Die Tote von der Maiwoche. Alida Leimbach

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Die Tote von der Maiwoche - Alida Leimbach

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müssen, wie eng die Personaldecke gestrickt ist. Da kann ich mir nicht einfach eine Auszeit nehmen und sagen: ›Hey, ich melde mich mal eben ab und fahre an die Nordsee.‹«

      »Zusammenziehen wollt ihr nicht?«

      »Du sagst das so einfach. Henning lebt an der Küste und fühlt sich sehr wohl da. Seine Eltern betreiben ein Hotel in Norden, und er hängt sehr an seinem Opa, der in einem Pflegeheim in Greetsiel lebt. Den besucht er regelmäßig. Henning kommt auch mit seinen Kollegen bei der Polizei gut klar. Und ich … Es ist schwierig, weißt du. Ich hänge auch an meiner Familie, selbst wenn ich sie momentan nicht oft sehe, und an Osnabrück. Ich könnte mir nicht vorstellen, woanders zu leben. Fast mein ganzes Leben habe ich in Osnabrück verbracht, bis auf die Ausbildungsjahre in Hannover. Und ich hänge an euch als Kollegen. Ich will keine anderen. Mit Henning zusammenzuarbeiten stelle ich mir schwierig vor. Wenn man den ganzen Tag aufeinanderhängt, sind Konflikte vorprogrammiert. Und seinen Kollegen Fiete Bontjes finde ich nicht besonders sympathisch. Den habe ich ja kurz kennengelernt, als ich an der Küste ermittelt habe. Der erste Eindruck hat mir gereicht. Er hat ein antiquiertes Frauenbild. Frauen sind seiner Meinung nach in der Berufswelt nur gut als Sekretärinnen und Kaffeeköchinnen. Nee, mein Entschluss steht: Ich will nicht von hier weg.«

      »Bist du sicher? Wir können doch Kontakt halten, wenn du nach Norden ziehst. Durch das Internet ist das alles kein Problem. Obwohl ich zugeben muss, dass ich es persönlich ziemlich doof fände. Aber es geht ja nicht um mich«, sagte er lapidar und sah sie treuherzig an.

      »Ich weiß, Daniel. Sehr großzügig von dir.«

      »Ab und zu kann selbst ich mal altruistisch sein, auch wenn’s mir schwerfällt. Du musst halt Prioritäten setzen. Was ist dir wichtiger: Henning oder deine Leute in Osnabrück?«

      »Ich hasse solche Fragen«, schnaubte sie und schaltete in den nächsthöheren Gang.

      »Wenn es wirklich die große Liebe ist, solltest du die Frage leicht beantworten können«, sagte Daniel mit einem hoffnungsvollen Seitenblick. Er hatte aus seiner Zuneigung zu ihr nie einen Hehl gemacht. »Im Grunde suchen wir doch alle nur unser Gegenstück, oder? Wir brauchen einen Seelenverwandten, den Menschen an unserer Seite, mit dem wir uns vorstellen können, alt zu werden. Wir alle wollen doch nur eins: ankommen im Leben. Glücklich sein, aufgehoben sein, uns wohlfühlen.«

      »Hm«, machte sie und schaltete zurück, da sie auf eine rote Ampel zufuhr. Insgeheim wunderte sie sich. So kannte sie ihn gar nicht. Daniel, der Dummschwätzer, der mit den blöden Sprüchen und dem unsteten Leben. Daniel, der seine Frauen so oft wechselte wie andere Leute ihre Unterwäsche. »Irgendwann muss eine Entscheidung her, das ist klar. Aber nicht heute.«

      Schweigend fuhren sie über die enge, dicht befahrene Lotter Straße zur Dienststelle am Kollegienwall. Bis Daniels Handy sie laut klingelnd aus ihren Gedanken riss.

      »Oma Hilde«, meinte er. »Die ruft sonst nie um diese Zeit an. Entschuldige, Birthe, ich muss mal eben rangehen.« Er wischte über den Bildschirm. »Oma, was gibt’s?«

      »Ich habe mich ganz arg verletzt!« Ihre ältliche Stimme schepperte durch den Lautsprecher.

