Leitfaden für das Kommunale Krisenmanagement. Andreas Hermann Karsten
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Leitfaden für das Kommunale Krisenmanagement - Andreas Hermann Karsten страница 6
[27]Sie erfordern dringend Entscheidungen, selbst wenn essenzielle Informationen über Ursachen und Konsequenzen noch nicht zur Verfügung stehen.
Sie erfordern eine effektive Krisenkommunikation, angepasst in Art und Wortwahl an unterschiedlichste Gruppen, deren Bedürfnisse, Ansichten und Referenzrahmen in einem weiten Feld schwanken.
Sie erfordern, dass die politisch verantwortliche Führungskraft Vulnerabilitäten in bestehenden staatlichen und zivilgesellschaftlichen Strukturen und Routinen sowie unter Umständen in althergebrachten Werten erklärt.
Ziel der politisch verantwortlichen Führungskraft muss es sein, das durch die Krise erzeugte Chaos, die Verwirrung, das Gefühl der Hilflosigkeit bzw. der Wut zu begrenzen und die staatlichen und zivilgesellschaftlichen Kapazitäten zur Krisenbewältigung zu aktivieren und optimal einzusetzen. Auch für die Begrenzung bzw. die Bewältigung der Traumata der Betroffenen ist es sinnvoll, diese in die Krisenbewältigung aktiv einzubinden. Dazu sollte die politisch verantwortliche Führungskraft »gescheite« Ziele festlegen, definieren, wie (Teil-)Erfolge aussehen und die »richtigen« Fragen stellen.
|
Häufige Fehler bei der Führung in Krisen: Symptome statt Ursachen bekämpfen. Zu viele Aufgaben übernehmen. Sich um zu viele Aufgaben gleichzeitig kümmern. Ständiger Wechsel zwischen den verschiedenen Aufgaben. |
Als »Leuchtturm« in der Krise muss die politisch verantwortliche Führungskraft schwierige und weitreichende (kritische) Entscheidungen auch unter den schwierigsten Rahmenbedingungen treffen. Dabei muss sie die Erwartungen der Öffentlichkeit erfüllen, selbst wenn diese unangemessen, eventuell sogar unfair oder illusorisch sind. Entsprechend dem Thomas Theorem sind diese in ihren politischen Konsequenzen real.
|
Thomas Theorem (Thomas, 1920): »If men define situations as real, they are real in their consequences.« Situationen die von Menschen als real definiert werden, sind in ihren Konsequenzen real. |
[28]Die Führungskraft muss einige Eigenschaften vorweisen können, um auch in Krisensituation alle Aufgaben bewältigen zu können:
Stabiler Charakter: Die Führungskraft …… ist vertrauenswürdig.… ist besonnen.… hat die Fähigkeit, unter Druck gelassen zu bleiben.
Entschlossenheit: Sie …… trifft Entscheidungen und setzt diese um.… besitzt die Fähigkeit, unter Druck ausgewogen und analytisch gute Urteile zu treffen.… hat die Fähigkeit, einen situationsangepassten Entscheidungsstil anzuwenden.… besitzt Autorität.… handelt möglichst objektiv.… ist jedem gegenüber unvoreingenommen.
Kommunikationsfähigkeit: Die Führungskraft …… besitzt die Fähigkeit, Konflikte in einer interdisziplinären Gruppe zu minimieren.… kann Ihre Anweisungen klar und strukturiert formulieren.
Sozialkompetenz: Sie …… baut Vertrauen auf.… hat Respekt gegenüber den Mitmenschen und zeigt diesen.
Eine ausgewogene und gut organisierte Gefahrenabwehr und politische Krisenbewältigung begrenzen die Auswirkungen einer Krise und unterstützen die Wiederherstellung der Vorkrisensituation. Sie können das Vertrauen der Öffentlichkeit in Ihre Führungseigenschaften als politisch verantwortliche Führungskraft und in die staatlichen Institutionen wieder herstellen und sogar vergrößern. Sie garantieren aber nicht, dass die Krise erfolgreich überwunden wird. Sie sind notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen des Krisenmanagements.
