Mehr Mut, Mensch!. Lorenz Wenger
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»Life is a dive« – Die gewünschte Veränderung liegt oft unter uns
Ich habe sechzehn tauchende Gäste auf dem Tagesboot. Es ist Mittag, wir haben bereits zwei Tauchgänge hinter uns, ein dritter ist für den Nachmittag geplant. Während wir tauchten, hatten Wind und Wellen stark zugelegt. Der Captain informiert mich, dass es während dem vorgesehenen Mittagessen auf dem Rückweg etwas stürmisch werden könnte. Er startet den Bootsmotor und nimmt Kurs auf Sharm El Sheikh. Während die Bootscrew das Mittagessen vorbereitet, ziehen die Gäste ihre Tauchanzüge aus, checken ihre Tauchcomputer, nehmen Logbucheinträge vor, und die Fotografen unter den Tauchern kümmern sich um die heutige Ausbeute an Unterwasserbildern. Der weiter auffrischende Wind ist unter der heißen ägyptischen Sonne geradezu wohltuend. Doch der Wellengang nimmt zu, wird kantig und ruppig. Die Wellen kommen direkt aus der Fahrtrichtung und treffen frontal auf die Nase des Bugs. Der Captain steht vor dem Dilemma, direkt durch die Wellen und auf schnellstem Weg zurückzufahren oder aufzukreuzen und die Wellen sauber und sanft auszureiten. Er fragt mich um meine Meinung. Ich überlege. Zeitlich sind wir gut im Tagesplan, direkte Gefahr besteht keine. Wir entscheiden, während des Essens die weitere, längere und sanftere Fahrweise einzuschlagen und die Situation danach neu zu beurteilen. Aus der Kombüse duftet es köstlich nach frittiertem Huhn, gebratenen Kartoffeln, Gemüse, Falafel und Reis. Einige Passagiere reagieren bereits sensibel auf die heftigen Schaukelbewegungen des Bootes und geben mir zu verstehen, dass sie nichts essen können. Ich versuche sie zu überzeugen, dass es gerade jetzt wichtig ist, etwas im Magen zu haben, sie sich aber auf Reis, Kartoffeln oder das ägyptische Fladenbrot Aish Baladi beschränken sollten. Ich bin dankbar, dass sie meinem Rat folgen, denn sie brauchen schließlich neue Kräfte für den geplanten dritten Tauchgang.
Nach dem Mittagessen weht der Wind noch stärker, der Wellengang wird stetig höher. Der Captain versucht immer noch, die Wellen bestmöglich auszureiten und möglichst sanft durch sie hindurchzufahren. Trotzdem schaukelt das Boot heftig, der Rumpf schlägt immer wieder hörbar und spürbar auf die Wasseroberfläche. Die Gesichtsfarbe der meisten Gäste nähert sich bereits einem hellen Grünton, die Urlaubsbräune hat sich kurzfristig verabschiedet. Teller fliegen durch die Gegend, Gläser wirbeln durch die Luft. Trotz ihrer Seekrankheit versuchen die Gäste hektisch, ihre Kameras und anderen Utensilien in Sicherheit zu bringen. Da ich Seekrankheit glücklicherweise nicht kenne, sehe ich es als meine Aufgabe, zwischen Captain, Crew und Gästen zu vermitteln und zu kommunizieren, welche Linie wir durchs Wasser zurück ins Hotel fahren und wie lange es noch dauern wird. Mit ermunternden Worten und diversen Anekdoten aus dem Tauchleben versuche ich, die Gäste so gut wie möglich abzulenken. Doch es nützt nichts. Auf dem Tauchboot herrscht jetzt beklemmendes Schweigen. Ich spüre, wie Angst sich ausbreitet und wie ein grauer Dunst über meinen Tauchgästen hängt. Was kann ich nur tun, um diese Situation zu entspannen? Ich habe eine Idee!
