Die wilde Reise des unfreien Hans S.. Martin Arz

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Die wilde Reise des unfreien Hans S. - Martin Arz

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möglichen, aber nicht nach Französisch klang. »Ich bin Yorick, Yorick van Nazareth aus Flandern, das liegt an der Nordsee.«

      »Hans, Johannes Schiltberger aus München, das liegt in Bayern.« Die Nordsee sagte ihm nichts, wohl aber Nazareth. »Nazareth? Das ist doch im Heiligen Land!«

      Yorick lachte. »Ja, aber bei uns in Flandern gibt es auch ein Nazareth. Da kommen ich und mein Herr her. Mein Herr ist Arjen van Nazareth.«

      »Kenn ich nicht. Mein Herr ist Leinhart Richartinger.«

      »Kenn ich nicht«, antwortete Yorick. Die beiden lachten. Hans wusste schon da, dass er einen neuen Freund gefunden hatte. Sie mochten sich, wenn auch die Konversation sich durchaus mühsam gestaltete. Sie merkten jedoch schnell, dass sie sich passabel unterhalten konnten, wenn sie langsam und deutlich sprachen. Mehr als einmal stellte Hans fest, dass er flämische Worte, die Yorick unbewusst einflocht, durchaus verstand. Sie verabredeten sich für den Abend. Josef reagierte zwar zunächst ablehnend auf den Neuzugang, doch Max war schnell angetan von Yorick, denn der konnte gut singen und lobte Max für seine Fingerfertigkeit auf der Laute. Gemeinsam zogen sie los und suchten ein Zelt oder Lagerfeuer, an dem was los war, egal, ob Bayern, Schweizer, Franzosen oder Flamen, irgendwann stellte Sprache keine Barriere mehr dar. Wenn Max mit der Laute zu spielen begann, setzten schnell Trommeln, Drehleiern oder Sackpfeifen mit ein. Es wurde gelacht und getanzt. Schließlich sollte es der letzte Abend vor dem großen Tag sein.

      Am großen Tag, dem 24. September 1396, berief König Sigismund den Kriegsrat ein. Seiner Strategie nach sollten die Walachen unter Mircea dem Alten den ersten Angriff führen, weil sie neben den Ungarn die Einzigen waren, die bereits Kampferfahrung mit den Türken gemacht hatten und außerdem schnell und wendig waren. Dank Mirceas Guerillataktik hatten die Walachen den Osmanen schon manche Niederlage beschert. Unsinn, brauste da der Graf d’Eu wütend auf, und fand dabei den Applaus von Marschall Boucicaut: Nur seine Männer seien in der Lage, einen vernünftigen Angriff zu führen. Ihm gebühre die Ehre, als Erster in die Schlacht zu reiten. Absoluter Unsinn, mischte sich nun Johann Ohnefurcht ein, klein und mager wie er war, hätte man ihn in Bayern ein Krischperl genannt. Es gäbe nur einen, der für den Angriff geeignet sei, und zwar ihn mit seinen Burgundern und Flamen! Er, und nur er allein, habe das Vorkampfrecht.

      Nein, so hatte sich König Sigismund das nicht vorgestellt.

      Ein absurdes Streitgespräch später fanden es die Franzosen dann letztlich besser, sich zusammenzutun und gemeinsam gegen den Ungarn und seine zusammengewürfelte Truppe aus Walachen, Siebenbürgen, Deutschen, Dänen, Schotten, Kastiliern und sonstigen Front zu machen. Johann Ohnefurcht stellte sich hinter den Grafen d’Eu.

      König Sigismund fügte sich seufzend. Er gab Befehl, dass sich seine Truppen sofort kampfbereit machen sollten. Die Kreuzritter, völlig überrascht und meist ebenso betrunken, krabbelten aus den Huren- und Spielzelten und suchten einen ersten Adrenalinkick, indem sie unter den Gefangenen, die sie bisher gemacht hatten, ein Massaker anrichteten.

      Sigismund zog sich mehr verzweifelt denn wütend von allen zurück. Es war ganz und gar nicht der große Tag geworden. An diesem Abend feierte niemand mehr.

      2 Das Schlachten

      Bei Tagesanbruch am 25. September im Jahre des Herrn 1396 schickte Sigismund seinen Marschall zu Johann Ohnefurcht mit der Bitte, ihm noch zwei Stunden Zeit zu gewähren. Er wolle seine Späher ausschicken, um möglichst viele Informationen über Stärke und Lage des Feindes zu gewinnen. Der Burgunder, unterstützt vom kampferprobtesten aller Kreuzritter, dem immerhin schon fünfundfünfzigjährigen Admiral Jean de Vienne, der im zarten Alter von neun Jahren erstmals an einer Schlacht teilgenommen hatte, hätte dem fast zugestimmt, wenn nicht der Graf d’Eu dem jungen Prinzen die wahren Absichten Sigismunds klargemacht hätte. Der Ungarnkönig, so d’Eu, sei ein ganz durchtriebener, denn mit dieser Aktion wolle dieser nur die Siegeslorbeeren für seine Ungarn einstreichen. Er, d’Eu, sei nun das Taktieren dieser Schwächlinge leid. Er ließ den Admiral de Vienne wissen, dass Kreuzzüge eben nichts für zaudernde alte Männer seien, die ihre größte Zeit längst hinter sich hatten.

