Zwang zu töten. Dieter Aurass

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Zwang zu töten - Dieter Aurass

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war, hatte diese unappetitliche Feuchte nichts mit der Witterung zu tun. Was für ein unangenehmer Zeitgenosse.

      „Okay, Herr Paschke, wollen wir uns setzen? Ich habe noch weitere Termine, und es wäre mir lieb, wenn wir möglichst schnell zur Sache kämen.“

      Der Mann wand sich ein wenig, als wäre ihm etwas peinlich. „Wäre es sehr schlimm, wenn wir zuerst zu meinem Wagen gehen, damit ich Ihnen das Produkt zeigen kann? Ich habe es im Kofferraum meines Wagens und möchte es nicht durch die Stadt tragen.“

      Diese Geheimniskrämerei begann Kellermann auf die Nerven zu gehen, aber er wollte einen potenziellen Kunden nicht zu einem so frühen Zeitpunkt verprellen.

      Der Mann schien zu merken, dass Kellermann ein wenig ungehalten wurde, und beeilte sich zu versichern: „Es dauert nicht lange, mein Wagen steht direkt hier im Altlöhr-Parkhaus, keine fünfzig Meter von hier. Es geht wirklich schnell, aber Sie müssen einen Blick auf das Produkt werfen, unbedingt. Dann können wir eine der größten Werbekampagnen planen, die Sie je hatten. Sie werden begeistert sein, versprochen.“

      Dessen war sich Kellermann nicht so sicher, aber er gab klein bei. „Okay, gehen Sie voran und zeigen Sie mir dieses geheimnisvolle Produkt. Auf ein paar Minuten mehr oder weniger kommt es nun auch nicht an.“

      Gemeinsam gingen sie zum Parkhaus und fuhren dort mit dem Fahrstuhl auf das oberste Parkdeck. Der Mann roch unangenehm nach Schweiß, was Kellermann dazu veranlasste, sich so weit wie möglich von ihm weg in eine Ecke des Fahrstuhls zu drücken. Endlich öffnete sich die Tür, und sein zukünftiger Klient eilte voraus. Kellermann folgte ihm langsam, um auch den Abstand zu ihm nicht zu klein werden zu lassen. Zielsicher steuerte der Mann auf einen kleinen Toyota zu, der neben einem dunklen Kleintransporter stand.

      Was soll das denn? Wenn der so einen Kleinwagen fährt, wie will der dann die Werbekampagne bezahlen?

      Kellermann begann zu befürchten, dass bei diesem Treffen nichts als verlorene Zeit herauskommen würde. Aber einen Blick auf das ominöse Produkt wollte er nun ja doch riskieren. Der Mann hatte gerade den Kofferraum aufgeschlossen und nach oben geklappt. Dann war er einen Schritt zur Seite getreten und wies mit einer Hand auf den geöffneten Kofferraum. „Voilà, sehen Sie und seien Sie beeindruckt!“

      Kellermann steuerte auf den Wagen zu und blickte in den dunklen Kofferraum, dessen Beleuchtung offensichtlich kaputt war. Das passte zu dem überhaupt schäbigen Eindruck, den das Fahrzeug machte. Er trat näher heran, blickte hinein und sah ... nichts.

      „Was ...?“, wollte er aufbegehren, als sich von hinten eine Hand mit einem Lappen auf seinen Mund presste. Der beißende Geruch nahm ihm den Atem, und als er erschrocken tief Luft holte, bemerkte er noch, wie ihm ganz schwummrig wurde. Im nächsten Moment gingen alle Lichter im Parkhaus aus ... und tiefe Dunkelheit umfing ihn.

      ***

      Langsam kehrte sein Bewusstsein zurück, und die erste Sinnesempfindung, die er verspürte, waren die hämmernden Kopfschmerzen.

      Was? Wo?

      Er spürte eine schaukelnde Bewegung, und als er versuchte, sich irgendwo abzustützen, bemerkte er mit Entsetzen, dass seine Hände hinter seinem Rücken gefesselt waren. Der plötzliche Adrenalinschub holte ihn gänzlich ins Hier und Jetzt und ließ ihn die Augen aufreißen, die mit einer klebrigen Substanz bedeckt zu sein schienen. Trotz der bohrenden Kopfschmerzen schüttelte er heftig den Kopf, und es gelang ihm tatsächlich, die zähe Flüssigkeit von seinen Augen wegzuschütteln. Was er erblickte, ließ ihn entsetzt aufschreien. Er hing kopfüber über einer Pfütze, und ein erschrockener Blick in Richtung seiner Füße offenbarte ihm gleich mehrere schockierende Dinge:

      Seine Füße waren mit einer Art Kette zusammengebunden, die über einen Ring in der Decke an eine etwa einen Meter entfernte Wand führte.

