Fit und fair im Netz. Felix Rauh

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Fit und fair im Netz - Felix Rauh

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Nutzer ersetzt es die Agenda, den Stadtplan, den Ticketautomaten, den Walkman, den Wecker, das Diktiergerät und das Lexikon. Es ist Fernseher, Gamekonsole, Geldbörse, Foto- und Videokamera. Das Smartphone erleichtert Scheuen die Kommunikation, weist Orientierungsschwachen den Weg, bietet Gelangweilten Unterhaltung oder Nervenkitzel. Das potente Gerät mit seinen vielfältigen Möglichkeiten fesselt unsere Aufmerksamkeit und ist für viele zur Verlängerung des eigenen Ichs geworden. Homo sapiens und Smartphone verhalten sich symbiotisch. Die kleinen Alleskönner generieren Bedürfnisse, stillen Bedürfnisse und beeinflussen unser Sozialleben. Das Leben mit Smartphones kann sehr stressig sein, weil man damit jederzeit erreichbar ist, ständig über etwas informiert und vom Hier und Jetzt weggelenkt wird.

      Der digitale Wandel hat das soziale Miteinander grundlegend verändert, das Smartphone erlaubt uns Kommunikation unabhängig von Ort und Zeit. Wenn wir mit bestimmten Menschen an einem bestimmten Ort sind, können wir gleichzeitig auch mit Abwesenden kommunizieren. Seit das Smartphone immer dabei ist, sind wir nie ausschließlich da, wo wir sind. Es stellt sich die Frage, inwiefern es uns noch gelingt, uns auf das physisch präsente Gegenüber einzulassen oder ob wir – sobald das Smartphone vibriert – gedanklich woanders sind.

      Mit dem Smartphone und seinen Social-Media-Applikationen informieren wir einander darüber, was wir tun, wie wir uns fühlen, was uns gefällt. Das Smartphone verspricht uns, nichts zu verpassen. Wir erhalten einen bisher nicht möglichen Einblick in die Aktivitäten anderer Menschen und reagieren darauf selten differenziert, sondern vorwiegend bestätigend. Bereichert uns diese permanente Vergleichbarkeit, oder lässt sie das eigene Leben fahler wirken? Trägt das Smartphone zur Zusammengehörigkeit bei, oder lassen wir uns diese Nähe – mitbeeinflusst von Oberflächlichkeit und Unverbindlichkeit – mitunter nur vorgaukeln?

      Noch zur Jahrtausendwende hatten wir im Alltag eine Grunddosis an Pausen. Etwa, wenn wir an der Haltestelle auf den Bus oder am Treffpunkt auf Freunde warteten. Diese Mikropausen erlaubten es, in uns hineinzuhören, runterzukommen und Gedanken schweifen zu lassen. Heute sind wir nicht mehr meistens offline oder nur ab und zu gezielt, sondern immer und überall online. Die Wolke Internet ist stets um uns herum. Seit wir überall und jederzeit reflexartig unsere Smartphones zücken und unsere ständig hungriger werdenden Hirne mit Informationsschnipseln füttern, sind Pausen rar geworden. Wir haben stattdessen den Eindruck, dass immer weniger Zeit fürs Hier und Jetzt bleibt. Wir fühlen uns rastlos und erleben die Gegenwart kaum mehr unmittelbar. Das Smartphone erlaubt uns, jedes Gefühl von Langeweile reflexartig zu überbrücken und sofort wegzuklicken. Das ist verführerisch, doch verlernen wir damit gleichzeitig auch das Warten und die Fähigkeit, geduldig zu sein.

      Insbesondere Kinder brauchen aber Phasen der Langeweile. Solche Zeiten sind nötig, um sich selbst motivieren zu lernen, und ermöglichen Kreativität. Wenn alles vorgegeben ist, wenn Anregung und Unterhaltung mit einem Klick sofort verfügbar ist, fehlt der Raum, den man selbst füllen darf, kann und muss. Geduld ist eine wichtige Grundlage für die Herausbildung von manuellen oder technischen Fertigkeiten, ebenso für die Entwicklung von Ideenreichtum.

      Wenn wir Momenten des Müßiggangs einen Wert beimessen wollen, sollten wir dann nicht zeitweise bewusst auf die digitale Berieselung verzichten? Können oder wollen wir es uns leisten, vorübergehend nicht erreichbar zu sein? Wird einst, wie uns die Zukunftsforschung prognostiziert, als fremdbestimmt oder gar charakterschwach gelten, wer in jeder freien Minute auf sein Smartphone starrt?[2]

