Weiterbildung an Hochschulen. Tobias Zimmermann
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Die Weiterbildung hat in der Schweiz ein Marktvolumen von rund 5,4 Milliarden Franken pro Jahr. Rund 85 Prozent der Angebote stammen von privaten Anbietern (vgl. BFS 2014, S. 15). Das gesamte Weiterbildungsangebot ist mit rund 100 000 Kursen und über zwei Millionen Teilnehmenden pro Jahr sehr vielfältig. Dabei kommen die verschiedensten didaktischen Methoden und Formate zum Zug: vom Kurzworkshop über den Fernstudienkurs bis zum modularen mehrsemestrigen Lehrgang und dem virtuellen Seminar oder MOOC (Massive Open Online Course). Zu den Anbietern gehören Weiterbildungsorganisationen, Hochschulen, Organisationen der Arbeitswelt, Betriebe, Berufsfachschulen, Non-Profit-Organisationen, selbstorganisierte Gruppen oder selbstständige Trainer und Trainerinnen mit kleinen Firmen. Dieses heterogene Gebilde ergänzt und erweitert das nationale Bildungssystem (für einen Überblick zur Weiterbildung in der Schweiz vgl. Schläfli & Sgier 2014).
Das Weiterbildungssystem stellt eine Vielzahl von Abschlüssen bereit, von Inhouse-Zertifikaten über Nachdiplomstudien bis zum Verbands- und Branchenzertifikat. Mit Ausnahme des Sprachbereichs gibt es dafür kein Bezugssystem, das übergreifend die Einordnung und einen Niveauvergleich ermöglichen würde. Für den Sprachbereich bietet der Europäische Referenzrahmen (GER) eine Niveaueinteilung sowie einen Orientierungsrahmen für die Einordnung und den internationalen Vergleich der Abschlüsse (vgl. GER o. J.). Im Übrigen fehlt es an Transparenz und an staatlichen Regelungen für die Weiterbildung.
Im Vergleich zum Ausland verzeichnet die Schweiz einen relativ geringen Anteil an Hochschulabsolventinnen und -absolventen (ca. 23 % der erwachsenen Bevölkerung). Die Mehrheit der Jugendlichen absolviert eine Berufslehre, rund 20 Prozent von ihnen bilden sich nach der Lehre weiter. Beliebt sind auch die Abschlüsse der höheren Berufsbildung. Wer über eine Berufsmatura verfügt, hat außerdem Zugang zu den Fachhochschulen.
Gar keinen Abschluss hat in der Schweiz rund jeder Sechste: 12 Prozent der Erwerbsbevölkerung zwischen 24 und 64 Jahren haben nach der obligatorischen Schule keinen weiteren Bildungsabschluss erworben (BFS Bildungsindikatoren), wobei dieser Anteil bei jüngeren und in der Schweiz aufgewachsenen Personen deutlich tiefer liegt.
Mit dem bereits erwähnten neuen Weiterbildungsgesetz hat die Weiterbildung ihren Platz im schweizerischen Bildungssystem erhalten (vgl. SBFI 2016). Wie im Folgenden beschrieben wird, hat sich die Schweiz für ein Rahmengesetz entschieden, das nicht primär ein Finanzierungsgesetz ist, sondern den Weiterbildungsbereich über Spezialgesetze bezüglich Qualität, Professionalisierung, Wettbewerb und Chancengleichheit beeinflussen soll.
Weiterbildungsgesetz (WeBiG)
Das WeBiG stellt einen Versuch dar, die unterschiedlichsten Ausrichtungen und Förderungsweisen der verschiedenen Bundesämter besser zu koordinieren und abzugleichen. Als Rahmengesetz macht das WeBiG vor allem einheitliche Vorgaben zur Förderung der Weiterbildung in den rund 80 Spezialgesetzen, die (wie das Berufsbildungsgesetz) nebenbei Bestimmungen zur Weiterbildung enthalten. In diesem Rahmen investiert der Bund jährlich rund 600 Millionen Franken in die Weiterbildung, etwa die Hälfte für Bildungsmaßnahmen im Bereich der Arbeitslosenversicherung. Die vom WeBiG zusätzlich genannten Fördermaßnahmen werden nur unterstützenden oder ergänzenden Charakter haben und – als Beitrag zur Chancengleichheit – insbesondere:
die Gleichstellung von Frauen und Männern vorantreiben,
den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen Rechnung tragen,
die Integration von Ausländerinnen und Ausländern erleichtern und
den Wiedereinstieg ins Berufsleben fördern.
