Energiewende?. François Vuille
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Auch Deutschland und Belgien haben sich zu einem Atomausstieg entschlossen. Spanien hat ihn ins Auge gefasst. Italien und Schweden haben sich ebenfalls für einen Ausstieg entschieden, auch wenn diese Frage weiterhin diskutiert wird. Die gegenwärtige französische Regierung strebt an, ihren Atomstromanteil von 75 auf 50 Prozent zu reduzieren.
Die derzeitige Energiewende ist weder die erste noch die letzte der Geschichte. Nach der Beherrschung des Feuers vor circa 400 000 Jahren sind die Menschen zu den traditionellen erneuerbaren Energien (Wind- und Wassermühlen), später zu Erdöl und Kohle und dann in den 1960er-Jahren zur Kernenergie übergegangen. Heute scheint das derzeitige Energiesystem seine Grenzen erreicht zu haben.
Die Schweiz verbraucht jährlich fast 250 TWh Endenergie, davon 24 Prozent in Form von Strom. Ein Drittel dieser Endenergie wird für den Verkehr verwendet, ein Drittel verbrauchen die Haushalte und das letzte Drittel wird vom Industrie - und Dienstleistungssektor benötigt.
Die Endenergie beziehungsweise «verteilte» Energie ist jene, die man kauft (Benzin, Heizöl, Erdgas, Holzpellets, Strom usw.). Damit sie den Verbraucherinnen und Verbrauchern zur Verfügung gestellt werden kann, müssen zuerst die Primärenergiequellen (Rohöl, Kohle, Erdgas, Uranerz, Holz, Wasserkraft, Sonneneinstrahlung, Windenergie usw.) genutzt und in Endenergie umgewandelt werden, die anschliessend zum Nutzer gebracht werden muss. Für die Schweiz verursachen diese zwei letzten Etappen Verluste von 75 TWh pro Jahr.
Unser Energiebedarf verteilt sich relativ gleichmässig zwischen den Haushalten, dem Industrie- und Dienstleistungssektor und dem Verkehr [→ siehe nebenstehende Abb.]. Der Grossteil des Verbrauchs der Haushalte (70 Prozent) dient zur Beheizung der Gebäude und zur Erzeugung von Brauchwarmwasser.
Unser Endenergieverbrauch ist tendenziell ansteigend: +5 Prozent zwischen 2000 und 2013. Der grösste Anteil an diesem Zuwachs ist auf die Haushalte zurückzuführen, trotz Verbesserungen in der Wärmedämmung und effizienteren Heizungen.
Legende der Abbildung
Unser Energiebedarf verteilt sich zu etwa gleich grossen Teilen zwischen den Haushalten, dem Industrie- und Dienstleistungssektor sowie dem Verkehr. Die Haushalte verbrauchen durchschnittlich fast 70 TWh Endenergie pro Jahr, wovon mehr als 70 Prozent zur Beheizung der Gebäude und zur Erzeugung von Brauchwarmwasser verwendet werden. Der Rest dient der Nutzung von Haushaltsgeräten, elektronischen Geräten sowie der Beleuchtung. Trotz ihrer grossen Anzahl repräsentieren all diese Geräte zusammen nur 14 Prozent des Gesamtstromverbrauchs [→ F 7], das sind 3,3 Prozent des Schweizer Endenergieverbrauchs.
Wir verbrauchen immer mehr Storm, weil dieser unersetzlich für die Beleuchtung und für den Betrieb elektrischer und elektronischer Geräte ist, welche wir immer mehr nutzen. Aber auch weil die Elektromobilität und die Pumpspeicherung sich entwickeln.
Zwischen 2000 und 2013 ist der Endenergieverbrauch in der Schweiz um 5 Prozent gestiegen, während der Stromverbrauch um 13 Prozent in die Höhe geschnellt ist. Der Stromanteil in unserem Energieverbrauch steigt langsam aber sicher immer weiter an: Im Jahr 2013 lag er bei 24 Prozent, während er 1990 noch bei nur 20 Prozent lag. Diese Entwicklung begann in den 1970er-Jahren als Folge der Ölkrisen von 1973 und 1979 und seit dem Jahr 2000 haben alle Verwendungsarten von Strom zugenommen.
