666 Der Tod des Hexers. Micha Krämer

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666 Der Tod des Hexers - Micha Krämer

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von Torsten Liebig sagen. Sie drehte sich um und sah ihn an. Er steckte wie immer, wenn er einen Tatort betrat, in einem der Einwegpapieranzüge.

      „Wieso, was meinst du?“, erkundigte sie sich, obwohl sie genau wusste, was er meinte. Wenn es in der Kapelle etwas zu finden gab, wenn hier ein Tatort war, dann war sie gerade dabei, ihn mit ihren Spuren zu kontaminieren. Dass hier etwas geschehen war, schien ihr beinahe außer Frage.

      „Das weißt du ganz genau“, beschied der Kollege sie derweil.

      Nina ließ sich nicht beirren und blickte sich um. Mitten in dem Raum stand außer einem der Klappstühle ein Gestell für Opferkerzen. Rechts neben dem Altar lagen auf einen Haufen geworfen Kleidungsstücke und ein abgegriffener Rucksack. Überall auf dem steinernen Fußboden rechts und links des Teppichs befanden sich kleinere Blutspritzer. Zumindest ging sie nicht davon aus, dass hier jemand Farbe verspritzt hatte.

      „Nina, jetzt komm da raus“, quengelte Torsten.

      „Jaja … schon gut. Aber ich möchte als Erstes gerne wissen, was da in dem Rucksack ist“, antwortete sie, deutete auf das Objekt der Begierde und bewegte sich dabei langsam rückwärts in Richtung Ausgang.

      „Nina, kommst du mal?“, hörte sie Thomas rufen, der zusammen mit Kriminaloberkommissarin Heike Friedrich-Liebig, der Frau von Torsten, an der Motorhaube eines Streifenwagens lehnte und auf ein Computertablet starrte.

      Nina ging zu ihnen hin und begrüßte erst einmal Heike mit einer freundschaftlich angedeuteten Umarmung. Die Beziehung zu der Kollegin war noch nie so gut gewesen wie in den letzten Monaten. Anfangs, damals bei ihrer ersten Begegnung, hatte Nina die blonde Frau mit der Wuschelmähne überhaupt nicht leiden können. Doch mittlerweile war da eine richtige Freundschaft gewachsen.

      „Moin, Heike, was gibt’s denn?“, wollte Nina wissen, da Heike irgendwie besorgt dreinschaute. Die Kollegin deutete auf das iPad in Küblers Händen. „Vorhin hat eine ziemlich aufgelöste Mutter auf der Dienststelle angerufen. Ihr Sohn ist heute Nacht nicht nach Hause gekommen. Auf der Facebookseite seiner Band hat er ein ziemlich verstörendes Video hochgeladen. Die Frau hat Angst, er könne sich etwas antun … Aber schau es dir mal besser selbst an“, erklärte Heike, während Thomas den Film startete.

      Nina erkannte den Jungen sofort. Es war Fabrice, der Sänger von Sarikas Band. Er sah übel aus. Ein Auge war blutunterlaufen, daneben eine Platzwunde. Die langen Haare klebten auf seiner verschwitzten Stirn, auf der Zahlen zu erkennen waren. Was er zu sagen hatte, klang wirr, aber in Anbetracht dessen, was sie heute Morgen hier an diesem Ort schon gesehen hatte, irgendwie logisch. Nachdem das Video geendet hatte, ruhte Ninas Blick noch eine gefühlte Ewigkeit auf dem Scheiterhaufen mit den verkohlten menschlichen Überresten. Mit einem Mal war ihr auch klar, woher sie den Rucksack kannte, der neben dem Altar in der Kapelle lag.

      „Wann hat er das Video hochgeladen?“, erkundigte sie sich bei Kübler, der ebenfalls sehr still und nachdenklich war.

      „Ähm …“, er tippte auf dem Display des iPads herum, bis er fand, was er suchte.

      „Laut dem, was hier steht, vor einer Dreiviertelstunde. Genauer gesagt, vor siebenundvierzig Minuten“, las er ab.

      Nina schüttelte unmerklich den Kopf. Das konnte nicht sein. Vor einer Dreiviertelstunde war der Mann auf dem Scheiterhaufen schon tot gewesen. Der Brand war bereits vor fast zwei Stunden gemeldet worden. Dennoch wurde sie das Gefühl nicht los, dass der verbrannte Körper der von Fabrice Gladenberg, dem Sänger der Band Witchwar, war.

      „Thomas, finde heraus, von wo und wann das genau hochgeladen wurde. Heike und ich fahren gleich zu Frau Gladenberg. Das ist die Mutter von Fabrice“, gab sie Anweisung und rannte dann zurück zu der Kapelle. Sie musste jetzt wissen, was in dem Rucksack war und von wem er stammte.

