Die wilde Reise des unfreien Hans S.. Martin Arz

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Die wilde Reise des unfreien Hans S. - Martin Arz

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eine ähnliche Geschichte kenne ich von der Belagerung von Karaman«, warf Hans hier ein.

      Burhaneddin glaubte kaum, was er da hörte. Keiner wollte ihn? Diese erbärmlichen Schmeißfliegen! Uthman führte daher seinen Gefangenen direkt vor die Stadt und ließ ihn für sich selbst sprechen. Doch auch Burhaneddins Flehen konnte die Bürger nicht überzeugen. Den dahergelaufenen Nomaden Uthman lehnten sie sowieso ab, also müsse Zayn al-Abidin Herrscher werden. Burhaneddin versuchte nun, Uthman einzuwickeln. Er würde ihm die Stadt Kayseri schenken, wenn er freikäme, und Kayseri war bekanntlich eine wunderschöne Stadt! Der Nomade hatte kein Interesse an Kayseri und verlor selbiges nun an Burhaneddin. Er ließ den ehemaligen Herrscher, von der Stadt aus gut sichtbar, köpfen und vierteilen. Die vier Körperteile und den Kopf ließ er aufspießen und aufstellen.

      Was Uthman nicht wusste, war, dass Zayn al-Abidin währenddessen einen Boten zu seinem Schwager Schadi Beg, einem Prinzen der Weißen Horde, geschickt hatte. Auch der ein Nomade, ein Tatar.

      »Von den Tataren hast du sicher schon gehört«, vergewisserte sich der Bote.

      Hans nickte. »Ja, wer nicht? Tamerlan und seine Tataren bedrohen ständig die Grenzen.« Es war ein Treppenwitz der Weltgeschichte, dass man die Mongolen ausgerechnet Tataren nannte. Die echten Tataren waren nämlich das erste Volk, das dem gewaltigen Eroberungszug der Mongolen unter Dschingis Khan Richtung Westen zum Opfer fiel und ausgelöscht wurde.

      Tatarenprinz Schadi zog mit einem großen Heer schnell in Richtung Sebast. Als er die Stadt erreichte, fand er keinen Uthman vor. Der hatte sich in den Bergen versteckt und begann mit Guerillataktik den neuen Feind zu zermürben, womit er schnell Erfolg hatte. Schadi gab entnervt auf und zog sich in die Stadt zurück, was seine Soldaten gar nicht gut fanden. Wenn der Herr sie im Stich ließ, dann konnten sie ihn auch im Stich lassen. Sie beschlossen, zurück in die Heimat zu gehen. Der Prinz, vor seinem Schwager bis auf die Knochen blamiert, ritt ihnen nach und versuchte sie zur Umkehr zu bewegen. Daran hatten die Männer aber überhaupt kein Interesse. Sie wollten heim zu ihren Familien und Viehherden. Solle der Prinz doch selbst schauen, wie er seinen Schwager aus dem Schlamassel herausbekam. Also ließ auch Schadi Beg den Schwager Schwager sein und folgte seinen Männern in die Weiten der Steppe.

      »Und weiter?«, fragte Hans gespannt. »Wie geht die Sache aus?«

      »Das hängt ganz von deinem Herrn ab!«, sagte der Bote und leerte den letzten Tropfen Wein. »Momentan sieht es so aus: Die Weißen Hammel unter Uthman belagern wieder die Stadt Sebast. Die Stadt will sich nicht ergeben. Mir Ahmad von Amasya wünscht sich, dass Sultan Bayezid eingreift. Und darum reite ich hier kreuz und quer durch Anatolien und lass mich wie ein Depp von einem Ort zum anderen schicken. Wenn ich den Sultan eingeholt habe, mein Lieber, dann kannst du dich schon mal darauf einstellen, dass ihr Bursa nicht so schnell wiedersehen werdet. Dann sehen wir uns vor Sebast wieder. So, ich muss dann weiter. Ich möchte aber kurz noch mein Pferd abkühlen.«

      »Außerhalb der Stadt ist ein Bach«, erklärte Hans und führte ihn vor das Tor. »Richtung Westen kommst du bald an eine kleine Baumgruppe. Kastanien. Da noch ein Stückchen weiter nordwärts hat der Bach eine Furt. Die haben auch unsere Reiter als Rossschwemme genutzt.«

      »Ach, Mann«, stöhnte Yorick abends. »Schon wieder irgendwo irgendwen verjagen, damit irgendwer anderes auf den Thron kann.«

      »Soldatenschicksal«, antwortete Hans.

