Tödlicher Spätsommer. Ursula Dettlaff
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Tödlicher Spätsommer - Ursula Dettlaff страница 7
„Vielleicht möchten Sie ja einen Spaziergang mit einem unserer Hunde machen “, knüpfte die Tierpflegerin den Gesprächsfaden weiter.
„An was für einen Hund dachten Sie denn? Sollte es ein eher kleiner, oder ein größerer, ein sportlicher oder besser ein ruhiger sein“, hakte sie nach und erkundigte sich auch, ob Helene bereits Erfahrung im Umgang mit Hunden hatte.
Helene hörte gar nicht richtig zu, sondern schaute sich suchend um. Erst jetzt bemerkte sie, dass nicht alle Hunde nach vorn an die Stäbe gekommen waren. Einige lagen apathisch, oder ängstlich dreinblickend abseits.
„Ist Frau Brassert heute nicht da?“, erkundigte sich Helene. „Gerade unterwegs“ lautete die knappe Antwort. Einen Augenblick lang sah die Frau Helene prüfend an.
„Jetzt weiß ich, wer sie sind. Heike hat sie uns beschrieben. Sie haben den Bearded Colly g-e-f-u-n-d-e-n“, sagte sie misstrauisch. „Wo ist er denn?“, fragte Helene.
„Ein Hund ist kein Spielzeug, das man einfach abschieben kann, wenn es einem gerade in den Kram passt. Sie scheinen ein schlechtes Gewissen zu haben. Na, zeigen Sie mal her, was Sie da mitgebracht haben.“ Ihr Ton klang eine Spur versöhnlicher. Von oben herab.
Helene zog den Beutel mit den Hundesnacks aus der Tasche. „Einige Stückchen drücke ich hier in die Löcher dieses Zahnpflegeknochens“, fügte Helene hinzu.
Einen Moment lang starrte die Tierheimmitarbeiterin überrascht auf den blauen Stab.
Dann lachte sie so laut, dass sie die Blicke selbst der entferntesten Besucher auf sich zog.
„Sie haben wirklich keine Ahnung“, glaubte Helene dann zu verstehen, während sie sich beeilte, mit der Frau Schritt zu halten.
Als sie Helenes verärgerten Blick bemerkte, entschuldigte sich die Tierheimmitarbeiterin schnell.
Sie gingen an den Boxen entlang. Das laute Kläffen eines Tierheimbewohners ließ Helene unwillkürlich einen Schritt zurückweichen.
Sein Nachbar zur Linken wiederum versuchte Helenes Aufmerksamkeit mit einem charmanten Blick auf sich zu ziehen.
Sehr sauber hier. Manche Boxen sind sogar leer. Von Überbelegung also keine Spur. Hat er es doch gar nicht so schlecht hier, ging es Helene durch den Kopf.
„Nach dem Gesundheitscheck beim Arzt und einer gewissen Quarantänezeit können sich die Hunde im Freilauf austoben, wenn sie sich mit ihren Artgenossen vertragen“, sagte die Tierpflegerin.
Vorgestellt hatte sie sich nicht, dafür konnte sie Gedanken lesen.
„Seit Tagen liegt er so da, frisst nicht, trinkt nicht. Und das bei der Hitze“, erklärte sie schließlich.
Minutenlang stand Helene vor der Box, ohne dass sich das Tier rührte.
„Ist er tot?“ fragte sie traurig. In diesem Augenblick wandte sich der Hund ihr zu, erhob sich schwerfällig. Die Frau in der Latzhose öffnete die Box.
Als sei in seinem Kopf ein Schalter umgelegt, wirkte er plötzlich hellwach und sprang mit einem Satz so unerwartet auf Helene zu, dass sie fast umgefallen wäre.
Ohne zu zögern steckte er den Kopf in die Tasche und nahm sein Geschenk, das sich zum Glück zusätzlich in einer Plastiktüte befand, selbst heraus. Wohlig schmatzend biss er auf das Kunststoffteil.
