Liebes Leben. Magda Bauer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Liebes Leben - Magda Bauer страница 4
Wir fuhren zur Feier ins Gasthaus. Wir hatten am Währinger Gürtel reserviert. Spätestens um Mitternacht wollten wir wieder verschwinden. Das hatten wir so vereinbart. Wir lassen die Feier Feier sein. Wir fahren hinaus in die Himmelstraße. Zu den Karaseks, wo sie wohnte. In die Hochzeitsnacht. Gehörte ja schließlich dazu zum Heiraten. Wie lange war es noch bis Mitternacht?
Magda
Bernhard nahm mich beiseite und sah mich bedeutungsvoll an. Ich wusste zuerst nicht, was er meinte. Er zeigte auf die Uhr. Es war erst zehn, aber er deutete zum Ausgang.
Als die Gäste mitbekamen, dass wir uns schon davonmachten, gab es ein Murren und Geschwätz.
Das geht doch nicht.
Wie unhöflich.
So was tut man nicht.
Wie peinlich.
Bernhard stand neben mir und lächelte. »Ihr könnt euch ja weiterhin gut unterhalten«, sagte er. Was genau wir machen wollten, sagten wir nicht. Aber alle wussten es.
Liebe.
Bernhard
Magda und ich stiegen ins Taxi. »Himmelstraße, in Döbling«, sagte ich zu dem Fahrer.
Artig wie Erstklässler saßen wir auf der Rückbank. Magda lehnte ihren Kopf an meine Schulter. Mehr nicht. Als wollten wir uns alles aufheben. Jede kleinste Berührung.
Es würde nicht das erste Mal sein. Schwanger, wie sie war. Aber es würde das erste Mal als Mann und Frau sein. Würde das einen Unterschied machen? Einen kurzen Moment lang überfiel mich eine Art Wehmut.
Nie wieder würde ich durchs Fenster bei Magda einsteigen müssen. Die Karaseks waren Künstler. Aber so künstlerisch war ihre Einstellung unserer Meinung nach auch wieder nicht, dass sie Männerbesuche ihrer Gesellschaftsdame im eigenen Haus geduldet hätten. Magdas Zimmer samt Bad und Küche lag im Erdgeschoß. Einmal hatte ich ein Stück der Mauer herausgeschlagen, als ich einstieg. Mit dem Fuß.
Jetzt war es mit den Heimlichkeiten vorbei. Jetzt waren wir sogar zum Vollzug verpflichtet. Der Gatte muss seinen Mann stehen. Die Ehefrau muss ihm zu Willen sein. So wird es bei uns nie werden, dachte ich. Wir haben vorher Liebe gemacht. Wir werden weiterhin Liebe machen. Jetzt ganz offiziell. Jetzt hatten wir die Erlaubnis der Kirche und des Staates.
Magda
Ich lehnte mich an Bernhard, an diese Schulter, die mir gerade offiziell zum Anlehnen zugesprochen worden war. Mir war, als wolle mir alles Mögliche durch den Kopf gehen, in Wahrheit war ich nur glücklich. Ich hätte ewig in diesem Taxi sitzen können, neben meinem Mann. Wie schnell das alles gegangen war. Wir fuhren die Billrothstraße entlang, wie vertraut das alles war, und doch so anders. Ich hatte jetzt einen neuen Nachnamen.
Im Heurigen-Stadtteil Grinzing schmetterten ein paar Betrunkene ein Wienerlied. Sie hatten sich um die Schultern gefasst und torkelten vom Gehsteig auf die Straße und wieder zurück. Der Text und die Melodie ersoffen im Wein, den sie in sich hatten. Bernhard und ich sahen uns an. Selbst dieses Ständchen gefiel uns.
Es war ungewohnt, als ich das Haustor aufsperrte und wir beide die Villa durch die Vordertür betraten. Keine Heimlichtuerei mehr. Ich war stolz. Ich wollte Bernhard die Tür aufhalten, aber so lief das nicht. Mit einem Schwung schnappte er mich, hob mich hoch und trug mich über die Schwelle.
»Ist zwar nicht unsere …«, sagte er, als er mich drinnen absetzen wollte. Sein »aber« blieb in der Luft hängen. Er hielt inne, als wäre ihm gerade etwas eingefallen. Schließlich hob er mich wieder hoch und trug mich zur Tür meines Zimmers. »Das ist unsere Schwelle«, sagte er, schlug die Tür mit dem Fuß hinter sich zu und ließ mich aufs Bett sinken.