In demokratischen, liberalen Gesellschaften muss die politisch verantwortliche Führungskraft schwierige, manchmal sich wiedersprechende legale, politische und moralische Fragen beachten. Effektivität and Effizient sind nicht die einzigen Werte, die beachtet werden müssen. Gerade in den letzten Jahren erschwert eine Entwicklung das Krisenmanagement: Ein großer Teil der Bevölkerung wird immer gefahrenintoleranter, d.h. sie erwarten, dass »der Staat« oder »die Gesellschaft« die Gefahren, die sie bedrohen, eliminieren bzw. minimieren und bei Eintreten der Krise diese für sie lösen. Dieser hohen Erwartungshaltung muss die politisch ver[29]antwortliche Führungskraft gerecht werden. Manche politisch verantwortlichen Führungskräfte steigern diese Erwartung noch im Vorfeld, indem sie Risiken negieren bzw. kleinreden. Aus dieser Erwartungshaltung entsteht eine erhebliche Ungeduld, wenn lebenswichtige Services (Trinkwasser, Strom, Internet, …) nicht mehr angeboten werden. Oft schon während der Krise, aber fast immer danach, geraten die politisch verantwortlichen Führungskräfte unter erheblichen Druck aufgrund (entsprechend dem Thomas Theorem auch bei vermeintlicher) »Sünden« der Vergangenheit. Sollte die politisch verantwortliche Führungskraft diese Sünden nicht eingestehen, stehen die Chancen nicht schlecht, dass die politische Krisenbewältigung nicht endet.
|
Die Aufgaben der Führungskraft: Sie müssen sich selber führen. Sie müssen Ziele erreichen. Sie müssen flexibel bleiben. Sie müssen andere zu großartigen Leistungen inspirieren. |
Für eine gute Entscheidungsfindung ist es maßgebend, dass Entscheidungsbefugnis, Expertise und Informationen an einem Ort zusammenkommen. Dies kann bei den heutigen komplexen, hochdynamischen Lagen durch eine konsequente Delegation – dem Führen mit Auftrag – erreicht werden. Somit ist eine Hauptaufgabe für Sie als politisch verantwortlichen Führungskraft, die Expertinnen mit der notwendigen Expertise zu finden und ihnen die Möglichkeit zu verschaffen, ihre Expertise einzubringen. Sie müssen während der Krise Krisenteambuilding betreiben. Und Sie müssen das notwendige Wissen ausfindig und es »prozessfähig« machen. Dabei müssen Sie davon ausgehen, dass Sie zum Finden der »besten« Option nicht genügend Zeit zur Verfügung haben. Ausgangspunkt all Ihrer Überlegungen muss sein, was Sie wissen, nicht was Sie oder Ihre Berater glauben.
Veränderung der Führung im 21. Jahrhundert
In den letzten Jahren praktizieren mehr und mehr Führungskräfte einen neuen Führungsstil, der über den kooperativen Führungsstil hinausgeht. Sie akzeptieren, dass sich die Rahmenbedingungen deutlich verändert haben:
Sie haben es heute mit informierten und selbstbewussten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu tun. Die hierarchische Distanz zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern ist in den letzten Jahrzehnten kleiner geworden.
[30]Die Komplexität von Krisen erfordert eine intelligente Entscheidungspraxis, die auch auf Intuition beruht.
Wenn Sie auch einen neuen Führungsstil nutzen möchten, sollten Sie folgende Empfehlungen von Leipprand et al. beherzigen:
Sammeln Sie zukunftsrelevante Informationen und leiten Sie daraus Szenarien ab.
Hinterfragen Sie ständig Ihre eigenen Annahmen.
Vernetzen Sie sich über Sektorengrenzen hinweg: »In Krisen Köpfe kennen!«
Setzen Sie in ihrem direkten Umfeld auf Diversität und suchen Sie bewusst nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die über unterschiedliche Hintergründe, fachliche Ausbildungen