Staatsfeinde. Hansjörg Anderegg

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Staatsfeinde - Hansjörg Anderegg

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immer dann, wenn er eine Auszeit vom Politik-Zirkus in Brüssel brauchte. Das war ziemlich häufig der Fall. Dann brannte schummriges Licht hinter roten Vorhängen in seiner Wohnung wie in einem Puff, so wie jetzt. Nur das übliche Schattenspiel fehlte an diesem Abend.

      Tom Fischer ging in den Hausflur zurück und schloss die Tür hinter sich, nachdem der Leichenwagen mit den sterblichen Überresten des Antiquars abgefahren war. Mit leidender Miene hielt er seiner Partnerin zur Versöhnung eine zerknitterte Tüte hin.

      »Gummibärchen?«

      Sie schüttelte wie üblich den Kopf und fragte zurück:

      »Aspirin?«

      Er würgte zwei Tabletten trocken hinunter. Sein Schädel würde deswegen nicht weniger brummen. Da musste man schon mit anderem Geschütz auffahren.

      »Wo bleiben die verdammten Rückmeldungen? Schlafen die alle noch? Befragt keiner die Hausbewohner?«

      »Viele sind es nicht. Gerade mal zwei Parteien wohnen hier nebst Herrn Rosenblatt. Seine Wohnung befindet sich im ersten Stock über dem Laden. Die Spusi hat nichts Auffälliges entdeckt, was mit dem Mord in Verbindung stehen könnte.«

      »Weiter oben? Hat denn kein Schwein diesen Schuss gehört?«

      Sie schüttelte den Kopf. »Wir müssen annehmen, dass der Täter einen Schalldämpfer benutzt hat.«

      »HK45 mit Schalldämpfer, Schuss aus nächster Nähe zwischen die Augen – ein Professioneller?«

      Sie zuckte die Achseln. »Vielleicht sollte es so aussehen. Ein Auftragskiller hätte allerdings zur Sicherheit auch noch …«

      »Auch noch in die Brust geschossen, ich weiß, bin ja kein Anfänger«, unterbrach er schnaubend. »Was ist mit den anderen Stockwerken?«

      »In der zweiten Etage wohnt ein Ehepaar Weber. Die sind seit einer Woche auf Kreuzfahrt im hohen Norden, kehren erst nächstes Wochenende zurück.«

      »Und zuoberst? Da brennt Licht. Die müssen etwas bemerkt haben.«

      Wieder schüttelte sie den Kopf. Es wurde allmählich zur Gewohnheit, was seine Laune nicht verbesserte.

      »Die ganze oberste Etage hat ein gewisser Albrecht Scholz gemietet, der bei der EU in Brüssel arbeitet, als Lobbyist der deutschen Automobilindustrie.«

      »Endlich mal ein vernünftiger Job. Was hat denn so einer in einem Kaff wie Aachen zu suchen?«

      »Wir sind dran. Der Background Check des Opfers und aller Anwohner läuft.«

      »Die sollen sich mal ein wenig Mühe geben. Und vergesst unsern Freund Phil Schuster nicht.«

      »Bin ich eine Anfängerin?«

      Er überhörte den Kommentar, sagte nur:

      »Dieser Lobbyist Scholz hat wohl auch nichts gehört oder gesehen, richtig?«

      »Keine Ahnung, er sagt bisher gar nichts. Niemand hat bis jetzt auf unser Läuten und Klopfen reagiert.«

      Er traute den Ohren nicht. Sein Gesicht lief rot an.

      »Herr Scholz ging wohl kurz Zigaretten holen, was?«, schnauzte er sie an. »Tür aufbrechen! Gefahr im Verzug, schon mal gehört?«

      Sie wandte sich kommentarlos ab, drehte sich jedoch nach zwei Schritten nochmals um.

      »Was? Noch so eine Überraschung überlebe ich nicht«, seufzte er händeringend.

      Sie ließ sich nicht beeindrucken.

      »Ich fürchte, da müssen Sie durch, Chef. Bei der Hintergrundprüfung ist unserem Analytiker aufgefallen, dass möglicherweise eine Verbindung zwischen dem Lobbyisten Albrecht Scholz und Phil Schuster besteht.«

      Die Welt hörte kurz auf zu drehen. Die Überraschung ließ ihn verstummen. Seine Augen hingen an ihren Lippen, als wäre sie im Begriff, Tausender-Chips zu spucken.

      »Sie haben doch selbst die Schmutzkampagne im Netz erwähnt. Sieht so aus, als sei Herr Scholz im obersten Stock das Ziel der Angriffe unter dem Hashtag #PlayboyScholz auf Twitter.«

      Er räusperte sich kraftvoll und spuckte dabei aus Versehen sein Gummibärchen aus. »Was hat das mit Phil Schuster zu tun?«

      »Vielleicht nicht so viel, wie wir vermuten. Die Hetze hat aber mit einigen Kommentaren eines gewissen @philister begonnen. Bisher konnten wir diesen Philister nicht identifizieren, aber ich denke, wir müssen den guten Phil Schuster zu diesem wohlklingenden Pseudonym befragen.«

      »Und ob«, krächzte er, »das erledige ich.«

      Beim Verlassen des Hauses fing ihn ein junger Uniformierter ab.

      »Was ist? Ich bin in Eile, wie man sieht.«

      »Entschuldigung Herr Hauptkommissar, ich denke, es ist wichtig.«

      »Na was denn? Lassen Sie›s endlich raus, Mann!«

      »Wir haben übereinstimmende Aussagen zweier Zeugen von gegenüber. Sie behaupten, ein Polizist sei ungefähr zur Tatzeit aus dem Haus gekommen und auf dem Motorrad Richtung Seilgraben davongefahren.«

      »Ein Kollege?«

      Der junge Mann nickte. »Motorradstreife, wie es scheint.«

      »Diesen Kollegen müssen wir so schnell wie möglich finden.«

      Der junge Polizist guckte verlegen aus der Wäsche.

      »Was ist jetzt schon wieder?«

      »Das Problem ist: Es gab zu der Zeit keine solche Streife in der ganzen Stadt. Wir haben alle Wachen angefragt. Niemand weiß etwas von diesem Kollegen.«

      Fischer spürte einen bitterem Geschmack im Mund, schob sich ein gelbes Gummibärchen ein und befahl:

      »Weiter suchen!«

      In Gedanken versunken betrat er das Haus, in dem Schuster wohnte. Der Kollege auf dem Motorrad war möglicherweise keiner. Dirty Harry – Phantom Harry, schoss ihm spontan durch den Kopf. Unwillkürlich fröstelte ihn. Aus Schusters Wohnung im zweiten Stock drang gedämpfte Klaviermusik. Er läutete und klopfte gleichzeitig. Kurz bevor er die Nerven verlor, öffnete Schuster die Tür einen Spaltbreit.

      »Sie schon wieder. Ich hätte es mir denken können«, seufzte er und ließ ihn eintreten.

      »Machen Sie das Geklimper aus. Wir müssen reden.«

      »Das Geklimper nennt sich Nocturne Opus neun Nummer zwei von Frédéric Chopin, und am Flügel sitzt Maurizio Pollini. Nocturne ist übrigens französisch und bedeutet Nachtstück, passt also.«

      »Ich bin nicht gekommen, um mir eine verdammte Vorlesung anzuhören, und der Herr Pollini soll sich meinetwegen aufs Klo setzen.«

      Schuster erwies ihm immerhin die Gnade, die Musik leiser zu stellen, sodass er den Apparat nicht erschießen musste.

      »Worüber

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