Die wilde Reise des unfreien Hans S.. Martin Arz

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Die wilde Reise des unfreien Hans S. - Martin Arz

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ihnen der Fels und die Kastanien. Der Geheimtunnel, aus dem die Stadtdelegation bei der Belagerung von Konya gestiegen war, sollte Hans direkt in den Palast bringen. Hoffte er zumindest. Er tastete nach Schwefelholz und Zunder und entzündete damit die mitgebrachten Öllampen.

      »Wahnsinn«, sagte Yorick, der in dem Tunnel kaum aufrecht stehen konnte. »Hoffentlich gibt es keine Fledermäuse hier. Und jetzt?«

      »Jetzt gehen wir den Tunnel entlang zum Palast. Ich habe es dir doch erklärt.«

      »Und wieso denkst du, dass der Tunnel in den Palast führt?«

      »Weil das ein Geheimtunnel ist. Wer den angelegt hat, wollte nicht, dass alle ihn kennen. Und wer legt einen solchen Tunnel an? Sicher nicht der Abfallgrubenreiniger! Menschen, die heimlich rein und raus wollen. Wichtige Menschen. Herrscher, Stadtbeauftragte und so. Also wird der Tunnel zu einem wichtigen Gebäude in der Stadt führen. Und das wichtigste Gebäude in der Stadt ist der Herrschersitz. Logisch, oder? Der alte Ölmez hat mir gesagt, dass kaum jemand von dem Tunnel weiß und dass es dabei bleiben soll.«

      »Dein Wort in Gottes Ohr«, seufzte Yorick. »Und wenn der Ausstieg im Palast bewacht ist?«

      »Geheimtunnel haben die Eigenschaft, geheim zu sein. Wie oft soll ich dir das noch sagen. Die alten Herrscher sind nicht mehr hier. Die neuen wissen davon nichts.«

      »Du vergisst die Stadtabgeordneten.«

      »Die leben nicht im Palast.«

      »Hans, ich finde das hier immer noch Wahnsinn, aber lass uns gehen, bevor ich es mir anders überlege.«

      Im schwachen Schein der Öllampen liefen sie schweigend den langen Gang entlang. Es ging leicht bergauf, das merkten sie. Langsam wurde es wärmer. Es gab keine Fledermäuse, nur ein paar Ratten, die erschrocken zur Seite sprangen. Schließlich kamen sie an eine Treppe, die steil hinaufführte. Die Wände waren nun gemauert. Offenbar bewegten sie sich innerhalb der Zitadelle. Dass die Stufen aufwärts führten, wertete Hans als gutes Zeichen. Die Räume der Konkubinen befanden sich laut Max’ Plan im Obergeschoss. Die Treppen endeten abrupt an einer schwarz gestrichenen Wand.

      »Und jetzt?«, flüsterte Yorick. »Wie geht das hier auf?«

      Hans untersuchte die Wand mit den Fingerspitzen und leuchtete in alle Ritzen.

      »Gibt es da einen Mechanismus?«, fragte Yorick. »Oder ein Schloss?«

      »Ich finde nichts«, antwortete Hans. Er drückte vorsichtig an verschiedenen Stellen. Nichts tat sich. Er fingerte in einem kleinen Spalt herum, ob sich da ein Hebel oder Ähnliches verbarg. Nichts.

      »Scheiße«, fluchte er leise und drückte mit der Schulter gegen die Wand so fest er konnte. Nichts bewegte sich.

      »Lass mich mal.« Yorick drängte sich vorbei, doch auch er konnte die Wand nicht bewegen. Er fummelte in dem kleinen Spalt herum und rüttelte. Immer noch nichts. Schließlich hakte er die Finger ein und zog. Geräuschlos glitt die Wand nach innen.

      »Ziehen statt drücken«, murmelte Yorick zufrieden. »Moment«, zischte er Hans zu, der gleich losgehen wollte. »Erst mal das.« Er holte ein kleines Fläschchen aus seinem Mantel, entstöpselte es und schüttete sich eine Flüssigkeit auf die Handfläche. Damit rieb er Hans hinter den Ohren und am Hals ein. Es duftete verführerisch. »Rosenöl. Wir wollen doch nicht, dass du bei deinem ersten Schäferstündchen wie ein Iltis stinkst. Und jetzt machen wir besser die Lampen aus.«

      Sie tasteten sich im Dunkeln durch den Türspalt in einen Raum, dessen Fenster zwar von leichten Tüchern verhangen waren, durch die aber etwas Mondlicht schimmerte. Die Tür schlossen sie leise. Sie war so geschickt in die hölzerne Wandvertäfelung eingebaut, dass man sie nur sah, wenn man wusste, dass es sie gab. Der Raum war prächtig ausgestattet mit üppigen Sitzkissen und einem Schreibpult. Sie schlichen weiter, Hans entdeckte die Zimmertür. Da ließ sie ein Knurren zu Salzsäulen erstarren. Das Knurren schwoll an und verebbte, dann schwoll es wieder an und verebbte. Das wiederholte sich einige Male, bis die beiden Burschen begriffen, dass da jemand gewaltig schnarchte. Sie waren im Gemach des Wesirs Memduh gelandet. Der dicke Mann schlief tief und fest in einem Berg von Kissen.

