666 Der Tod des Hexers. Micha Krämer

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666 Der Tod des Hexers - Micha Krämer

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gedacht, ich erledige das eben schnell für dich“, lästerte er zurück.

      Mit dem letzten Schluck Wasser nahm sie die Tablette ein und nahm sich dann des Kaffees an. Er tat wahrlich gut. Zwar half der nicht gegen den Kater, doch zumindest der pelzige Geschmack auf ihrer Zunge ließ ein wenig nach.

      „Sag mal, Sarika, war das Blut auf deiner Jacke eigentlich von dir? Hattest du wieder Nasenbluten?“, fragte Klaus, während er den Body der Gitarre mit einem feuchten Tuch abwischte.

      „Ach das … Nee, das war nicht von mir“, antwortete sie und musste nun automatisch wieder an den kleinen Eklat am gestrigen Abend denken.

      Klaus nickte zufrieden, schien aber immer noch auf eine Erklärung zu warten. Obwohl Sarika ihren Vater erst seit etwas über anderthalb Jahren kannte, waren da ein sehr inniges Band und eine große Vertrautheit zwischen ihnen beiden. Ständig bekam sie mit, dass Freunde und Bekannte in ihrem Alter Stress mit den Eltern hatten. Bei ihr war das nicht so. Vielleicht lag es daran, dass sie Klaus erst kennengelernt hatte, als sie bereits erwachsen war. Er war mehr ein guter Freund als ihr Vater. Sie beide hatten so viel gemeinsam. Nicht nur die Musik. Wobei die schon einen besonderen Stellenwert zwischen ihnen einnahm. Musik war einfach ihr beider Ding. Auch das Verhältnis zu ihrer Stiefmutter Nina würde Sarika als ausgesprochen gut bezeichnen. Nina hatte sie, die Tochter aus einer früheren Beziehung ihres Mannes, mit offenen Armen aufgenommen und respektierte sie so, wie sie war. Klar waren sie nicht immer einer Meinung. Gelegentlich krachte es auch schon mal. Doch nach Regen kam bekanntermaßen auch immer wieder Sonnenschein. Kurzum, Sarika war gerne hier bei ihrem Vater und dessen Familie im Westerwald.

      „Das Blut stammt von Fabrice“, gab sie deshalb zu.

      „Eurem Gesangstalent?“, höhnte Klaus.

      „Ja … nee … Das hat sich gestern Abend ausgesungen mit dem Arsch“, erklärte sie.

      „Ihr habt ihn also endlich gefeuert?“ Die schadenfrohe Erleichterung in seiner Stimme war überdeutlich zu vernehmen. Sarika wusste, dass ihr Vater Fabrice vom ersten Moment an nicht hatte leiden können. Sie hatte das zuerst anders gesehen … anders sehen wollen. Der Typ sah gut aus, seine Gesangsstimme war nicht schlecht, taugte aber für die Art von Musik, die sie machen wollten, nicht wirklich. Fabrice wäre vermutlich in einer Schlagercombo besser aufgehoben. Wenn er lauter oder höher sang, wie es im Metal häufig vorkam, kippte seine Stimme und war nur noch Geschrei abseits der Tonlage. Sarika hatte sich von ihm blenden lassen. Ja, sie hatte sogar einen Moment geglaubt, etwas für ihn zu empfinden. Doch da war sie nicht die Einzige gewesen. Fabrice hatte alles angegraben, was nicht bei drei auf den Bäumen war.

      „Ja, haben wir“, bestätigte sie, obwohl es nicht ganz dem entsprach, was geschehen war. Doch was zählte, war schließlich das Endergebnis.

      „Und? Habt ihr schon jemand Neuen?“, wollte Klaus wissen. Sarika verdrehte die Augen. Irgendwie war ihr das heute Morgen viel zu viel Konversation.

      „Nee, wir überlegen noch. Es gibt Ideen, is aber jetzt auch nicht so wichtig“, wich sie aus und griff sich ihr Mobiltelefon vom Tisch, um zu schauen, ob es eventuell Kommentare oder Posts zu dem gestrigen Auftritt bei Instagram, Facebook und Co. gab.

      Bereits einer der ersten Beiträge in ihrer Timeline erweckte Sarikas Aufmerksamkeit. Fabrice, ihr Ex-Frontmann, hatte ein Video auf der Fanpage der Band hochgeladen und geteilt. Sie klickte darauf und schaltete den Ton ein. Der würde doch jetzt hoffentlich nicht öffentlich über seinen Abgang aus der Band lamentieren. So ein Mist. Sie hätte ihm gestern Abend noch die Adminrechte auf die Witchwar-Page aberkennen sollen.