      »Was ist passiert?«

      »Ich habe mich an der Brotschneidemaschine geschnitten. Das ist mir noch nie passiert! Deine Mutter kann ich nicht erreichen! Was soll ich tun?«

      »Ist ein Finger ab?«

      »Nee, das nicht. Aber es blutet wie verrückt. Ich brauche doch die rechte Hand!«

      »Dann ist es nicht so schlimm. Oma, bleib ganz ruhig. Binde dir ein sauberes Geschirrtuch um die Hand und lass dich von einem Taxi zum Hausarzt bringen!«

      »Wo ist Bärbel? Ich rufe sie dauernd an, aber sie geht nicht ran!«

      »Irgendwo zwischen Mallorca und Gran Canaria«, sagte er. »Sie kommt in zwei Wochen wieder. Macht eine Kreuzfahrt. Hat sie dir das nicht erzählt?«

      Pause. Nur ein lautes Schnaufen war vernehmbar. »Doch, hat sie. Jetzt erinnere ich mich. Was soll ich denn tun? Ich weiß nicht weiter.«

      »Taxi bestellen und zum Arzt fahren«, wiederholte er noch mal lauter. »Mit sauberem Tuch verbinden und ab zum Doc.«

      »Was sagst du? Ich verstehe dich nicht!«

      »Taxi und Onkel Doktor!«, brüllte er ins Telefon. »Heute Abend komme ich vorbei und schaue mir die Sache an.«

      »Ist gut, Daniel, danke! Gib mir mal die Handynummer von Bärbel, ich will sie anrufen! Hab das Notizbüchlein mit ihrer Nummer verlegt.«

      »Sie ist nicht da, wird sich aber bei dir melden. Tschüss, Oma, bis nachher!«

      Er legte auf. »Typisch Oma«, sagte er zu Birthe, »immer auf der Suche – nach ihrer Brille, ihren Zähnen, ihren Medikamenten oder ihrem Haustürschlüssel. Alt ist sie geworden in der letzten Zeit. Früher hat die Oma auf mich aufgepasst, jetzt ist es umgekehrt.«

      Birthe nickte. »Das ist der Lauf der Zeit. Sei froh, dass du noch eine Oma hast! Weißt du was, wir gehen morgen zusammen zum Konzert«, sagte sie, als sie gerade das Felix-Nussbaum-Haus passierten.

      »Klar gehe ich mit dir da hin«, stellte er fest und grinste. »Ich würde überall mit dir hingehen.«

      Sie antwortete nicht, schüttelte nur leicht den Kopf.

      »Was findest du eigentlich an ihm? Hast du das Gefühl, ihr passt zusammen?«

      Birthe wollte nicht über Henning reden. Ihre rosarote Brille hatte sie ohnehin längst abgelegt. Sie hatte sich die Beziehung mit ihm einfacher vorgestellt. Als sie sich vor fast einem Jahr in Norden kennengelernt hatten, war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sie hatte geglaubt, in Henning Achterdiek den Mann ihres Lebens gefunden zu haben. Stundenlang hatten sie geredet, gelacht, gefachsimpelt, aber auch tiefgründige Gedanken geteilt. Schöne Tage waren das gewesen in Norddeich, mit langen Strandspaziergängen, leckerem Fisch am Hafen und einem wunderschönen Sonnenuntergang am Meer. Manchmal wurde ihr wehmütig ums Herz, wenn sie an ihre Anfänge zurückdachte.

      *

      Henning kam ihr im Flur entgegen, als sie knapp zwei Stunden später die Haustür aufschloss. »Hab’s schon gehört«, sagte er. »Die Tote war Sängerin, gehörte zu einer Osnabrücker Band. Läuft gerade nicht wirklich rund mit uns, was?«

      Sie ließ sich von ihm in die Arme ziehen. »Leider nicht«, sagte sie. »Es tut mir sehr leid. Ich hatte mir den Tag mit dir auch anders vorgestellt!«

      »Möchtest du einen Tee? Ich habe eine Kanne auf dem Stövchen stehen.« Er ging vor in die Küche und sie folgte ihm, nahm Platz auf der Eckbank aus den 60er-Jahren, die Birthe mal vom Sperrmüll geholt hatte.

      Er brachte ihr einen Becher und schenkte auch sich nach. Ihr fiel auf, dass er neue Jeans trug und ein blau-gelb kariertes Hemd, das sie noch nie an ihm gesehen hatte. Anscheinend war er außerdem vor Kurzem beim Friseur gewesen, denn seine Haare waren kürzer als sonst. Sie schämte sich, dass sie ihn jetzt erst richtig wahrnahm, obwohl er schon gestern angereist war und sie am Morgen zusammen gefrühstückt hatten. »Was hast du gemacht in den letzten Stunden?«, fragte sie und nippte an dem Tee. Plötzlich merkte sie, dass Tränen in ihr aufstiegen. Das geplatzte Wochenende mit Henning, Müdigkeit, Erschöpfung, die Konfrontation mit den Eltern des Opfers – es war gerade alles zu viel. »Die gemeinsame Zeit mit dir ist sowieso immer zu kurz. Umso

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