Die Tote von der Maiwoche. Alida Leimbach

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Die Tote von der Maiwoche - Alida Leimbach

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die Eckbank in der Küche, darauf war sie besonders stolz. Vor Kurzem hatte jemand ein dunkelrotes ostfriesisches Teesofa an die Straße gestellt. Birthe hatte sich keinen Meter davon fortbewegt, nachdem sie es entdeckt hatte. Sie hatte ein Großraumtaxi bestellt und das gute Stück zwei Straßen weiter zu sich nach Hause transportieren lassen. Erstaunlicherweise passte es sogar gut zu ihrem pinkfarbenen Ohrensessel.

      Nach dem Frühstück liebten sie sich erneut. »Bitte mach, dass es für immer so bleibt«, sagte sie danach, während ihr Kopf an seiner Schulter ruhte. »Die Vertrautheit, das Gefühl, bei dir aufgehoben zu sein – bleib doch einfach. Bitte! …« Sie sah ihn flehentlich an. Ausgerechnet in diesem Moment klingelte ihr Handy, doch sie ignorierte es.

      Er küsste ihr Haar und streichelte ihren Nacken. »Willst du nicht drangehen?«, murmelte er schlaftrunken. »Vielleicht ist es wichtig?«

      »Was kann schon wichtiger sein als das hier? Ich mag nicht. Im Augenblick nicht. Ich will mich noch nicht von dir trennen«, sagte sie leise. »Es tut mir richtig körperlich weh, wenn einer von uns weg muss nach einem so schönen Wochenende, auch wenn das jetzt kitschig klingt. Aber es ist die Wahrheit. Ich fühle mich furchtbar. Wie zerrissen. Ohne dich ist alles wie abgeschnitten, leer und irgendwie kalt.«

      Wieder küsste er ihr Haar. »Ach komm, geh dran, Schatz. Ich bleibe ja noch ein bisschen. Eigentlich sollten wir längst aus den Federn sein.« Er reckte sich und gähnte.

      Seufzend angelte sie ihr Diensthandy vom Nachttisch und war schon nach wenigen Sekunden hellwach. Die Staatsanwältin Maria Koswalla war dran, um ihr mitzuteilen, was die Arbeit der Spurensicherung bislang ergeben hatte. Besonders auffällig seien frische Schuhabdrücke im Hausflur und in der Wohnung des Opfers gewesen, die nicht von Jessica Wagner stammten.

      »Andere Schuhgröße, nehme ich an?«, mutmaßte Birthe.

      »Nicht einmal das«, gab Koswalla zurück. »Jessica Wagner hatte für ihre geringe Körpergröße erstaunlich große Füße. Es ist die Breite des Schuhs und vor allem das Profil, was den Unterschied ausmacht. Schuhe dieser Art wurden nicht in Wagners Wohnung gefunden. Gerade im leicht staubigen Treppenhaus konnten die Leute von der KTU die Abdrücke des Profils gut sichern und von anderen, etwas älteren Abdrücken unterscheiden. Es handelt sich um breite Arbeitsschuhe Größe 41 oder Boots, vom Profil her möglicherweise Doc Martens. Jessica Wagner hat zwar Schuhe in gleicher Größe besessen – auch eine Nummer kleiner –, aber elegantere, femininere Modelle.«

      »Okay«, sagte Birthe und erinnerte sich an Wagners Erscheinungsbild. Am Abend ihres letzten Auftritts hatte sie silberfarbene Riemchensandaletten getragen. »Was ist mit Genspuren?«

      »Es ist schwierig. Da sind so viele. Das Opfer hat vermutlich in den Tagen vor seinem Tod Besuch von mehreren Personen gehabt. Keine der Spuren ist in unserer Datenbank erfasst. Ach, und da ist noch etwas.« Die Staatsanwältin machte eine kurze Pause. »Die dunklen Haare, die die Kollegen vom KTU in der Küche und im Wohnzimmer des Opfers sichergestellt haben, sind gefärbt. Es sind die Haare einer Frau.«

      Birthe musste die Information kurz sacken lassen. »Können wir einen männlichen Täter ausschließen?«

      »Leider nicht. Es wurden auch graue Haare mit einer männlichen DNA gefunden. Im Schlaf- und Wohnzimmer des Opfers fand sich weitere männliche DNA, die in der Täterkartei nicht erfasst ist. Was haben Sie inzwischen herausgefunden? Was haben die Zeugenaussagen ergeben?«

      Birthe unterrichtete sie über die ersten Befragungen im Umfeld des Opfers.

