Verantwortungsvoll führen in einer komplexen Welt. Mark Lambertz

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Verantwortungsvoll führen in einer komplexen Welt - Mark Lambertz

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sind ethisch verantwortungsvolle Aussagen, allerdings bisher nur Absichtserklärungen. In ihrem Buch «Surveillance Capitalism» äußert sich Soshana ZUBOFF (2019) dazu sehr kritisch. Sie sieht in der gegenwärtigen Entwicklung eine schrittweise Modifikation menschlichen Verhaltens mit dem Ziel einer vollständigen Manipulation, nicht zuletzt durch Maschinen. Sie illustriert dies anhand der oben zitierten Unternehmen Google und Microsoft sowie anhand von Facebook. Diese Unternehmen würden jegliche Freiheiten verlangen, um neue Technologien frei von Regulierungen zu lancieren. Und wenn der Erfolg sich eingestellt hat, werden sie den Wissensvorsprung verwenden, um ihre Freiheiten zu verteidigen. Sie sagt: «Überwachungskapitalisten wissen zu viel, als dass sie sich für Freiheit qualifizieren» (ZUBOFF, 498). Die Zukunft wird weisen, ob die Aussagen der Führungsspitzen von Google und Microsoft oder die Bedenken von ZUBOFF Realität werden. Es ist aber für reflektierende Praktiker in jedem Fall unumgänglich, dem Prinzip des Menschen im Zentrum Geltung zu verschaffen. [39]

      Für das Denken und Handeln der reflektierenden Praktiker bedeuten diese Erkenntnisse Folgendes:

      — Denke und handle nicht in Kategorien wie «Mensch gegen Maschine», sondern konzentriere dich darauf, menschliche Talente wie Kreativität, Empathie, Gefühl, Körperlichkeit und Einsicht mit der Künstlichen Intelligenz zu verbinden!

      — Vermeide jeglichen Schaden – befolge den «Hippokratischen Eid» bei der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz!

      — Ermögliche deinen Mitarbeitenden ein permanentes Lernen und Weiterentwickeln!

      — Gib eigenen Mitarbeitenden bei der Besetzung neuer Stellen Priorität vor externen Spezialisten.

      — Behalte die Entwicklungen des «Überwachungskapitalismus» mit kritischem Geist im Auge.

      Denkmuster 5: Die ganzheitliche Erfolgsmessung

      Woran orientieren sich Unternehmen heute, wenn sie ihren Erfolg beurteilen oder messen? Unter dem Einfluss der einschlägigen Managementliteratur und der Anleitung durch führende Beratungsunternehmen haben sich in den letzten Jahrzehnten grundlegende strategische Konzepte durchgesetzt, die von der Unternehmenspraxis bereitwillig aufgenommen worden sind. Diese Konzepte stammen – wie ihre Bezeichnung verrät – vorwiegend aus dem angelsächsischen Bereich.

      Die folgende Abb. 1.9 ordnet die wichtigsten Konzepte auf der Zeitachse und in ihrer Positionierung im Spannungsfeld von Profit und Gemeinwohl ein. Diese Konzepte sind untrennbar mit den Namen ihrer Promotoren verbunden, was im weiteren Verlauf des Buches zu illustrieren sein wird.

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      Bereits in den 1970er-Jahren wurde die Thematik der Wertschöpfung von Unternehmen ganzheitlich aufgenommen, und es wurden darauf aufbauend umfassende Theorien und Modelle entwickelt. Ab Beginn der 1980er-Jahre schlossen sich dann in rascher Folge Konzepte an, die sich auf einen einzelnen Aspekt der Unternehmensführung fokussierten. Dies oszillierend im Spannungsfeld von Profit und Gemeinwohl. Zu Beginn stand der «Customer Value» im Mittelpunkt, mit der Kundenzufriedenheit als Kompass unternehmerischen Handelns. Nachdem das Management weitestgehend die Deutungshoheit über die Ziele der Unternehmensführung übernommen hatte, kam die Gegenbewegung in Form des «Shareholder Value»-Konzeptes. Dieses kann vereinfacht als eine dynamische Investitionsrechnung angewandt auf ein ganzes Unternehmen charakterisiert werden. Es hatte aber viel weitreichendere Wirkungen, indem die finanziell-ökonomischen Aspekte der Unternehmensführung plötzlich erste Priorität erhielten. Dem stemmte sich das «Stakeholder Value»-Konzept entgegen, indem es die legitimen Interessen anderer Anspruchsgruppen thematisierte. Dieses Konzept erwies sich angesichts der vielen (teilweise auch selbsternannten) Stakeholders als zu kompliziert, als dass es die erwünschte politisch-soziale Wirkung hätte voll entfalten können. Mit dem Konzept der «Corporate Social Responsibility» wurde eine leichter umsetzbare Lösung gefunden, allerdings bewirkte diese nicht die angestrebte Neuausrichtung des unternehmerischen Kerngeschäfts, sondern erzeugte lediglich flankierende Maßnahmen. Das Konzept des «Shared Value» schließlich schlägt vor, das Unternehmen gemeinsam mit den von den Geschäftsaktivitäten unmittelbar Betroffenen weiter zu entwickeln. Der Erfolg dieser Bemühungen lässt sich noch nicht endgültig abschätzen. Mit dem Konzept des «Public Value» – der dem Gemeinwohl verpflichteten Wertschöpfung – kehrte die Erfolgsmessung von Unternehmen wieder an ihre Wurzeln zurück. Die ganzheitlichen Ansätze der 1970er-Jahre werden zeitgemäß aufgearbeitet, und die gesellschaftliche Funktion der Unternehmensführung rückt in den Mittelpunkt. Und auch der Customer Value erlebt im digitalen Zeitalter eine eindrucksvolle Wiederkehr, wie im 4. Kapitel zu zeigen sein wird.

