Zum Einklang finden mit sich und den anderen. Karin Seethaler

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Zum Einklang finden mit sich und den anderen - Karin Seethaler

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zu bleiben. Mit welcher Literatur nähre ich meine Seele?

       Psalmen sind ein Schatz, in dem Menschen seit Jahrtausenden Worte wiederfinden, die ihre eigenen Klagen und Nöte sowie ihre Hoffnungen und ihren Dank vor Gott zum Ausdruck bringen. Welche Psalmworte kenne ich? Welche sind für mich bedeutsam? Wenn ich den einen oder anderen Psalmvers auswendig lerne, steht er mir im Alltag zur Verfügung.

       Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert. (Albert Einstein)

      Sobald ich merke, dass ich in der Meditation in Gedanken bin, wende ich mich von ihnen ab und der konkreten Wahrnehmung zu. Dies ist möglich bei zusammenhanglosen, sich aneinanderreihenden Gedanken. Wenn Gedanken jedoch um ein bestimmtes Thema kreisen, das mich sehr beschäftigt oder vielleicht sogar bedrängt, ist es fast aussichtslos, in dieser Weise mit ihnen umzugehen. Wenn mir zum Beispiel ein Konfliktgespräch beständig durch den Kopf geht, scheint ein Zurückkehren zur Wahrnehmung nur einen Bruchteil einer Sekunde möglich zu sein. Kaum habe ich meine Aufmerksamkeit auf die Wahrnehmung gelenkt, schon taucht der nächste Gedanke zum gleichen Thema auf. Immer wiederkehrende Gedanken sind ein Hinweis auf Gefühle, die ich noch nicht angeschaut habe. Ich wende mich deshalb nicht immer wieder nur von diesen Gedanken ab, sondern halte manchmal inne und achte darauf, was sie in mir auslösen und welche Empfindungen mit all den beständig wiederkehrenden Gedanken mitschwingen. Es könnte sein, dass ich einen gewissen Ärger wahrnehme. Dann ist dieser Ärger, der zwar in mir ist, jedoch von mir noch nicht wahrgenommen wurde, die Quelle der wiederkehrenden Gedanken. Wenn ich den Ärger nun bewusst wahrnehme und ihn mir zugestehe, trenne ich ihn nicht länger von mir weg. Es fällt dadurch etwas Spannung von mir ab und es kann ruhiger in mir werden. So wie es mir möglich ist, wende ich meine Aufmerksamkeit immer wieder neu der Gegenwart und dem Namen Jesu zu. In dieser Verbindung, auch wenn sie schwach erscheint, geschieht unmerklich Wandlung.

       Sich von positiven wiederkehrenden Gedanken zu lösen ist in der Meditation manchmal schwieriger als von negativen. Wenn ich zum Beispiel voller Freude gedanklich mit der Planung einer Geburtstagsfeier beschäftigt bin, ist es alles andere als einfach, mich von diesen Gedanken abzuwenden. Wer wendet sich schon gerne von etwas ab, das Freude bereitet? Der meditative Umgang besteht jedoch nicht darin, sich von der Freude abzuwenden, sondern von den Gedanken. Die Freude nehme ich ausdrücklich wahr und wende mich mit ihr dem Namen Jesu zu.

      Im Alltag erfährt man nicht die positiven, sondern die negativen immer wiederkehrenden Gedanken als belastend. Sie fixieren die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Thema. Es fehlt ein gewisser Abstand, der es ermöglichen würde, in Ruhe auf dieses Thema zu schauen. Stattdessen wiederholen sich die gleichen Gedanken wie bei einer hängengebliebenen Schallplatte. Man reagiert nicht mehr auf das, was jetzt ist, sondern auf seine Gedanken im Kopf, was wiederum belastend in Beziehungen hineinwirken kann.

      Als Kind war ich von der Möglichkeit beeindruckt, mit meinem Zeigefinger, den ich ganz dicht vor mein Auge hielt, den großen Mond verdecken zu können. Wenn ich den Zeigefinger langsam vom Auge entfernte, wurde der Mond wieder mehr und mehr sichtbar. Immer wiederkehrende Gedanken sind wie dieser Zeigefinger, den man ganz nah vor sein Auge hält. Man sieht nicht mehr, was außer dem Zeigefinger, d. h. was außer dem Thema, das einen beschäftigt, noch da ist.

      Den Abstand, der meinen Blick wieder weitet, kann ich im Alltag jedoch auf verschiedene Weise wiedergewinnen:

       Ich spreche vor Gott offen aus, wie es mir geht und wie ich die augenblickliche Situation erlebe. Ich bitte darum, erkennen zu dürfen, was ich im Augenblick vielleicht noch nicht sehe und was ich in dieser Angelegenheit lernen kann.

       Ich schreibe stichwortartig die konkrete Situation auf, die mich innerlich so beschäftigt, sowie meine Gedanken und Gefühle dazu. Ich nehme mir dann etwas Zeit und achte darauf, welche Impulse in mir aufsteigen. In der Achtsamkeit für meine inneren Impulse werde ich empfänglich für Gottes Geist, der in mir wohnt (1 Kor 3,16) und der mich durch das Leben leiten und begleiten möchte.

       Ich suche das Gespräch mit einer vertrauten Person. Das Aussprechen entlastet und kann neue Perspektiven zum gleichen Thema erschließen.

       Ich unterbreche das Gedankenkreisen im Alltag, indem ich entschlossen mit allen Sinnen meine Aufmerksamkeit auf etwas Konkretes lenke: auf eine Tätigkeit, die ich verrichte; auf den Inhalt eines Buches; auf Musik, die ich bewusst höre; auf ein Bild, bei dem ich versuche, möglichst viele Details wahrzunehmen; auf ein Aquarium mit seinen Fischen und Algen, die sich beständig sanft bewegen; auf den Himmel mit den Wolken, die lautlos vorbeiziehen. Oder ich lasse mich bewusst auf eine Sinneswahrnehmung ein: Ich nehme eine Dusche und achte bewusst darauf, wie das Wasser auf meiner Haut abperlt. Dabei nehme ich meine Füße wahr und spüre hin zum Kontakt mit dem Boden. Ausschlaggebend für diese bewussten Sinneswahrnehmungen, das stille Betrachten von etwas Konkretem und der achtsam ausgeführten Tätigkeiten ist die Verbindung zur Gegenwart. Diese Hinwendung bewirkt eine innere Ruhe, die mich dann mit mehr Abstand auf die Gegebenheiten schauen lässt, die diese beständig wiederkehrenden Gedanken in mir ausgelöst haben.

      Im nachfolgenden Kapitel gehe ich auf den Umgang mit den Gefühlen ein, die mit unseren Gedanken sehr eng verbunden sind.

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