Prozentuell gesehen war der grösste Anstieg bei den elektronischen Geräten zu verzeichnen (+16 Prozent), obwohl ihr Verbrauch in absoluten Zahlen marginal bleibt (weniger als 4 Prozent unseres Gesamtstromverbrauchs).
In verschiedensten Bereichen unseres Alltags schreitet die Elektrifizierung nach und nach fort und dieser Trend wird sich in den kommenden Jahrzehnten wahrscheinlich fortsetzen. Der Stromanteil im Energiemix könnte – darin sind sich alle Szenarien einig – im Jahr 2035 an die 30 Prozent erreichen und sich im Jahr 2050 40 Prozent nähern [siehe nebenstehende Abb.]. Der starke Anstieg wird auf die Elektromobilität [→ F 35] und auf die Pumpspeicherung zur Stromspeicherung [→ F 73] zurückzuführen sein. Dadurch wird der Ausstieg aus der Kernkraft zu einer noch grösseren Herausforderung.
Wenn keine Massnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz ergriffen werden, steigt der Energieverbrauch mit dem Wachstum der Bevölkerung und des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Das Bevölkerungswachstum generiert einen allgemeinen Anstieg des Energieverbrauchs. Will man den Energieverbrauch in Zeiten des Bevölkerungswachstums zügeln, so gibt es nur eine Lösung: die Senkung des Pro-Kopf-Verbrauchs mithilfe von Effizienzmassnahmen.
Energie ist ein Produktionsfaktor und korreliert mit dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) [→ siehe nebenstehende Abb.]. Der Energieverbrauch eines Landes dividiert durch sein BIP wird als «Energieintensität» bezeichnet.
Wenn wir unseren Energieverbrauch ohne Wohlstandsverlust senken wollen, müssen wir also unsere Energieintensität deutlich reduzieren, indem wir Massnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz ergreifen, d. h. mit weniger Energie mehr produzieren [→ F 44]. In den letzten 20 Jahren ist es der Schweiz bereits gelungen, ihre Energieintensität um 20 Prozent zu senken: Das BIP ist pro Kopf um 50 Prozent gestiegen, während der Energieverbrauch pro Kopf leicht zurückgegangen ist [→ siehe nebenstehende Abb.]. Es ist aber schwer bestimmbar, ob beziehungsweise in welchem Ausmass dieser Rückgang auf wirkliche Effizienzbemühungen in der Schweiz zurückzuführen ist, oder ob es vielmehr ein Phänomen der Tertiarisierung war: Unsere Wirtschaft konzentriert sich immer mehr auf den Dienstleistungsbereich. In der Konsequenz importieren wir immer mehr Güter, die zuvor noch in der Schweiz erzeugt wurden und deren Produktion nun im Ausland grosse Mengen an Energie verbraucht.
Realistischerweise können wir eine Verbesserung unserer Energieintensität um jährlich 1,8 Prozent ins Auge fassen, was einem Rückgang von circa 35 Prozent bis 2035 bei konstantem BIP entspricht. Diese Entwicklung ermöglicht es langfristig, unseren Energieverbrauch – bei gleichzeitiger Entwicklung unserer Wirtschaft – zu reduzieren. Gewisse Massnahmen – wie zum Beispiel die Gebäudesanierung – ermöglichen im Übrigen einen Anstieg des BIP bei gleichzeitiger Senkung unseres Energieverbrauchs.
In der Schweiz steigt der Endenergieverbrauch seit 1990 aufgrund des Bevölkerungswachstums und der Wirtschaft um durchschnittlich 0,5 Prozent pro Jahr an. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch hingegen sinkt tendenziell.
Aufgrund verschiedener Energieeffizienzmassnahmen ist der Energieverbrauch pro Person seit Anfang der 1990er-Jahre um fast 6 Prozent zurückgegangen [→ F 8]. Auf nationaler Ebene entspricht das fast 20 TWh eingesparter Energie in ungefähr zwanzig Jahren. Die Schweizer Bevölkerung ist aber um fast 20 Prozent auf circa 8 Millionen Menschen angewachsen. Unser Nettoverbrauch ist in diesem Zeitraum trotz der Energieeffizienzmassnahmen schlussendlich um 10 Prozent gestiegen.
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