Konkret können Bund und Kantone zum Beispiel Verfahren der Qualitätssicherung und der Qualitätsentwicklung unterstützen, um bei den Bildungsgängen und Abschlüssen Transparenz zu schaffen. Auch kann das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) Organisationen der Weiterbildung finanziell unterstützen. Diese Dachorganisationen, zu denen auch der SVEB gehört, haben die Aufgabe, über die Weiterbildung zu informieren, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, im Rahmen von Netzwerken die Koordination in der Weiterbildung zu übernehmen und Maßnahmen zur Qualitätssicherung sowie zur Entwicklung der Weiterbildung umzusetzen. Über den Erfolg der Maßnahmen führt das SBFI ein Monitoring durch.
Der Beitrag zur Chancengleichheit besteht in erster Linie in der Förderung der Grundkompetenzen. Bund und Kantone haben auf der Grundlage des WeBiG den Auftrag, Erwachsenen den Erwerb und den Erhalt von Grundkompetenzen zu ermöglichen. Zu diesen zählen im Rahmen des WeBiG Lesen und Schreiben in einer Landessprache, Alltagsmathematik und die Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), nicht aber soziale, politische oder alltagspraktische Fähigkeiten. In der Schweiz haben rund 800 000 Personen Defizite in den Grundkompetenzen, was es ihnen erschwert, sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten und an Gesellschaft und Kultur teilzunehmen (vgl. Notter et al. 2006, S. 9).
Da das WeBiG ein Rahmengesetz ist, gelten seine Grundsätze inklusive des Wettbewerbsartikels auch für die Hochschulen. Die Hochschulen haben sich im Gesetzgebungsprozess erfolgreich dafür eingesetzt, die Umsetzung der Grundsätze des WeBiG in ihrer Zuständigkeit zu behalten (vgl. Art. 2.2 WeBiG). Die Umsetzung und Implementation des WeBiG erfolgt für die Hochschulen deshalb über das Hochschulförderungsgesetz.
Darstellung des Weiterbildungsgesetzes (WeBiG)
Weiterbildung (WB) als nicht-formale Bildung Rahmengesetz WeBiG
Abbildung 2: Das »Gebäude« Weiterbildungsgesetz mit seinen fünf Grundsätzen (eigene Darstellung)
Internationale Entwicklungen
Wie im übrigen Bildungsbereich macht sich auch in der Weiterbildung seit Mitte der 1990er-Jahre eine ausgeprägte Tendenz zur Internationalisierung bemerkbar. Obwohl nicht EU-Mitglied, hat die Schweiz stark von den europäischen Forschungs- und Bildungsprogrammen profitiert. Möglich wurde dies, weil der Bund die schweizerische Bildung aktiv in die wichtigsten internationalen Prozesse, insbesondere in die Bologna-Reform und den Kopenhagen-Prozess, eingebunden hat. Der Kopenhagen-Prozess verfolgt für die Berufsbildung ähnliche Ziele wie der Bologna-Prozess für die Hochschulen. Das Ziel besteht darin, die Vergleichbarkeit, Durchlässigkeit und Transparenz von Qualifikationen und Abschlüssen europaweit sicherzustellen. Neben Transparenz soll dieser Prozess auch die individuelle Mobilität innerhalb der EU fördern. Ein wichtiger Teil des Kopenhagen-Prozesses ist der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) (vgl. Europäische Kommission 2008), auf dessen Basis die einzelnen EU-Länder ihre eigenen nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) (vgl. SBFI o. J.a) definieren. Der EQR ist ein Referenzinstrument, das eine Übersetzungsfunktion zwischen den verschiedenen nationalen Bildungssystemen innehat. Er ist integral angelegt, bezieht sich also auf die allgemeine Bildung, die Berufsbildung und die akademische Bildung. In der Schweiz ist das SBFI für den Kopenhagen-Prozess zuständig. Der NQR befindet sich seit 2016 in der Umsetzung. Hierzulande beschränkt er sich im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern allerdings auf die formale Berufsbildung. Das Anliegen von Fachkreisen, auch die Weiterbildung in den NQR einzubeziehen, wurde vom Bund bisher abgelehnt.
Für die Weiterbildung waren neben der EU weitere internationale Organisationen von Bedeutung, darunter die