Bernhard
Was für eine Nacht. Was für ein Morgen. Was für ein Leben. Vorsichtig lugte die Sonne zum Fenster herein. Als wolle sie taktvoll nachsehen, ob wir mit unserem Liebesspiel schon fertig waren. So gesehen konnte sie sich gleich wieder verziehen. So gesehen brauchte sie es erst gar nicht noch einmal zu versuchen, denn damit würden wir nie fertig sein. Nie. Wie siegessicher man doch ist mit 20.
Wir starteten unser Eheleben mit einem fulminanten Frühstück. Fulminant bedeutete: zwei weiche Eier, zwei Kaisersemmeln, Orangensaft. Es war das erste Frühstück von vielen. Nicht immer so fulminant. Aber immer gemeinsam. Es war auch der Anfang unserer Flitterwochen. Unseres Flitterwochenendes, besser gesagt. Es war Samstagfrüh. Mehr als 48 Stunden hatten wir nicht. Danach würde der Rest unseres Lebens beginnen und damit der Kampf, wie meine Eltern das genannt hatten. »Heirate bloß nicht so früh«, hatten sie gesagt, »krieg nur kein Kind so jung.« So war es weitergegangen. Du wolltest doch studieren, Bub. Rechtswissenschaften. Weißt du nicht mehr? Etwas Besseres werden. Brav arbeiten untertags. Abendkurs und in der Nacht lernen. Da kannst du kein Kind brauchen. Das schreit in der Nacht. Eine Frau. Die das vielleicht nicht aushält. Die jungen Damen sind ja heute nicht mehr so. »So wie wir«, sollte das wohl heißen. Ihr könnt noch Kinder genug kriegen. Später. Es gibt ja Möglichkeiten …
Meine Eltern hatten nichts gegen Magda. Im Gegenteil. Sie wären zufrieden mit meiner Wahl gewesen. Wenn ich sie mit 25 getroffen hätte. Als fertiger Jurist. Nicht mit 20. Sie hielten Magda auch für eine gute Ehefrau. Eine Hausfrau. Eine Mutter. Doch sie trauten den neuen Zeiten nicht. Kalter Krieg. Freie Liebe. Krieg in Vietnam. Kulturrevolution in China. Hier ein Udo Jürgens mit »Merci, Chérie«. Dort ein langhaariger John Lennon, der von seiner Band behauptete: »Wir sind populärer als Jesus.« Schon dieser Name. Beatles. So etwas lief jetzt in ihrer Welt umher. Es war nicht mehr die ihre.
Ganz unrecht hatten sie auch nicht. Es war ein Kampf. Wir hatten keine Unterstützung. Von niemandem. Wie auch? Es hatte ja jeder seinen eigenen Kampf.
Ich studierte nicht. Ich arbeitete bei einer Baufirma im Büro, als Assistent des Prokuristen. Und hatte ein Kind. Fast wäre Magda gestorben bei der Geburt. Kaiserschnitt. Irgendetwas war mit dem Skalpell. Sie war danach ein paar Wochen sehr krank. Ich war verrückt vor Angst. Das schweißte uns noch mehr zusammen.
Irgendwann stellte sie sich dann doch ein. Die Normalität. Dann der Trott. Er begann erst nach vier, fünf Jahren. Als der Kampf ausgefochten war. Mit der Arbeit war es leicht damals. Es gab genug. Jeder konnte aus der einen Firma herausgehen und in die nächste hinein. Von der Baufirma wechselte ich zu einer Ölfirma. Es ging uns nicht schlecht. Wir wohnten in einer kleinen Wohnung am Margaretengürtel. Vater. Mutter. Kind. Simon.
Sex war nicht mehr das Wichtigste. Kleine Familien saugen ihn auf. Manchmal saugen sie ihn ganz auf. So schlimm war es bei uns nicht. Wir machten immer noch Liebe. Nur nicht mehr so oft. Und nicht mehr so intensiv.
Unser intensivstes erotisches Abenteuer dieser Zeit erlebten wir im Urlaub in Veli Lošinj. Am Meer. Damals Jugoslawien. Wir waren campen. Mit unserem Mini. Der Campingtisch passte gerade hinten rein. Ein Koffer drauf. Ein kleiner Klappsessel. Wir fuhren endlos. Dann machten wir Rast. Mitten in der Nacht. An der Raststätte. Wo genau, weiß ich nicht mehr. Wir dösten sofort ein. Der kleine Simon auf der Rückbank. Auf einmal fing das Auto zu schaukeln an.
Ich