Tribometrie. Markus Grebe
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1.2 Background: Das Kompetenzzentrum Tribologie Mannheim (KTM) an der Hochschule Mannheim
Das Kompetenzzentrum Tribologie verfügt zurzeit über mehr als 50 verschiedene Tribometer für Modell- und Freigabetests und zur Simulation unterschiedlichster tribologischer Systeme. Ergänzt wird der umfangreiche Prüfmaschinenpark durch Geräte und Apparaturen zur hochgenauen Analyse und Dokumentation von Oberflächen sowie für die Viskosimetrie, die Untersuchung des Alterungsverhaltens und die Ermittlung chemisch/physikalischer Kennwerte. Schwerpunkt der Forschungs- und Entwicklungsprojekte sind Untersuchungen unter Grenz- und Mischreibungsbedingungen. Das Kompetenzzentrum Tribologie arbeitet bei der Optimierung von tribologischen Systemen nach einem ganzheitlichen, systemanalytischen Ansatz (Abbildung 1). Das heißt, dass prinzipiell erst einmal alle möglichen Optimierungsansätzen wie Werkstoffe (Metalle, Keramiken, Kunststoffe), Beschichtungen und Schmierstoffe (Öle, Fette, Feststoffe) in Betracht gezogen werden. Ganz wichtig ist aber auch, nach maschinenbaulichen Lösungen zu suchen. Häufig liegt das Problem bereits in einer ungünstigen Konstruktion, ungeeigneter Endbearbeitung oder anderer systematischer Mängel. Mögliche Lösungsansätze werden dann in speziell und individuell geplanten Tribometerversuchen evaluiert. Erst am Ende erfolgt die Bewertung, in die dann auch wirtschaftliche Gesichtspunkte eingehen. Neben den öffentlich geförderten Projekten stellen auch bilaterale Kleinprojekte für KMU sowie der Technologietransfer einen Schwerpunkt der Arbeit dar.
Abbildung 1: Design-Thinking-Ansatz des KTM zur Problemlösung bzw. Optimierung tribologischer Systeme
In Rahmen der täglichen Arbeit stellt sich immer wieder die Frage über den Nutzen von Modell- und Laborprüfungen. Insbesondere die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Praxis wird hierbei häufig von skeptischen Kunden angezweifelt. Leider basieren viele dieser Zweifel tatsächlich auf schlechten Erfahrungen. Viele Kunden berichten von vollkommen gegensätzlichen Ergebnissen in den Modelltests und später in der Anwendung. Bei genauerer Betrachtung solcher Fälle muss man häufig feststellen, dass die Laborversuche für die praktische Fragestellung falsch ausgewählt, mit falschen Parametern durchgeführt oder einfach falsch interpretiert wurden.
In den letzten Jahren mussten wir mehrfach feststellen, dass es häufig an einem wissenschaftlichen Ansatz und ausreichend tribologischem Background fehlt. Teilweise kaufen sich Institute oder Firmen, die sich jahrelang mit anderen Themen beschäftigt haben, ein modernes Tribometer und wollen nun „auch noch den tribologischen Kennwert ermitteln“ (Originalzitat einer Firma, die sich zuvor auf chemische Materialanalysen konzentriert hatte). Das gleiche Problem sehen wir bei Instituten oder Abteilungen, die bisher auf die Computersimulation spezialisiert waren und denen nur noch der „tribologische Kennwert“ fehlt, um ein tribologisches System hochgenau im Computer abbilden zu können. Unterstützt wird diese Entwicklung von den Prüfstandsherstellern, die natürlich ein großes Interesse haben, ihre Geräte so zu bewerben, als ob jeder, ohne große Vorkenntnisse, problemlos tribologische Versuche durchführen könne. Das mag für einfache Modellprüfungen nach Norm vielleicht noch gelten. Werden die Versuche aber etwas anspruchsvoller, sind Bediener ohne Tribologie- und Maschinenbaukenntnisse häufig überfordert.
Dieses Buch soll dabei helfen, eine wissenschaftliche Vorgehensweise bei der Auswahl und dem Design geeigneter Laborprüfungen aufzeigen sowie Hinweise zur Auswertung der Versuche geben. Daneben werden zahlreiche Randaspekte betrachtet, die für die Interpretation der durchgeführten Versuche und für das Verständnis der tribologischen Vorgänge hilfreich sind.