      Maria Koswalla schien sich damit zufriedenzugeben, denn sie hatte keine Fragen.

      »Die kennt auch kein Wochenende, keinen Feierabend und keinen Feiertag«, sagte Birthe, nachdem sie aufgelegt hatte. »Ein Job wie der lässt sich nur machen, wenn man keine Familie hat, wenn man völlig ungebunden ist. Wann sehen wir uns wieder?«

      Er lächelte schief. »Ich hoffe, in zwei Wochen. Versprechen kann ich leider nichts.«

      »Ich hasse diese Ungewissheit.«

      »Ich auch, Schatz. Es muss nicht so bleiben. Aber du willst es ja nicht anders.«

      »Fang nicht wieder damit an.«

      »Okay«, sagte er und reckte sich. »Dann lass uns jetzt zur Maiwoche fahren, wenn wir beide nicht mehr damit anfangen wollen.«

      »Ich hoffe, du bist mir nicht böse, aber ich muss Privates mit Dienstlichem verbinden. Wir müssen zu Currywurstbuden.«

      »Currywurst? Ich würde gerne mal Asiatisch essen.«

      »Das Opfer, Jessica Wagner, hat als letzte Mahlzeit eine Currywurst gegessen. Wir müssen wissen, wo sie sie gekauft hat und ob sie dabei mit jemandem zusammen gesehen worden ist. Obwohl ich mir da ehrlich gesagt wenig Chancen ausrechne, bei dem Getümmel auf dem Markt.«

      »Hast du ein Bild von ihr?«

      »Ja, die Eltern haben mir ein paar Fotos zugemailt. Hübsch war sie, hellblonde Haare, blaue Augen, ein richtiges Puppengesicht.«

      Schweigend zogen sie sich an. Das benutzte Geschirr stellten sie in die Spüle. Birthe fand es viel zu schade, die kostbare Zeit mit Henning für Alltagskram zu verschwenden.

      Sie nahmen den Bus bis zum Neumarkt und gingen dann zu Fuß über die Große Straße bis zur Krahnstraße, ließen sich in der Menschenmenge treiben. An verschiedenen Ständen priesen Händler ihre Waren an: Schmuck, Souvenirs, Tücher, Selbstgemachtes aus Holz und Filz, Süßigkeiten. Die typischen Düfte eines Volksfestes nach Bier, gebratenen Mandeln, Zuckerwatte und Popcorn wehten ihnen entgegen. Aber auch nach stark gewürzten Speisen roch es. Birthe ging zu den Ständen, die Currywurst verkauften, zeigte zwei Fotos von Jessica Wagner auf ihrem Handy und fragte, ob jemand die junge Frau am späten Abend des 5. Mai allein oder in Begleitung gesehen habe. Mit dem Ergebnis der Befragung hatte sie gerechnet. Niemand konnte sich an die junge Sängerin erinnern.

      Nach einer Stunde gab Birthe auf. »Wir gehen in den nächsten Tagen noch einmal los. Das Personal wechselt ja.«

      Hand in Hand erreichten sie den Domhof und steuerten auf das Wahrzeichen des Volksfestes zu: das nostalgisch bemalte, bestimmt 100 Jahre alte Kettenkarussell.

      »Bist du schwindelfrei?«, fragte er und starrte zu den fliegenden Sesseln empor.

      »Nein«, lachte sie. »Es ist ewig her, dass ich damit gefahren bin. Mehr als 20 Jahre.«

      »Dann wird es Zeit für eine Wiederholung. Pass auf, ich sitze außen, du innen, da geht es nicht ganz so hoch, und ich halte die ganze Zeit über deine Hand. Versprochen.«

      Misstrauisch sah sie nach oben. Sie hasste es, keinen festen Boden unter den Füßen zu haben.

      »He«, sagte er und legte beruhigend seinen Arm um sie. »Die kommen alle wieder runter. Der Blick über die Altstadt, den Dom und die Marienkirche ist die Sache bestimmt wert.«

      Von keinem anderen Menschen hätte sie sich zu etwas überreden lassen, was sie eigentlich nicht wollte. Doch mit Henning war es anders. Mit ihm zusammen hatte sie Lust, über ihren Schatten zu springen. Vielleicht wollte sie dadurch gemeinsame Erlebnisse schaffen. Oder Erinnerungen?

      »Na gut«, sagte sie zaghaft, und er ging los, um Fahrchips zu kaufen.

      Sie suchten sich Sessel nebeneinander, schwangen sich hinein und schlossen die Ketten. Birthe wurde bereits

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