      Welche Rituale ermöglichen uns, bewusst offline zu gehen und zu bleiben? Es gibt verschiedene Angebote, wie etwa den technikfreien Zufluchtsort der Stille im Zehnten Arrondissement, mitten in Paris[3]. Am Eingang wird das Smartphone in einen Spind geschlossen. Der anschließende Rundgang durch fünf Räume verspricht absolute Ruhe und Entschleunigung. Dies soll Reflexion ermöglichen und helfen, die Angst davor zu verlieren, dass man für andere nicht erreichbar ist. Wer zu einer gesunden Balance zurückfinden möchte, kann sich auch zu einem Digital Detox Retreat anmelden, einer mehrtägigen Technikkarenz in der Natur. Wer sich zu Hause vom Stress der dauernden Vernetzung erholen möchte, kann eine Auszeit-App[4] installieren und damit für bestimmte Zeiträume Kontakte und Kommunikationskanäle gezielt einschränken. Während man sich digital ausklinkt und den Fokus auf die wesentlichen Dinge lenkt, vertröstet die App Anrufende mit einer Mitteilung. Sich digital entschlacken kann auch, wer sein Smartphone gegen ein einfaches Gerät eintauscht, dessen Funktionsumfang sich aufs Telefonieren und Simsen beschränkt.[5] Es geht auch weniger radikal. Hier eine Liste von Empfehlungen, wie Sie der zunehmenden Fremdbestimmung durch das Smartphone einfach und ohne finanziellen Aufwand entgegenwirken können:

      Richten Sie im Eingangsbereich Ihrer Wohnung einen Handyparkplatz ein, der gleichzeitig auch Ladestation ist. So nehmen Sie körperlich Distanz vom Gerät, verbannen es vom Esstisch und aus dem Schlafzimmer.

      Lassen Sie sich morgens wieder von einem klassischen Wecker aus dem Schlaf holen. So vermeiden Sie es, vor dem Einschlafen als Letztes und nach dem Aufwachen als Erstes die neusten Mitteilungen oder Informationen abzurufen.

      Unterstützen Sie gutes Einschlafen, indem Sie das Gerät eine Stunde vor dem Zubettgehen beim Handyparkplatz aufladen. So verzögern die Blaulichtanteile des Bildschirms nicht die Ausschüttung des schlafanstoßenden Hormons Melatonin.

      Verordnen Sie sich selber eine digitale Diät, dosieren Sie ihre Erreichbarkeit. Definieren Sie handyfreie Zeiten, beispielsweise während gemeinsamen Mahlzeiten. Lassen Sie das Handy im Auto oder in der Handtasche, wenn Sie sich mit jemandem zum Mittagessen oder Nachtessen treffen. Gönnen Sie sich das kleine Abenteuer eines handyfreien Tages (wenn Sie Ihre nächsten Angehörigen im Voraus darüber informieren, wird sich niemand Sorgen machen müssen).

      Legen Sie sich wieder eine Armbanduhr ums Handgelenk. Sie werden Ihr Smartphone weniger oft zücken. Wer sich per Smartphone über die aktuelle Uhrzeit informiert, bleibt oft unfreiwillig noch bei den neusten Nachrichten hängen.

      Schalten Sie den Signalton für eintreffende Nachrichten aus oder stellen Sie das Gerät standardmäßig auf lautlos.

      Beschränken Sie das Lesen von E-Mails und digitalen Kurznachrichten auf einmal pro Stunde. Oder nutzen Sie die Möglichkeit automatischer Antwortfunktionen, beispielsweise: »Danke für Ihre Nachricht. Ich beantworte meine E-Mails einmal täglich, und zwar immer vor 10 Uhr morgens. Ich werde mich bei Ihnen melden.« Das entschleunigt, schließt aber die Möglichkeit nicht aus, tatsächlich Dringendes und wirklich Wichtiges ausnahmsweise in kürzeren Intervallen zu beantworten. Dadurch reduzieren Sie Unterbrechungen und können sich konzentrierter Arbeit oder entspannter Freizeit widmen.

      Die Sicht auf die Vorteile und Gefahren des Smartphones und dessen Omnipräsenz mögen individuell sein. Gedanken und Fragen wie die oben stehenden können zu verschiedenen Schlüssen und Antworten führen. Doch erst indem wir Erwachsenen den Umgang mit Smartphone und Social Media überhaupt reflektieren, können wir zu bewussten Nutzerinnen und Nutzern und damit zu guten Vorbildern werden.

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      DIE EINEN HEULEN RUM, ANDERE SPUCKEN GIFT UND GALLE, SIE IST BLIND VOR LIEBE, ALLE SIND WIR ÜBERFORDERT: WILLKOMMEN IM DIGITALEN LEBEN!

      David Bauer, Autor

      Viele Jugendliche wünschen sich ein Smartphone, weil sie damit schnell, einfach, ortsunabhängig und praktisch kostenlos mit ihren Freundinnen und Freunden Kontakt pflegen können. Besonders beliebt sind Chatgruppen. In diesen plaudern, planen, lachen, klagen, lernen und verabreden sie sich. Chats sind für Jugendliche eine selbstverständliche Verbindung zu ihrer Gleichaltrigengruppe, sie stillen das entwicklungsbedingt starke Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Die kurzen Nachrichten und Statusupdates wirken einzeln vielleicht banal und unbedeutend, in ihrer Aneinanderreihung zeigen sie aber, was läuft, was beschäftigt und wie es Freundinnen

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