      Sein Blick blieb auch an seiner ehemals hellbeigen Designerhose hängen, bei welcher der Gürtel geöffnet war und die nicht mehr hell, sondern nun dunkelrot war – zumindest oberhalb seiner Oberschenkel in Richtung des Gürtels.

      Ein Blick nach unten zeigte ihm, dass sich sein Kopf etwa einen Meter über einer großen Pfütze befand. Ein süßlicher Geruch stieg von der Pfütze zu ihm auf, und es dauerte eine Weile, bis er ihn als Blutgeruch erkannte. Erst als ein Tropfen von seinem Kopf in die Pfütze tropfte und kurz darauf der nächste, dämmerte ihm, was die dunkle Verfärbung seiner ehemals hellen Hose zu bedeuten hatte.

      Es war SEIN Blut, das da heruntertropfte, und die Pfütze war bereits riesig. Er spürte keine Schmerzen, aber der Verdacht war naheliegend, dass er aus einer Wunde am Oberschenkel blutete.

      Was soll das? Warum hänge ich hier und blute? Was kann ich tun?

      Seine lauten Hilferufe und sein heftiges Schütteln und Schaukeln blieben ohne jede Wirkung ... außer, dass sich die Frequenz der in die Pfütze fallenden Tropfen etwas erhöhte.

      Er kam nicht umhin, von den stetig fallenden Tropfen so eingenommen zu werden, dass er begann, sie zu zählen. Auch die Frage, wie lange er diesen Blutverlust wohl würde überleben können, änderte nichts daran, dass er ohne Unterlass weiterzählte.

      35 – 36 – 37 ...

      Er merkte, wie ihm schummrig wurde und er sich immer schlechter konzentrieren konnte.

      51 – 52 – – 53 – – – 54 – – – – 55 ...

      Kapitel 1

      Tag 1

      Polizeipräsidium Koblenz, 09:15 Uhr

      Der Morgen hatte so friedlich begonnen, dass Kriminalhauptkommissar Ulf Auer sich nicht hätte vorstellen können, dass an diesem Frieden recht plötzlich etwas zerbrechen könnte.

      Er und sein Team von der Mordkommission des Polizeipräsidiums Koblenz hatten in Ruhe und gemeinsam Kaffee getrunken und sich dann an die Erledigung von Routinearbeiten gemacht: alte Akten aufarbeiten, Überstundenzettel ausfüllen, Reisekosten beantragen oder noch fällige Berichte zu Ende schreiben. Es gab immer etwas zu tun, auch wenn gerade kein aktuelles Tötungsdelikt ihre ungeteilte Aufmerksamkeit verlangte.

      Er lehnte sich bequem in seinem Bürostuhl zurück und ließ seinen Blick durch das Großraumbüro „seiner“ Mordkommission gleiten. Die anderen Mitglieder seiner Truppe saßen an ihren Schreibtischen und waren in ihre jeweilige Arbeit vertieft.

      Kriminaloberkommissar Gerd Duben, der niemals wirklich darunter gelitten hatte, dass er vom Hauptkommissar zum Oberkommissar degradiert worden war, weil er in volltrunkenem Zustand einen Dienstwagen gegen eine Wand gesetzt hatte. Der Siebenunddreißigjährige und inzwischen trockene Alkoholiker war Ulfs bester Freund, ein sehr zuverlässiger Ermittler und eine große Unterstützung.

      Kriminaloberkommissar Klaus Saibling, den alle nur „Fisch“ nannten, wobei keiner mehr wusste, ob er den Spitznamen seinem Nachnamen oder seiner Fähigkeit, sich aus allen Schwierigkeiten wie ein Aal herauszuwinden, zu verdanken hatte. Fisch war ein Computergenie und hatte sich schon mehrfach Disziplinarverfahren eingefangen, die aber alle ins Leere gelaufen waren, weil man ihm nie etwas bezüglich seiner teilweise illegalen Aktivitäten im Internet hatte nachweisen können. Der Zweiunddreißigjährige nahm es mit den gängigen Vorschriften, was den juristisch einwandfreien Zugriff auf das Internet anging, nicht wirklich genau, war aber immer so schlau gewesen, sich nicht erwischen zu lassen.

      Das älteste Mitglied der Truppe, der siebenundfünfzigjährige Harald „Harry“ Kruse, war im Grunde

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