      Das Filmchen war von schlechter Qualität. Alles viel zu dunkel. Das Einzige, was man erkennen konnte, war Fabrices Gesicht. Sein Auge war zugeschwollen und blutunterlaufen. Hatte sie tatsächlich so hart zugeschlagen? Vielleicht wegen des Schlüsselbundes? Auf seiner Stirn war, vermutlich mit Blut, die Zahl 666 geschmiert oder sogar eingeritzt worden. Das Licht flackerte auf seinem ansonsten blassen Antlitz. Sarika kniff die Augen zusammen und sah genau hin. Ja, das schienen eindeutig Kerzen zu sein, die sich in seinen glasigen Pupillen spiegelten. Fabrice weinte. Wobei das nichts heißen musste, da er dies, wie Sarika glaubte, auf Kommando konnte. Der Typ war ein Waschweib sondergleichen.

      „Mein Name ist Fabrice Gladenberg. Ich bekenne mich schuldig der Hexerei. Ich habe dem Zauberlaster gefrönt und mehrfach bösen Zauber getan. Ich habe mit dem Teufel gebuhlt und bin von Gott abgefallen“, wimmerte Fabrice. Sarika starrte mit aufgerissenem Mund gebannt auf den kleinen Bildschirm. So eine Wahnsinnsshow und ein schauspielerisches Talent hätte sie dem Depp gar nicht zugetraut. Die Frage war nur, was er damit bezweckte. Sie merkte, wie Klaus sich erhob und sich zu ihr auf die Eckbank schob, und hielt das Gerät nun so, dass er mitschauen konnte.

      „Auf den Tanzplätzen habe ich mit den anderen Hexen und Hexern unzüchtig getanzt, getrunken und gebuhlt. Gesehen habe ich dort Lena Binenbacher, Selina Marksdorf, Fabienne Luca und Sarika Zielner“, stammelte er nun auch noch die Namen der kompletten Bandmitglieder herunter. Dann war das Video zu Ende.

      Sarika zitterte vor Wut. Was zum Kuckuck sollte dieser Mist?

      „Spiel das bitte noch mal ab“, bat Klaus sie. Sarika wollte schon den Play-Button betätigen, als das Telefon in ihren Händen zu vibrieren begann. Der Anruf kam von Selina. Sarika konnte sich denken, was die Bassistin wollte. Vermutlich hatte sie das Video ebenfalls gerade gesehen.

      Kapitel 2

      Sonntag, 8. August 2021, 9:13 Uhr

      Friesenhagen/Rote Kapelle

      Nina nutzte die Zeit bis zum Eintreffen der Kollegen von der KTU, um sich die Umgebung anzusehen. Thomas war zum Auto gegangen, um seine Kamera zu holen. So etwas brauchte Nina nicht. Teure Kameras wurden ihrer Meinung nach heutzutage, wo es Mobiltelefone mit einer solchen Funktion gab, vollkommen überbewertet. Sie war selbst immer wieder erstaunt, wie toll zum Beispiel die letzten Urlaubsfotos geworden waren. Super Farben und alles gestochen scharf. Wenn sie da an solche Bilder aus ihrer Jugend dachte, die mit einem für damalige Verhältnisse super Fotoapparat gemacht worden waren, dann war das kein Vergleich mehr.

      Sie zückte also ihr Handy und begann zu fotografieren. Die beiden Bäume vor der Kapelle, die Kapelle selbst, die Hinweistafel aus Holz, auf der auf die Hexenprozesse vor beinahe vierhundert Jahren eingegangen wurde.

      Bilder vom Tatort und der Umgebung konnte man nie genug haben. Außerdem kosteten Handyfotos ja nichts, da man anders als früher keinen Film entwickeln musste.

      Sie ging zur Kapelle, betrachtete die Tür und stutzte, als sie die Blutstropfen auf der steinernen Stufe und dem Basaltpflaster davor entdeckte. Nina beugte sich vor und sah durch die kleine Scheibe. Sie hätte nicht damit gerechnet, dass die Kapelle so hübsch eingerichtet war. Alles sah aus, wie man es auch in einer richtigen Kirche erwarten würde. Der Boden war aus Steinplatten, auf denen zwei Teppichläufer lagen. Der eine von der Türe zum Altar. Der andere quer vor selbigem. Rechts und links an der Wand standen Klappstühle aus Holz mit roten Sitzkissen. Im gleichen Rot wie das Tuch auf dem Altar. In der Nische, hinter dem mit frischen Blumen und Kerzen geschmückten Altar, thronte lebensgroß die Gottesmutter. Wobei …nein. Eine Marienstatue konnte das eigentlich nicht sein, da diese ja das Jesuskind im Arm gehalten hätte. Stattdessen hielt diese Frau ein offenes Buch in den Händen. Zu ihren Füßen kniete ein Kind. Vermutlich irgendeine Heilige und für den Fall nicht weiter wichtig.

      Aus einer Eingebung heraus drückte Nina die Klinke der Tür herunter und war nicht wirklich erstaunt, dass das kleine Gotteshaus nicht verschlossen war. Sie zerrte das Paar Einweghandschuhe, das sie sich aus Küblers Wagen mitgenommen hatte, aus der rechten vorderen Tasche ihrer Jeans und streifte sie über. Erst dann

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