Tödlicher Spätsommer. Ursula Dettlaff
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Dass Matthias gerade mit Latzhose sprach, erschwerte die Situation zusätzlich. „Du schaust dich nach einem weiteren Hund um?“, fragte sie nach knapper Begrüßung. „Irgendwie schon“, antwortete „Latzhose“ etwas zögerlich. Matthias schwieg.
„Man sieht doch, dass Bommel und sie Spaß miteinander haben“, führte sie weiter aus. „Doch sie haben eben keine Erfahrung mit Hunden. Von weitem hören wir, wie sich der Hund gegenüber Artgenossen oder Passanten mit lautem Gebell zu behaupten versucht“. In Helene keimte ein Gefühl von Wut auf.
„Herr Holtmann ist Hundetrainer und half schon häufig bei erfolgreichen Vermittlungen. Er könnte Ihnen ein paar Tipps bei der Erziehung geben. Bommel ist ja noch jung. Er lernt sicher schnell.“ So war das also, Matthias spielte den Aufpasser.
„Nicht weit von hier ist ein Straßencafé. Bei diesem herrlichen Wetter ist es sicher noch geöffnet“, meinte Matthias. Helene lachte. „Bist du gegen Hundevandalismus versichert?“, erkundigte sie sich.
So sehr sie auch die Vorstellung von einer herrlichen Tasse Tee reizte, aber Bommel zwischen vielen sonnenhungrigen Menschen und Tischen voller Eisbecher, Kuchen und Kaffeegedecke? Nein, das hatte sie bis jetzt aus gutem Grund noch nicht getestet.
„Du meinst, ob ich eine Hundehaftpflichtversicherung für Mia abgeschlossen habe? Schon, aber zum Glück musste ich sie noch nie in Anspruch nehmen“, antwortete er.
Helene überließ Matthias die Leine. War wohl ratsam unter diesen Umständen. Hunde reagieren eben nicht alle gleich. Mal sehen, ob sich Bommel neben Matthias anders benahm als mit ihr.
„Wir tauschen einfach“, schlug er vor und ging hinter dem Tierheim zielstrebig auf ein wirklich hässliches Fahrzeug zu. Große alte Bäume spendeten dem Wagen Schatten.
Erst jetzt sah Helene, dass die doppeltürige Heckklappe geöffnet war. „Betreibst du einen Lieferservice?“, erkundigte sie sich skeptisch.
„Nicht, wenn du ofenfrische Pizza, leckere Pasta oder köstliches Sushi meinst“, entgegnete Matthias gut gelaunt.
Mit einem Satz sprang Mia aus dem Auto heraus, begrüßte zunächst Matthias, dann Bommel, zuletzt Helene.
„Hier ist der Einstieg für Mia nicht ganz so hoch, wie er bei einem Geländewagen wäre. Trotzdem kann sie es sich bequem machen. Darauf kam es mir an. Außerdem ist der Spritverbrauch geringer“, erklärte Matthias.
Zumal ein Offroader in der Stadt irgendwie deplatziert wirkt, fand Helene.
Mia, das Ergebnis einer stürmischen Begegnung zwischen einer reinrassigen Königspudeldame und einem ein wenig eingebildeten ebenfalls reinrassigen Afghanen, und Bommel waren etwa gleich groß.
Matthias hielt Bommels Leine jetzt locker in der rechten Hand. „Fuß, ja fein machst du das“, lobte er. Der Hund schaute ihn mit großen Augen an. Man spürte deutlich Bommels Bemühen um Anerkennung. „Ja schau, das machst du schon richtig gut“, sagte Matthias.
Er wählte nicht den direkten Weg zum Café, sondern nahm den Umweg über eine große Wiese. Dann ließ er seine Hündin an einem Tennisball, den er aus seiner Tasche zog, schnüffeln.
Unter fast allen Bäumen hatten es sich Menschen bequem gemacht. Da wurde gelesen, Karten gespielt, ein Picknickkorb ausgepackt oder einfach nur ein Nickerchen gehalten.
„Mia, sitz und bleib“, sagte Matthias. Instinktiv blieb auch Helene stehen und mit ihr Bommel. Kurze Zeit später verschwand Matthias für Sekundenbruchteile hinter der einzigen „leeren“ Baumgruppe.
Mia konnte es kaum erwarten, bis er neben ihr stehend, das Kommando „Such“ gab. Freudig lief der Hund los, die Nase immer dicht am Boden. Mal folgte er Matthias Spur direkt, dann im Zick Zack.
Helene war sich plötzlich nicht ganz sicher, ob Matthias den Ball da oder dort versteckt hatte. Der Hund schien die Spur verloren zu haben.
Ausdauer und Beharrlichkeit führten ihn schließlich doch ans Ziel, so dass Mia ihrem Herrchen am Ende stolz den Ball präsentierte.
Nun hatte Bommel, der sich bis jetzt von Helene liebevoll streicheln ließ, lange genug gewartet. Er bellte auffordernd, als wollte er sagen: „Jetzt bin ich an der Reihe.“ Dass er allerdings die Ausflügler in Ruhe ließ, bezweifelte Helene. Aber Bommel, der in Mia eine gute Lehrerin fand, erwies sich als sehr lernfähig. Die Vier setzten das Suchspiel noch eine ganze Weile fort, denn die Hunde ignorierten die übrigen Passanten.
Das Straßencafé hatte längst geschlossen, als Helene und Matthias dort ankamen.
„Treffen wir uns gleich noch irgendwo?“, fragte Matthias, als sie wieder vor dem Tierheim standen.
„Besser nicht“, antwortete Helene, „ich muss mich auf den morgigen Tag vorbereiten. Es gibt etwas zu erledigen, das ich schon viel zu lange vor mir herschiebe.“
„Heißt das, du kommst morgen auch nicht hierher?“, wollte Matthias wissen. „Ich meine nur wegen Bommel“, fügte er eilig hinzu.
„Am Abend komme ich natürlich hierher. Bis dahin weiß ich Näheres. Es sei denn, das Tierheim hat bis dahin ein nettes Zuhause für ihn gefunden.“
Matthias sah sie verständnislos an. „Ich dachte, du willst ihn aufnehmen.“
Den folgenden, stockend vorgetragenen Monolog richtete Helene mehr an sich selbst als an ihr Gegenüber.
Soviel war doch klar, man konnte die Angelegenheit drehen und wenden, wie man wollte, Bommel hatte keinen Platz in Helenes Leben. Er konnte unmöglich den ganzen Tag allein zuhause bleiben und die Mittagspause war einfach zu kurz, um nach Hause zu fahren, mit dem Hund einen kleinen Spaziergang zu unternehmen und dann wieder ins Geschäft zu fahren.
„Du machst dir immerhin schon Gedanken darum“, stellte Matthias fest.
Als Helene am nächsten Morgen geduscht hatte, erkundigte sie sich bei Frau Schulte, ob sie ihr etwas vom Bäcker mitbringen könne.
Sie ließ sich Zeit für ein ausgedehntes Frühstück auf dem Balkon. Dann stieg sie die Treppe zu Juttas Wohnung hinauf.
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