Weiterbildung an Hochschulen. Tobias Zimmermann

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Weiterbildung an Hochschulen - Tobias Zimmermann

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      Bis vor 20 Jahren wurde klar zwischen Erwachsenenbildung, Fortbildung und Weiterbildung unterschieden. Als sich in den 1990er-Jahren das Paradigma des lebenslangen Lernens durchzusetzen begann (vgl. Kraus 2001), wurde die Unterscheidung dieser Begriffe zunehmend unscharf (s. unten Abschnitt »Was ist lebenslanges Lernen?«). So ersetzte beispielsweise die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) den Begriff Lehrerfortbildung durch den Begriff Lehrerweiterbildung. Die Schweizerische Vereinigung für Erwachsenenbildung (SVEB) wurde 2001 zum Schweizerischen Verband für Weiterbildung, behielt mit der Abkürzung SVEB aber die Erinnerung an den Begriff Erwachsenenbildung bei. Eine Folge dieser Entwicklung ist, dass die Begriffe Erwachsenenbildung und Weiterbildung in der Schweiz inzwischen als synonym gelten. Wichtig geworden ist dafür die Unterscheidung zwischen der formalen Bildung, der nicht-formalen Bildung und dem informellen Lernen (vgl. Kasten).

      Lernformen: formal, nicht-formal, informell

      »Im Zusammenhang mit lebenslangem Lernen (lifelong learning) hat sich die Unterscheidung von drei Lernformen eingebürgert (UNESCO, OECD und Eurostat):

      1.Die formale Bildung umfasst alle Bildungsgänge der obligatorischen Schule, der Sekundarstufe II [berufliche Grundbildung oder allgemeinbildende Schulen] und der Tertiärstufe [höhere Berufsbildung, Hochschulabschlüsse oder Doktorate].

      2.Die nicht-formale Bildung umfasst die Lernaktivitäten im Rahmen einer Schüler-Lehrer-Beziehung außerhalb des formalen Bildungssystems. [Dazu gehören beispielsweise Kurse, Konferenzen, Seminare oder Privatunterricht.]

      3.Das informelle Lernen umfasst Aktivitäten, die explizit einem Lernziel dienen, aber außerhalb einer Lernbeziehung stattfinden. [Dabei handelt es sich beispielsweise um das Lesen von Fachliteratur oder das Lernen von anderen Personen am Arbeitsplatz.]

      Ist von Weiterbildung die Rede, sind in der Regel nicht-formale Bildungsaktivitäten gemeint. […]«

      Quelle: BFS (2016)

      Heute wird Weiterbildung im deutschsprachigen Raum in der Regel als non-formale Bildung bezeichnet. Durchgesetzt wurde diese Definition auf internationalen Druck von Organisationen wie der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und der UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur). Inzwischen ist die Unterscheidung zwischen formaler und non-formaler Bildung und informellem Lernen in ganz Europa üblich, wobei die Begriffe nicht überall dasselbe bedeuten. So gehören beispielsweise Grundkompetenzen in manchen Ländern zum formalen System, in anderen (wie der Schweiz) aber zum non-formalen. Unterschiede bestehen bei empirischen Daten und Teilnahmequoten auch auf methodologischer Ebene. So erfassen die statistischen Ämter non-formale Bildung unterschiedlich breit und beziehen beim Berechnen der Weiterbildungsquoten teilweise auch das informelle Lernen ein. Aus diesem Grund sind Ländervergleiche trotz relativ einheitlicher Terminologie mit Vorsicht zu interpretieren; das gilt auch für die im internationalen Vergleich sehr hohe Weiterbildungsquote in der Schweiz.

      Das Bundesamt für Statistik erfasst die Teilnehmerstatistik (Mikrozensus Aus- und Weiterbildung [MZB]) mit diesen Begriffen, um den internationalen Anforderungen der EU-Statistik (Eurostat) zu entsprechen und die Vergleichbarkeit der Daten zu gewährleisten. Am Beispiel der Statistik und der Terminologie wird deutlich, wie stark die Entwicklung der Weiterbildung in der Schweiz von internationalen Faktoren beeinflusst wird. Weiterbildung lässt sich nicht mehr nur auf nationaler Ebene definieren. Bei den Schwerpunkten und der Ausrichtung der Weiterbildung in der Praxis bleiben die länderspezifischen Eigenheiten aber bestehen.