In ca. 30 Minuten erreichen wir Ras Mohammed, dahinter befindet sich die Bucht von Marsa Bareika. Möglicherweise ist es dort ruhiger und windgeschützter als hier draußen auf offenem Meer. Am Eingang der Bucht liegt der Tauchplatz Ras Za'atar. Ich bin mir sicher, dass die Wellen unter Wasser kaum zu spüren sein werden. Wir werden unseren dritten Tauchgang hier und jetzt in dieser Bucht absolvieren! Der Captain schließt sich meiner Meinung an. Nun gilt es nur noch, meinen seekranken Gästen diesen Plan schmackhaft zu machen! Im Rhythmus der schaukelnden Wellen hangle ich mich also von Gästegruppe zu Gästegruppe, bis ich alle sechzehn Tauchgäste erreicht und meine »Verkaufsargumente« für diesen Tauchgang platziert habe. Ich stoße auf Unglauben und tiefe Ablehnung. Ein Gast ruft »einfach nur weg hier, runter von diesem schaukelnden Boot«. Die meisten stimmen ihm zu. »Genau das ist ja die Idee, wir verlassen das Boot!«, bestätige ich mit strengem Blick und pointiertem Zeigefinger.
Ich weiß nicht mehr wie, doch irgendwie schaffe ich es, alle Tauchgäste davon zu überzeugen, dass ein sofortiger Tauchgang viel ruhiger und angenehmer sein wird, als weiterhin auf diesem wild schaukelnden Boot zu verharren. Alle ziehen zwar zögerlich, aber doch, ihre Tauchanzüge an und scheinen darüber sogar ihre Übelkeit zu vergessen. Nach meinem Strömungscheck springen alle sechzehn Gäste von der Plattform am Heck ins Wasser. Die Wellen sind zwar immer noch da, doch spürbar milder! Wir lassen uns fallen und auf bereits fünf Meter Tiefe finden wir wohltuende Ruhe und Stille vor. Kein Wind, keine Strömung, keine herumfliegenden Teller. Das ruhige Wasser empfängt uns mit offenen Armen. Orangefarbene Fahnenbarsche tanzen vor unseren Masken und scheinen uns willkommen zu heißen. Hier gibt es Zeit zu atmen, Zeit sich zu erholen und dem Chaos über Wasser zu entkommen. Wie immer verliere auch ich mich in diesem wunderbaren Gefühl des Eintauchens in eine völlig andere, großartige Welt. Nach 45 Minuten gebe ich das Zeichen zum Auftauchen. Als wir wieder an Bord des Tauchbootes sind, stelle ich fest, dass der Wind abgeflaut ist und das Meer ruhig vor uns liegt. Während wir nun endgültig Kurs auf Sharm El Sheikh nehmen, blicke ich in die entspannten und glücklichen Gesichter meiner Tauchgäste. Gemeinsam haben wir an diesem Nachmittag unseren Ängsten getrotzt, indem wir der naheliegendsten, aber nicht offensichtlichen Lösung eine Chance gaben!
Diese Geschichte zeigt sehr schön, dass die gewünschten Veränderungen manchmal direkt unter uns oder neben uns liegen. Von Ängsten vernebelt sehen wir sie meist nur nicht. Der direkteste Weg aus der Angst ist, durch die Angst hindurchzutauchen. Wir müssen dazu nur mutig den ersten Schritt ins Wasser wagen. Unter der Oberfläche entdecken wir möglicherweise völlig neue, zielführende Chancen und Möglichkeiten. Sind Sie bereit einzutauchen?
Mut-Momentum:
Suchen Sie Ihre bisher verborgenen Schätze dort, wo Sie Ihre größten Widerstände vermuten und wo es am meisten »piekst«. | |
Keine Angst vor Scheinriesen! Machen Sie es wie Jim Knopf, betrachten Sie eine Situation zuerst aus nächster Nähe und beurteilen Sie sie erst dann. | |
Versuchen Sie, die verschiedenen Angst-Typen und ihre Formen zu ergründen und zu verstehen. | |
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