Die Hundezahnbürste war für ein so starkes Gebiss offenbar nicht konzipiert. Blaue Einzelteile fielen zu Boden, manche kullerten noch ein Stück.
Der Collie suchte den Boden nach den Leckerchen-Bröckchen ab.
Als er alle verspeist hatte, nahm er ein Zahnrad in die Schnauze und legte es stolz Helene in die Hand.
Sabber tropfte aus seinen Lefzen. „Igitt“, entfuhr es Helene. Sie wich einen Schritt zurück und ließ prompt das Geschenk fallen.
„Wo kann ich mir die Hände waschen?“, rief sie mit einem Anflug von Panik in der Stimme. Der Hund erschrak und zog sich in die hinterste Ecke zurück.
„Ich komme mit Tieren eben nicht klar“, sagte Helene, machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Tierheim ohne der Tierpflegerin in die Büroräume zu folgen, wo sich auch der Waschraum befand.
Der Mantel war reif für die Reinigung, sah Helene zuhause.
Was scherte sie sich auch um Dinge, die sie wirklich nichts angingen, ärgerte sie sich und widmete sich endlich der riesigen Bügelmenge, die schon seit Tagen auf sie wartete.
Wie üblich schaltete sie das Radio ein. „Ihr Gute-Laune-Sommerradio“, dröhnte es aus dem Lautsprecher. Als sei das ganze Leben ein herrlicher Spaß. Helene hätte das Ding am liebsten aus dem Fenster geworfen.
Ob sie doch wieder einmal in Urlaub fahren sollte? Aber zum Alleinsein muss man nicht wegfahren. Das Geld konnte sie sich sparen.
Sie hatte keine Lust, im Restaurant den kleinen Tisch neben der Toilette zugewiesen zu bekommen, oder vom Kellner geringschätzig taxiert zu werden.
Kaum auszudenken, wie lange sie am Bügelbrett stünde, wenn sie nach zwei Wochen nach Hause käme.
Ob Jutta wohl jemals gebügelt hat? Was wusste sie eigentlich über Jutta?
Hallo, Helene, es ist Anfang Juni, nicht Mitte November, herrlicher Sonnenschein, nicht Tristesse.
Zeit, das Leben zu genießen, schallt sie sich selbst.
Morgen. Bestimmt.–Vielleicht.
Sie ordnete die Sachen in den Schrank ein, warf einen Blick in den Kühlschrank und bereitete sich drei, besser vier Vollkornbrote mit Käse und Tomaten zu, legte sie auf einen Teller, den sie dann auf den Wohnzimmertisch stellte.
Halb sechs, gute Zeit für eine Tasse Tee, überlegte sie gerade, als das Telefon klingelte.
„Ich bin´s“, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung nur. „Kommst du vorbei?“ „Ja“, antwortete sie knapp. Es bedarf nur weniger Worte, wenn man sich so lange kennt. Es tat gut, wie aufmerksam er ihr aus dem Mantel half.
„Ich wäre heute gern um die Regattabahn gewandert, oder die Sechs-Seen-Platte“, sagte sie. „Und, warum biste nicht?“, fragte er zurück. „Allein macht es keinen Spaß“, entgegnete sie.
„Oh, diese ewigen unterschwelligen Vorwürfe. Das ist ja nicht zum Aushalten“, beschwerte er sich.
„Ich kann ja wieder gehen“, antwortete sie trotzig und beeilte sich, ihren Mantel wieder anzuziehen. Er war noch warm. „Wie du willst“, murmelte er. Sie hatte es wohl nicht mehr gehört, eben warf sie die Tür ins Schloss.
Zuhause wollte sie noch ein wenig fernsehen, dann zu Bett gehen und sobald der Wecker klingelte war endlich diese Routine wieder da, diese Richtschnur, dieser Leitfaden, der das Leben einfacher machte. Routine ließ keine Spielräume offen.
„Danke für den schönen Abend“, begrüßte Heiner