      Die internationale Definition von Weiterbildung hat ihre Spuren auch auf Gesetzesebene hinterlassen. Das Bundesgesetz über die Weiterbildung (WeBiG), das seit 1. Januar 2017 in Kraft ist, definiert Weiterbildung trotz dezidierten Widerstands aus der Weiterbildungsszene offiziell als nicht-formale Bildung (WeBiG Art. 3): »Weiterbildung ist strukturierte Bildung außerhalb der formalen Bildung (nicht-formale Bildung).« Der Weiterbildung steht jetzt die formale Bildung gegenüber, die staatlich geregelt ist und zu entsprechenden Abschlüssen führt. Als »strukturiert« gilt Bildung namentlich, wenn sie in organisierten Kursen, mithilfe von Lernprogrammen und in einer definierten Lehr-Lern-Beziehung erfolgt; zur strukturierten Bildung gehören neben Kursen auch Angebote wie Tagungen, Kongresse und Workshops.

      Die Weiterbildung ist ein äußerst heterogenes Feld ohne klare Konturen, in dem sich zahlreiche unterschiedliche Akteure bewegen. Die Angebote reichen von Kursen im Lesen und Schreiben für Erwachsene über Computer- und Sprachkurse bis hin zu Managementkursen und hoch spezialisierten Kursen für Akademikerinnen und Akademiker. Alle diese Angebote – einschließlich des gesamten Weiterbildungsangebots der Hochschulen – gehören seit der Einführung des Weiterbildungsgesetzes zur non-formalen Bildung.

      Im Gegensatz dazu umfasst der formale Bereich Bildungsgänge der obligatorischen Schule, der Sekundarstufe II (Berufsfachschule und Gymnasium) und der Tertiärstufe (höhere Berufsbildung, Hochschulabschlüsse).

      Das informelle Lernen bezieht sich auf den Erwerb von Kompetenzen außerhalb strukturierter Bildung. Informelles Lernen spielt im Alltag eine wichtige Rolle. Erwachsene lernen täglich neue Dinge dazu, sei dies in der Familie, im Austausch mit Kollegen am Arbeitsplatz, bei Freizeitaktivitäten und bei der Freiwilligenarbeit oder mithilfe von Büchern, Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), Social Media und anderen technischen Hilfsmitteln. Das informelle Lernen ist ein entscheidender Bestandteil der Weiterbildung und des lebenslangen Lernens aller Altersgruppen.

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      Abbildung 1: Lebenslanges Lernen (eigene Darstellung)

      Was ist lebenslanges Lernen?

      Der bereits mehrfach erwähnte Begriff des lebenslangen Lernens hat zwei wichtige Besonderheiten, die das Lernen Erwachsener in ein neues Licht rücken: Erstens wird die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Lebensphasen fallen gelassen – das lebenslange Lernen umfasst die gesamte Lebensspanne einer Person. Damit rückt der Mensch stärker in den Fokus als strukturelle oder bildungssystematische Aspekte. Wer die Perspektive des lebenslangen Lernens einnimmt, fragt mehr nach dem Lernprozess und nach lebensweltlichen Bezügen als danach, in welchen Strukturen das Lernen stattfindet. Aus dieser Optik ist es irrelevant, ob das Lernen als formale Ausbildung, als non-formale Weiterbildung oder als informelles Lernen deklariert wird.

      Wichtig wird demgegenüber zweitens die Erkenntnis, dass fast alles, was lernbar ist, in jedem beliebigen Alter gelernt werden kann und dass Lernprozesse einen Bezug zum Leben des Lernenden haben – beziehungsweise haben sollten, denn persönlich Bedeutsames wird in allen Lebensaltern und auf allen Lernstufen besser gelernt. Das gilt für Sprachen und für neue Informations- und Kommunikationstechnologien genauso wie für Persönlichkeitsbildung, handwerkliche und intellektuelle Kompetenzen oder für die Aneignung von neuem Wissen.

      Dieser Logik folgen die UNO und die UNESCO denn auch in ihren Millenniums-Entwicklungszielen (Millennium Development Goals [MDG]) und in den Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals [SDG]) sowie in der aktuellen Agenda Bildung 2030, die auch diese Entwicklungsziele umfasst (vgl. Deutsche UNESCO-Kommission et al. 2016). In deren Zentrum stehen Inklusion und Chancengleichheit sowie der Zugang zu qualitativ guter Bildung, wobei diese Anliegen konsequent im Ansatz des lebenslangen Lernens für alle verankert sind. Neu sind diese Ziele an sich nicht – die UNESCO engagiert sich seit Langem dafür. Sie werden heute aber deutlich stärker gewichtet und weiter gefasst als früher. Die bisherige Fokussierung auf die schulische Bildung von Kindern wird abgeschwächt, während im Gegenzug sowohl die Bildungsarbeit mit Erwachsenen als auch die frühkindliche Bildung stärker gewichtet und gefördert werden sollen als bisher.

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