      »Ich will zurück nach Bursa, verdammt noch mal. Hoffentlich kommen wir nach Sebast zurück nach Bursa! Hörst du, Gott? Tu mal was. Bursa ist wenigstens kein solches Nest wie das da hier.«

      Sie hocken auf der Erde vor ihrem Zelt und tranken Minztee. Max kehrte eben von seinem Wachdienst im Palast zurück. Wortlos hockte er sich zu seinen Freunden. Hans reicht ihm einen Tee. Max schlürfte Tee und starrte vor sich hin. Dann streckte er unvermittelt den Zeigefinger der rechten Hand aus und begann, in den Sand am Boden Linien zu ziehen.

      »Was macht unser Untoter denn jetzt?«, fragte Yorick und holte sich einen Ellenbogenhieb von Hans dafür ein.

      Max zeichnete Rechtecke, die miteinander verbunden waren. Daneben setzte er noch einmal eine fast identische Zeichnung. Schließlich beendete er sein Werk, indem er ein Rechteck mit einem Kreuz in der Mitte füllte. Er wischte sich den Finger an der Hose ab und schlürfte Tee. Yorick und Hans studierten die Zeichnung.

      »Was will er uns damit sagen?« Yorick neigte den Kopf zu Seite.

      Hans begriff. »Das ist ein Plan, ein Grundriss. Zwei Stockwerke. Die Zitadelle hat Erdgeschoss und darauf ein weiteres Geschoss.« Er strahlte Max an und gab ihm spontan einen Kuss auf die Wange. »Danke, Max, du bist der Beste! Begreifst du nicht, Yorick? Das ist der Palast. Die Anordnung der Räume – und wo das Kreuz ist, befinden sich die Konkubinen.«

      »Meinst du? Na, vielleicht. Palast! Pfhhh«, Yorick blies die Wangen auf. »Ist doch grad mal eine kleine Zitadelle. Siehst ja, so viele Räume gibt es gar nicht.«

      »Umso einfacher für mich«, sagte Hans strahlend. Er holte sein Heft und zeichnete die Grundrisse nach. »Falls ihr mich heute Nacht vermissen solltet, dann wisst ihr, wo ich sein werde.«

      »Na gut«, meinte Yorick. »Ich komme mit.«

      »Dazu brauche ich dich nun wirklich nicht.«

      »Keine Angst. Ich komme dir bei deinen plumpen Annäherungsversuchen an das arme Mädchen sicher nicht in die Quere. Aber es kann ja sein, dass du Unterstützung brauchst, wenn die Eunuchen wach werden. Oder der Wesir. Oder die Janitscharen. Oder die Sklavinnen. Oder, oder, oder. Vor allem aber ist es immer gut, wenn jemand nicht völlig Beklopptes bei so einer Sache dabei ist. Einer muss klar denken können.«

      »Hilf mir mal mit dem Felsen«, stöhnte Hans und versuchte, den schweren Stein zu bewegen.

      »Da drüben liegt einer«, antwortete Yorick und deutete in die Nacht hinein.

      »Was? Wo?« Sie verließen den Kastanienhain. Tatsächlich lag in einiger Entfernung am Bach ein regungsloser Mann. Sie sprachen den Mann an, nichts. Sie traten vorsichtig in seine Seite, nichts.

      »Scheiße«, entfuhr es Hans, als sie ihn umgedreht hatten und er ihn im fahlen Licht erkannte. »Das ist der Bote, von dem ich dir erzählt habe.«

      »Siehst du irgendwo einen Pfeil oder sonst eine Wunde?«

      Sie untersuchten die Leiche und fanden zunächst nichts. Erst als sie sein Hemd öffneten, entdeckten sie eine Verletzung im Bauchbereich.

      »Offenbar eine ältere Wunde, die aufgeplatzt ist«, vermutete Yorick. »Der arme Kerl ist hier zusammengebrochen und gestorben.«

      Hans richtete sich auf und sah sich um. »Kein Pferd weit und breit.«

      »Bestimmt abgehauen. Oder es hat einen neuen Besitzer gefunden.«

      »Und jetzt?«, fragte Hans.

      »Wie und jetzt? Wir haben was vor, oder?«

      »Sollen wir ihn so liegen lassen?«

      »Wir können ihn ja morgen früh finden, nicht wahr?« Yorick dachte wieder sehr praktisch. Hans nickte überzeugt.

      »Moment noch.« Hans durchsuchte den Toten und fand das Siegel des Mir Ahmad von Amasya sowie einen Beutel voller Dinare. Das Geld ließ er liegen. Das Siegel nahm er mit.

      Zu

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