1.3 Bedeutung und Aufgaben der Tribologie
Auf der Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Tribologie (GfT) 2014 gab es eine Podiumsdiskussion zur Zukunft der Tribologie. Damals war gerade die aktuelle „GfT-Tribologie-Studie 2014“ vorgestellt worden. Der so genannte Tribo-Talk stand daher unter dem Titel „Aufbruch oder Ernüchterung“. Alle Redner bestätigten dort die große Bedeutung der Tribologie für die Volkswirtschaft und Wissenschaft. Trotzdem klang bei allen etwas Wehmut heraus, da diese Bedeutung zwar in Fachkreisen unbestritten ist, sich der Allgemeinheit aber eher nicht erschließt. In Erinnerung geblieben ist mir der etwas resignierende Ausspruch eines Redners: „Tribologie ist halt nicht sexy“. Junge Menschen aber auch Politiker tendieren dazu in Schlagworten zu denken. Worte wie Klimaschutz, CO2-Neutralität, E-Mobility, Digitalisierung, Industrie 4.0, Additive Fertigung usw. hören wir tagtäglich in den Nachrichten. Das Wort Tribologie hört man dort nie. Selbst Fachleute können mit dem Begriff häufig nicht viel anfangen. Schaut man sich aber einmal die Aufgaben der Tribologie an (Abbildung 2), dann sind gerade wir Tribologen es, die die Lösungen zu den zuvor genannten Fragestellungen liefern können und müssen.
Abbildung 2: Aufgaben der Tribologie in Hinblick auf Nachhaltigkeit
Durch Reibung und Verschleiß entstehen den jeweiligen Volkswirtschaften der Industrieländer jährliche Verluste in Höhe von etwa 1,4% [HOLM2017] bis 7% [GFT2021] des Bruttosozialproduktes; das bedeutet für Deutschland mindestens 47 Milliarden EUR/Jahr. Durch konsequentes Umsetzen des bereits vorhandenen tribologischen Wissens könnten davon bereits große Teile eingespart werden. Durch weitere tribologische Forschung kann dieses Sparpotential noch gesteigert werden.
Die verstärkte Berücksichtigung tribologischer Kenntnisse bewirkt beträchtliche Einsparungen bei Energie- und Materialeinsatz, Produktion und Instandhaltung. Energie- und Rohstoffressourcen werden geschont, Umweltschäden vermieden und der Arbeitsschutz verbessert.
Ich bin fest davon überzeugt, dass die weltweiten Klimaschutzziele nur erreicht werden können, wenn es gelingt, neue umweltfreundliche Technologien so attraktiv zu machen, dass sie sich auf dem Markt durchsetzen. Betrachtet man einmal den Anteil Deutschlands an den weltweiten Energieverbräuchen oder dem CO2-Ausstoß erkennt man schnell, dass eine auf Deutschland begrenzte Verbotspolitik nur einen symbolischen Charakter und global nahezu keine Wirkung hat. Stattdessen brauchen wir mehr Forschung und Innovationen, um eine globale Vorreiterrolle einzunehmen. Wir Wissenschaftler und Ingenieure sind also die Gestalter der Zukunft.
So „unsexy“ ist die Tribologie also eigentlich gar nicht. Wir müssen sie nur noch effektiver nutzen und vielleicht auch den Bekanntheitsgrad dieser Nischen-Disziplin erhöhen.
1.4 Die tribologische Beanspruchung
Der wesentliche Unterschied zwischen einer tribologischen und einer mechanischen Beanspruchung liegt in folgenden Punkten:
I.) Eine tribologische Beanspruchung ist primär in den Oberflächenbereichen von Werkstoffen wirksam.
II.) Bei tribologischen Beanspruchungen sind außer den kräftemäßigen auch stoffliche Wechselwirkungen zwischen den Partnern zu beachten.
Tribologische Kennwerte sind daher keine Werkstoffeigenschaft, sondern immer vom tribologischen Gesamtsystem abhängig!
Für tribologische Phänomene