand befahl, diese Situation jetzt anzunehmen, waren ihre Gefühle der Ablehnung stärker. In der Meditation erkannte sie dann, dass die Verzweiflung noch viel schlimmer zu ertragen war als ihr Fußschmerz. Ein Ausweg tat sich für sie auf, als ihr bewusst wurde, dass sie sich selbst von ihrem Widerstand und ihrer Verzweiflung nicht befreien konnte und dass sie dies auch gar nicht musste. Diese Befreiung kann nur Gott in ihr bewirken. Der innere Gefühlsaufruhr konnte sich beruhigen, als sie anfing, darauf zu verzichten, sich für ihre Empfindungen zu rechtfertigen oder sich zu verurteilen, weil sie ihre Situation nicht anzunehmen vermochte. Nun bekämpfte sie ihre Empfindungen nicht mehr und versuchte auch nicht mehr, diese zu unterdrücken, sondern sie wandte sich stattdessen mit ihnen der Gegenwart und dem Namen Jesu zu. In dieser Hinwendung wurde sie ruhiger und von einem Hoffnungsschimmer neu berührt. Auch wenn es ihr noch schwer ums Herz zumute war, begann das Quälende allmählich zu schwinden. Im Alltag versuchte sie ebenso, nicht mehr gegen ihre Empfindungen und Körperschmerzen anzukämpfen. Dieser innere Kampf hatte ihr so viel Lebensenergie abgezogen, dass ihre Kraft im Alltag kaum mehr für das Nötigste gereicht hatte. Jetzt vollzog sie eine innere Wende hin zu den alltäglichen, konkreten Schritten, die ihr sehr wohl noch möglich waren und die dazu beitrugen, ihre Lebensqualität trotz der körperlichen Einschränkung zu erhöhen. Indem sie aktiv wurde und etwas unternahm, verringerte sich ihre Angst. Jeder dieser Schritte und jede Wende hin zu seiner Gegenwart führte sie wieder neu ins Leben hinein.

       2. Meine Gedanken bemerken

       Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten? Sie fliegen vorbei wie nächtliche Schatten. (Volkslied)

      Jeder Gedanke, dem wir eine Bedeutung geben, indem wir mit der Aufmerksamkeit bei ihm bleiben, hat eine Wirkung auf uns, auf unsere Beziehungen, auf unser Lebensgefühl und auf unser Leben als Ganzes. In einem großen Maße ist auch die Beziehung zu uns selbst davon abhängig, wie wir über uns denken. Eine vielzitierte Weisheit bringt die Macht der Gedanken und ihre Konsequenzen für unser Leben zum Ausdruck:

      Achte auf Deine Gedanken,

      denn sie werden zu Gefühlen.

      Achte auf Deine Gefühle,

      denn sie werden zu Worten.

      Achte auf Deine Worte,

      denn sie werden zu Handlungen.

      Achte auf Deine Handlungen,

      denn sie werden zu Gewohnheiten.

      Achte auf Deine Gewohnheiten,

      denn sie werden Dein Charakter.

      Achte auf Deinen Charakter,

      denn er wird Dein Schicksal.11

      Der Umgang mit den Gedanken beschäftigte bereits die Mönchsväter. Ein Bruder kam zum Altvater Poimen und sagte: „Vater, ich habe vielerlei Gedanken und komme durch sie in Gefahr.“ Der Altvater führte ihn ins Freie und sagte zu ihm: „Breite dein Obergewand aus und halte die Winde auf! “ Er antwortete: „Das kann ich nicht!“ Da sagte der Greis zu ihm: „Wenn du das nicht kannst, dann kannst du auch deine Gedanken nicht hindern, zu dir zu kommen. Aber es ist deine Aufgabe, ihnen zu widerstehen!“12 Der Altvater verwies auf die Tatsache, dass Gedanken wie der Wind von selbst kommen. Der Bruder konnte dies nicht verhindern. Er besaß jedoch die Fähigkeit, den Gedanken zu widerstehen.