      Die Dusche hatte Sarika gutgetan. Wobei es natürlich auch an dem Kaffee und der Kopfschmerztablette liegen konnte, die sie genommen hatte. Die Sache mit Fabrice lag ihr schwer im Magen, und ihr Entschluss stand fest. Sie würde jetzt zu ihm fahren und ihm das Passende sagen. Die Adminrechte für die Facebook- und Instagram-Pages der Band hatte sie ihm, direkt nachdem sie das Video angeschaut hatte, entzogen. Der Link zum Video selbst war auf der Seite entfernt. Dennoch war es immer noch im Netz über die private Seite von Fabrice zu sehen. Da er nicht an sein Telefon ging und die Gladenbergs keinen Festnetzanschluss besaßen, musste sie also wohl oder übel zu ihm hinfahren und ihn auffordern, den Mist unverzüglich zu löschen. Als sie in die Küche kam, um Klaus zu sagen, dass sie kurz weg sei, war der nicht mehr da. Ein Blick aus dem Fenster in die Einfahrt brachte Klarheit, da der orangene VW Bulli ihres Vaters gerade aus der Einfahrt rollte. Vermutlich war er los, um die Zwillinge abzuholen, die bei Ninas Mutter übernachtet hatten.

      Sie schnappte sich also noch eine Banane als Frühstück von der Anrichte und verließ dann ebenfalls das Haus. Keine Minute später bog sie mit ihrem bereits ziemlich betagten Mercedes SLK auf die Steinerother Straße in Richtung Betzdorf. Als sie an der roten Ampel in Höhe der Post hielt, kam ihr der Gedanke, dass sie vermutlich ja noch gar nicht hätte selbst fahren dürfen. Die letzte Wodka Cola hatte sie gegen zwei Uhr morgens getrunken. Obwohl sie sich nicht mehr betrunken fühlte, war sie dennoch fast sicher, dass, wenn die Polizei sie anhielt und ins Messröhrchen blasen ließ, es eng werden könnte für ihren Führerschein. Einen Moment überlegte sie daher umzudrehen. Aber nein, sie musste das mit Fabrice jetzt ein für alle Mal klären. Warum sollten die Bullen sie auch anhalten, wenn sie ordentlich fuhr? Per Knopfdruck öffnete sie das Verdeck. Sicher war sicher, so konnte es im Wagen unmöglich nach Alkohol riechen, sollte sie doch noch gestoppt werden.

      Bis Harbach, so hieß der Ort, in dem die Gladenbergs lebten, brauchte sie keine zehn Minuten. Als sie in die Einfahrt zu dem alten Fachwerkhaus bog, war sie im ersten Moment ein wenig irritiert, da dort bereits ein roter 911er Porsche parkte, den sie nur zu gut kannte und den sie hier auf gar keinen Fall vermutet hätte. Was machte ein Dienstwagen der Kriminalpolizei vor dem Haus der Gladenbergs? Waren Kübler und Nina vielleicht bei Fabrice? Aber weshalb? Klaus hatte ihr vorhin erzählt, die beiden hätten zu einem Todesfall nach Friesenhagen gemusst. Ihr Restalkohol fiel ihr wieder ein. Nina würde ihr vermutlich nicht den Kopf abreißen. Bei Kübler war sie sich da allerdings nicht so sicher. Der Typ war irgendwie ein Spießer und ging bestimmt zum Lachen in den Keller. Nein, es würde wohl das Beste sein, wenn sie hier schnellstens wieder die Biege machte. Sie legte den Rückwärtsgang ein und schoss dann mit durchdrehenden Rädern zurück auf die Straße. Gerade als sie am Ortsausgang das Ortsschild passierte, klingelte ihr Telefon. Der Name des Anrufers wurde auf der Anzeige neben dem Tacho angezeigt. Sie hätte es sich denken können, dass Nina sie gerade gesehen hatte. Sie nahm das Gespräch also an und meldete sich lediglich mit einem: „Ja hallo?“

      „Sarika, Liebes … Würdest du bitte wenden und zurück­kommen?“, wies ihre Stiefmutter sie an.

      „Ja, okay“, willigte sie ein und wendete den Wagen bei der nächsten Gelegenheit in einem Forstweg.

      Frau Gladenberg war sichtlich besorgt um ihren Jungen. Wozu sie natürlich allen Grund hatte. Nina und Heike hatten auf der Fahrt nach Harbach besprochen, den Eltern gegenüber erst einmal noch nichts von dem verbrannten Leichnam zu sagen. Vorerst war der Junge ja nur verschwunden. Der Rucksack in der Kapelle gehörte, dieser Verdacht hatte sich bestätigt, Fabrice Gladenberg. Dieser Umstand bedeute allerdings noch lange nicht, dass er auch das Mordopfer war. Dass es sich um einen Mord handelte, war für Nina ebenfalls eine unumstößliche Tatsache. Niemand enthauptete sich selbst und legte sich auf einen Scheiterhaufen. Nein, für so etwas gehörten immer noch mehrere dazu. Das Zimmer von Fabrice, bei dem

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