      In den frühen Morgenstunden hing noch dichter Nebel im Donautal. Die Sonnenstrahlen färbten den Himmel rot-orange, der Herbst kündigte sich an. Hans war schon vor Sonnenaufgang wach. Die Pferde herrichten, Rüstung und Waffen bereiten. Es entging ihm nicht, dass sein Herr Leinhart absolut nüchtern war, als er ihm die Rüstung anlegte. Leinhart hatte zwar viel verzockt in seinem Leben, aber seine teure Rüstung hatte er nie aufs Spiel gesetzt. Viele andere Ritter konnten sich keine komplette, topmoderne Plattenrüstung leisten und kamen noch mit Kettenhemd, Brustpanzer und Topfhelm, wie es in den vergangenen Jahrzehnten üblich war. Nicht Leinhart Richartinger. Hans hatte alles pflichtbewusst in Schuss gehalten, darum dauerte das Anlegen keine Stunde. Platte für Platte zurrte er mit den Lederriemen am Körper seines Herrn fest. Erst das Beinzeug – Diechlinge an den Oberschenkeln, Kniekacheln, Beinröhren für die Unterschenkel und Eisenschuhe, dann der Brustpanzer und das Rückenteil mit den Gesäßreifen, danach Armkacheln aus Mäusel und Muschel, Achseln für die Schulterpartie, Ober- und Unterarmröhren, Ellenbogenkacheln, Panzerhandschuhe und, darauf war Leinhart besonders stolz, denn es war das Neueste vom Neuen, auch Schwebescheiben zum Schutz der Achselhöhlen. Dann noch die Schamkapsel für den Genitalbereich, die sich manch Ritter – wie beispielsweise Leinhart Richartinger – zur Betonung seiner Männlichkeit gerne besonders groß und vorstehend schmieden ließ. Für eine kurze Unterbrechung sorgte der Geistliche, der in ihr Zelt kam, um mit ihnen zu beten. Schnell ein Vaterunser und dann das Abendmahl. Der Pfarrer segnete sie flüchtig und eilte weiter, er und seine Kollegen hatten noch viele Zelte vor sich.

      Zuletzt legte Hans seinem Herrn das Kragenteil um und setzte ihm den Helm auf. Dann kam der mitunter schwierigste Teil, den Herrn auf das gesattelte Pferd zu hieven. Doch der Herr hatte einen wirklich guten Tag, half mit und saß bald aufrecht. Hans reichte Lanze und Schild, dann ritt sein Herr zu den anderen Bayern, die sich bei Sigismunds Banner sammelten. Hans schnappte sich Eisenhelm, Schild und seine Waffen, sprang auf sein Pferd und ritt hinterher. Wer wusste schon, was kommen würde. Die Franzosen hatten angekündigt, die Sache hier schnell zu klären. Immerhin hatte sich der Nebel gelichtet.

      Mit Nikopolis im Rücken zogen die französischen Ritter und Bogenschützen den Türken entgegen, die im Süden von der Anhöhe herunterstürmten. Die Schlacht gestaltete sich etwas unübersichtlich. Zunächst gelang es den Franzosen, die türkische Frontlinie zu durchbrechen. Die türkischen Fußtruppen und die leichte Reiterei konzentrierten sich auf die Pferde der Angreifer, hackten deren Beine ab und schlitzten ihnen die Bäuche auf. Dann zogen sie sich schnell hinter die Bogenschützen zurück. Die Ritter, ihrer Pferde beraubt, sahen sich in der ungewohnten Position, nun zu Fuß zu kämpfen. In ihren schweren Rüstungen stapften sie keuchend den Hügel hinauf. Zwanzig bis dreißig Kilo wog so eine Rüstung. Durchaus machbar für einen Mann. Das Problem war oft nicht das Zusatzgewicht, sondern die brutale Hitze, die sich im Panzer entwickelte. Manche Edelfrau hatte die Nachricht vom Heldentod ihres Gatten in der Schlacht bekommen, stellte ihn sich von Lanzen durchbohrt sterbend vor, doch in Wahrheit war er einem Hitzeschlag oder Herzinfarkt erlegen.

      Schwer atmend oben auf dem Plateau, da waren sich alle sicher, würden sie nur fliehende Türken sehen. Doch oben auf dem Plateau wartete Bayezids Überraschung: ausgeruhte Sipahi-Reiter. Begleitet von der ohrenbetäubenden Kakofonie aus Kriegstrompeten, Pauken, dem Trommeln der Pferdehufe und »Allah ist groß«-Rufen stürzten sich die Sipahis mit eingelegten Lanzen auf die Kreuzritter. Admiral Jean de Vienne, dem als Ältesten die Ehre zuteilgeworden war, das französische Banner zu tragen, obwohl bald schwerst verwundet, kämpfte wie ein Bär, während er alle verfluchte, die nicht auf Sigismund hatten hören wollen! Er versuchte immer wieder, eine geordnete Kampfformation aufzustellen. Abgehackte Arme, Beine und Köpfe flogen. Doch Vienne konnte nicht lange die Kampfmoral seiner Männer aufrechterhalten. Er fiel. Und mit ihm viele Edle wie Jean de Carrouges, Philippe de Bar oder Odard de Chasserin.

      Burgunderprinz

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