       In der Stille werde ich mir gewahr, d. h. bewusst, wie viele Gedanken in mir auftauchen, die weder nötig noch nützlich sind. „Widerstehen“ bedeutet in der Meditation, die Gedanken, die ins Bewusstsein treten, weder zu unterdrücken noch zu bewerten oder zu versuchen, sie irgendwie zu bekämpfen – mögen sie nun aus menschlicher Sicht gut oder schlecht, erhebend oder bedrückend sein. Sie sind Teil meiner menschlichen Realität und gehören zu mir wie der Wind zur Natur. Sobald ich jedoch bemerke, dass ich in Gedanken bin und meine Aufmerksamkeit auf Zukünftiges oder Vergangenes gerichtet habe, führe ich sie zurück zum Hier und Jetzt. Die konkrete Wahrnehmung meines Atems und/oder meiner Hände ist mir dabei eine große Hilfe. Sie bindet meine Aufmerksamkeit wieder neu an die Gegenwart. So bin ich in Kontakt mit mir selbst und lausche auf den Namen Jesus Christus, den ich innerlich spreche. Von Augenblick zu Augenblick komme ich immer wieder sanft zu dieser Verbindung zurück und erfahre, wie flüchtig meine Gedanken sind, die in sich keinen Bestand haben.

      Im Alltag sind Gedanken einerseits wichtig und notwendig, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Hier sind wir froh und dankbar über einen klaren Verstand und um die Fähigkeit zu denken. Unser Verstand produziert andererseits jedoch auch im Alltag viele Gedanken, die wir gar nicht haben wollen und für die konkreten Situationen auch gar nicht brauchen.

       Ich achte auf meine Gedanken. Wenn ich sie bemerke, kann ich auf überflüssige Gedanken Einfluss nehmen, indem ich meine Aufmerksamkeit dann bewusst auf etwas Konkretes richte. Die großen und kleinen alltäglichen Aufgaben, die ich mit Achtsamkeit ausführe, führen mich immer wieder zur Gegenwart zurück. Unerwünschte Gedanken können in dieser Weise mehr und mehr in den Hintergrund treten.

       Das Glück deines Lebens hängt von der Beschaffenheit deiner Gedanken ab. (Marc Aurel)

       In der Meditation öffne ich mich für die Erfahrung der Gegenwart Gottes. Dieses Erleben ist frei von intellektuellen Aktivitäten. Da Gott nicht in meinen Gedanken zu finden ist, brauche ich mich nicht weiter mit ihnen zu beschäftigen, d. h., ich analysiere und bewerte meine Gedanken nicht. Ich wende mich stattdessen von ihnen ab und der Gegenwart und dem Namen Jesu zu.

      Im Alltag ist es nicht möglich, mich beständig von meinen Gedanken abzuwenden. Hier geht es vielmehr darum, darauf zu achten, welchen Gedanken ich meine Aufmerksamkeit gebe und was diese in mir bewirken. Ich möchte dies mit einem Beispiel veranschaulichen. Ich sitze in einem Zug, von dem ich weiß, dass er mit einer halben Stunde Verspätung am Zielort eintreffen wird. Diese Situation ruft entsprechend viele Sorgen in mir hervor: Wie informiere ich meinen Arbeitskollegen? Wie komme ich schnellstmöglich vom Bahnhof zum Arbeitsplatz? Warum muss es ausgerechnet jetzt diese Verspätung geben? etc. Um die unangenehmen Konsequenzen dieser Verspätung so gering wie möglich zu halten, werde ich aktiv: Ich rufe meinen Arbeitskollegen an und bitte darum, mit der Besprechung eine halbe Stunde später zu beginnen. Ich bestelle ein Taxi, um nach der Ankunft am Bahnhof gleich weiterzufahren. Damit habe ich getan, was jetzt gerade in meinen Möglichkeiten steht. Ich kann mich jedoch auch weiterhin gedanklich mit den Folgen der Verspätung beschäftigen, ohne dadurch die unangenehme Situation zu verändern oder neue Erkenntnisse hinzuzugewinnen. Auch wenn ich überzeugt bin, dass diese Überlegungen berechtigt sind, bereite ich mit ihnen den Boden für negative Gefühle in mir. Diese innere Beschäftigung kostet zudem viel Kraft, strapaziert

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