      Jedes dieser Konzepte hat sein eigenes Messinstrumentarium entwickelt. Wenn also von Erfolgsmessung gesprochen wird, so muss die jeweilige Perspektive spezifiziert werden. Kommt der Shareholder Value-Ansatz zum Zug, dann sind ganz andere Messgrößen im Spiel, als wenn die Perspektive der Corporate Social Responsibility eingenommen wird. Dies wird in den Kapiteln 3 und 4 ausführlich begründet und illustriert. Entscheidend ist dabei, dass keine Messgröße Anspruch auf absolute Priorität beanspruchen kann, wie dies beispielsweise mit dem Shareholder Value in den 1990er-Jahren der Fall war. In jeder Situation ist aufzuzeigen und zu begründen, welche Erfolgsmessung im Interesse der nachhaltigen Entwicklung des Unternehmens ist. Der Public Value – Ansatz versucht diesen Prozess zu strukturieren und so eine ganzheitliche Sicht sicherzustellen. [41]

      Mit dem Public Value-Konzept kehrt die unternehmerische Erfolgsmessung wieder an ihre Wurzeln zurück, zur Wertschöpfung für die Gesellschaft.

      Das Public-Value-Konzept wird im Mittelpunkt der Ausführungen des 3. Kapitels zum sinnstiftenden Wertbeitrag des Unternehmens stehen. Mit der praktischen Umsetzung dieses Konzeptes in Form der Public Value Scorecard werden die Anliegen der verschiedenen Ansätze der Erfolgsmessung aufgenommen. Bisher fehlte eine übergreifende und integrierende Sichtweise der Wertschöpfung für die Gesellschaft und damit letztlich für den einzelnen Menschen. Das Konzept des «Public Value» stellt dieses Denkmuster bereit und gibt damit dem schwer fassbaren Begriff des Gemeinwohls ein Gesicht.

      «Immer dann, wenn Menschen ihre Werte und Bedürfnisse im gesellschaftlichen Umfeld verwirklicht sehen, wird das Gemeinwohl gestärkt. Unternehmen leisten dazu ihren Beitrag, indem sie in den Augen der Bevölkerung im Kerngeschäft erstklassige Arbeit leisten, zur Lebensqualität beitragen, den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken und sich anständig verhalten. Gemeinwohl wird so fassbar, aber steuern lässt es sich nicht, weder durch staatliche Eingriffe noch durch privatwirtschaftliche Initiativen – dies im Einklang mit der liberalen Weltsicht. Es ist der Preis der Freiheit, darauf zu setzen, dass Unternehmen im eigenen Interesse ihre Geschäftsmodelle gemeinwohlverträglich ausrichten. Nur so können sie dauerhaft am Markt bestehen, die besten Talente halten und letztlich auch ihre Anteilseigner überzeugen» (GOMEZ, MEYNHARDT, 2018). Ähnlich argumentiert auch Colin MAYER in seinem Buch «Prosperity» (MAYER, 2018).

      Für das Denken und Handeln der reflektierenden Praktiker bedeuten diese Erkenntnisse Folgendes:

      — Sei vertraut mit den Konzepten des Customer Value, des Shareholder Value, des Stakeholder Value und des Shared Value – denn sie sind je einzeln unerlässlich für eine gute Unternehmensführung!

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