      Hans und Yorick öffneten vorsichtig die Tür, keine Wachen in Sicht. Hans hatte sich den Plan von Max genau eingeprägt, erst links den Flur hinunter, dann rechts und noch einmal links. Dort war das Gemach der Konkubinen. Immer noch keine Wachen in Sicht. Und wenn, dann würde der Lichtschein der Fackeln, die die nächtlichen Patrouillen mit sich führten, ihr Kommen ankündigen.

      »Gut«, sagte Yorick so leise, dass Hans ihn kaum verstand. »Du gehst jetzt rein und suchst deine Aynur. Ich warte hier. Wenn jemand kommt, gebe ich dir ein Zeichen.«

      »Was für ein Zeichen?«

      »Äh.« Yorick grübelte. »Ich miaue wie ein rolliger Kater.« Er kicherte.

      »Und dann?«

      »Dann? Keine Ahnung. Es ist dein Plan. Dann bist du auf dich allein gestellt.«

      »Und du?«

      »Um mich mach dir mal keine Sorgen. Ich komme schon irgendwie zurecht, falls jemand auftaucht. Mit Eunuchen werde ich leicht fertig. Los, beeil dich!«

      Hans betrat vorsichtig das Zimmer und wurde sich einer weiteren Schwäche seines Plans bewusst. Wie sollte er seine Aynur zwischen all den schlafenden Frauen finden? Er wartete, bis sich seine Augen an das Zwielicht gewöhnt hatten. An der Wand gegenüber gab es noch eine Tür. Hans sah sich um. Die Ausstattung des Zimmers war einfach, keine kostbaren Stoffe und aufwendig bestickte Kissen. Er zählte sieben schlafende Frauen und Mädchen. Offenbar war dies das Zimmer der Sklavinnen. Er pirschte zur Tür an der Wand gegenüber, öffnete sie einen Spalt und schlüpfte hinein. Hier war er richtig. Es roch nach teuren Ölen, und Gold schimmerte von allen Ecken. Es schimmerte, weil im Raum noch ein Öllicht brannte. Hans Herz setzte aus. Dort im Licht saß eine der Konkubinen und sah ihn an. Als sein Herz wieder schlug und kurz, bevor er in wilder Panik davonrennen wollte, bemerkte er, dass die Konkubine ihn nur mit abschätzigem Blick ansah und keinen Lärm machte. Auf ihrem Schoß lag eine Stickarbeit. Sie lächelte nun verführerisch. Dann huschte ein Erkennen über ihr Gesicht und sie lachte leise. Sie verdrehte die Augen und wies mit dem Kopf nach links. Hans begriff nicht. Sie stöhnte und verdrehte die Augen so weit, dass nur noch das Weiße zu sehen war. Ihr Kopf zuckte nach links. Dort wehten zarte Tücher leicht im Wind. Ein Balkon. Hans verstand endlich. Er ging vorsichtig durch den Raum und betrat den Balkon. Dort saß im Mondlicht Aynur auf der Brüstung, die Arme um die angewinkelten Beine geschlungen, und blickte verträumt in die Ferne. Sie zuckte nicht zusammen, als sie Hans wahrnahm. Sie blieb starr in ihrer Position und riss die Augen weit auf. Hans traute sich nicht, sich zu bewegen.

      »Ich bin Hans«, flüsterte er schließlich heiser, weil ihm nichts Besseres einfiel.

      »Bist du wahnsinnig?«, raunte Aynur zurück und stieg von der Brüstung. Sie sprach Deutsch.

      »Vielleicht«, antwortete er auf Deutsch. »Ich wollte dich sehen.«

      »Aber das geht nicht. Wenn der Wesir das erfährt, sind wir beide tot.«

      »Das wäre es mir wert.«

      Sie lachte. »Du bist also wahnsinnig.«

      Er deutete zurück in den Raum. »Die andere Frau … wird sie uns nicht verraten?«

      »Gülsüm? Sie hat dich vom Garten wiedererkannt.

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