Unter der Sonne geboren - 3. Teil. Walter Brendel

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Unter der Sonne geboren - 3. Teil - Walter Brendel

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erschwert.

      Wir wissen nicht, zu welchen Schlussfolgerungen Ludwig XIV. gelangte. Hatte er Erklärungen von Madame de Montespan gefordert? War sie über die Gefahr informiert worden, in der sie schwebte? Die Anschuldigungen gegen sie waren zum größten Teil unglaubwürdig, doch konnte der König wirklich ausschließen, dass die Favoritin ihm heimlich widerwärtige und gesundheitsschädliche Substanzen eingeflößt hatte, um ihn an sich zu binden? Welches auch immer seine innersten Überzeugungen sein mochten, der König hatte keine andere Wahl, als den Ruf der Mutter seiner Kinder zu wahren und sich selbst sowie den Hof vor einem Skandal von unerhörten Ausmaßen zu schützen.

      Während die „Giftaffäre“ weiterhin eine ungebrochene Faszination auf Historiker, Biographen und Romanautoren ausübt, bleiben die Schlussfolgerungen, zu denen die Forscher bis heute gelangt sind, bemerkenswert widersprüchlich. Was die Rolle von Madame de Montespan in der Angelegenheit betrifft, so endete mit dem 19. Jahrhundert auch die Zeit der Verfechter ihrer Schuld, und jetzt erheben diejenigen ihre Stimme, die sie für unschuldig halten. Der Prozess, behaupten sie, folgte der typischen Dynamik von Hexenprozessen: Unter der Folter wurden die Verhörten dazu gebracht, das zu gestehen, was die Richter hören wollten. Andererseits hatten die Angeklagten ein verständliches Interesse daran, hochrangige Persönlichkeiten ins Spiel zu bringen, um Verwirrung zu stiften und die Untersuchung in die Länge zu ziehen. Außerdem waren die Anklagen gegen Madame de Montespan voller Widersprüche. Häufig stimmten die Zeitangaben nicht überein, vor allem aber waren die Taten, die man ihr zur Last legte, im Grunde völlig absurd. Warum sollte eine so stolze, intelligente, gebildete, mit unerschütterlichen religiösen Überzeugungen gewappnete und selbstsichere Frau wie die Favoritin sich derart irrwitzigen und grausamen Ritualen unterwerfen? Und selbst wenn es so gewesen wäre, wie konnte sie in Anbetracht ihrer herausragenden Stellung so kompromittierende Beziehungen pflegen, ohne aufzufallen?

      Andererseits lässt sich schwerlich leugnen, dass Madame de Montespan nichts wichtiger war, als ihren Einfluss auf den König zu erhalten, dass magische Praktiken sich damals mit dem christlichen Glauben vereinbaren ließen und dass es durchaus nicht unmöglich für sie gewesen wäre, heimliche Kontakte zur Voisin und ihren Komplizen zu unterhalten (wie ihre Verwandten und Freunde es getan hatten). Sie genoss uneingeschränkte Bewegungsfreiheit und hätte sich gegebenenfalls auch an Mittelsmänner wenden können. Zudem erscheinen zwar viele Zeugenaussagen zu Lasten von Athenais nicht plausibel, viele andere dagegen konnten durch Tatsachen bewiesen werden. Mit Sicherheit hatte die Marquise niemals im Sinn, den König oder Mademoiselle de Fontanges zu vergiften, doch das bedeutet nicht, dass sie vollkommen unschuldig war. „Es besteht kein Zweifel“, schreibt Jean-Christian Petitfils im Resümee seiner Untersuchungen, „dass Madame de Montespan Beziehungen zur Voisin, zu Lesage, Mariette und ihren Komplizen unterhielt, und zwar seit Ende 1667 oder seit dem Beginn des Jahres 1668. Um die Gunst des Königs zu erlangen und die Verbannung (vielleicht auch den Tod) ihrer Rivalin zu erreichen, bediente sie sich magischer, blasphemischer Rituale und nahm an symbolischen Taufen von Tauben teil. Später ließ sie sich von Zauberern, Scharlatanen, Astrologen und anderen Betrügern helfen, um die Liebe des Königs lebendig zu halten. Sie kaufte bei ihnen aphrodisische Pulver und verlangte von ihnen >Hexereien<, vielleicht um das Auftauchen gelegentlicher Rivalinnen zu verhindern (...) Bleiben die schwarzen Messen (...) Diese abscheulichen Verbrechen sind nicht ganz unwahrscheinlich. Der Prior, die Filastre und die Tochter der Monvoisin haben diesbezüglich sehr klare, übereinstimmende Aussagen gemacht. Doch angesichts derartiger Gräuel bleibt man unschlüssig.“

      Auch wenn er an seiner Überzeugung festhalten wollte, dass Madame de Montespan mit der ganzen Geschichte nicht das Geringste zu tun hatte, konnte der König sich nicht verhehlen, dass die Ereignisse der „Giftaffäre“ nur mit Unterstützung einer zutiefst amoralischen Gesellschaft möglich gewesen waren. Zumindest was die Hemmungslosigkeit in sexuellen Dingen betraf, war er selbst ein Vorbild für seine Untertanen gewesen. Er musste so schnell wie möglich auf Abhilfe sinnen.

      Mit vierzig Jahren änderte Ludwig XIV. sein Leben. In Madame de Maintenon fand er eine tugendhafte Geliebte, die ihm half, sich mit Gott zu versöhnen. Und während der Widerruf des Edikts von Nantes und die Wiederaufnahme der Hugenottenverfolgungen von der Unbeugsamkeit des Allerchristlichsten Königs in Fragen des rechten Glaubens zeugten, hüllte Versailles sich, den Wünschen seines Herrschers treu ergeben, in Schwarz und wurde zum Bild der

      Keuschheit und Frömmigkeit. Fünfunddreißig Jahre sollte es dauern, bis mit der Regentschaft des Herzogs von Orleans, eines Libertins und begeisterten Alchimisten, in Frankreich wieder Zauberer, Wahrsager, Handleser und Kuppler einer Gesellschaft ihre Dienste anboten, die im Licht einer neuen Sonne wieder einem leichtsinnigen Leben frönte.

      Nicolas de la Reynie bleibt noch 15 Jahre lang Polizeichef. Als er 1709 stirbt, denkt er ein letztes Mal an das Wohl der Pariser. In seinem Testament verfügt er, dass er auf dem Friedhof und nicht in der Kirche beerdigt wird, doch „um nicht mit der Verwesung meines Körpers zur Fäulnis und Infektion der Luft beizutragen“.

      Nach La Reynies Tod lässt sich Ludwig die Dokumente seines ehemaligen Polizeileutnants nach Versailles kommen. Dann verbrennt er sorgfältig alle Schriftstücke, die Madame de Montespan betreffen. Die Besuche seiner Mätresse in der Rue Beauregard werden für weitere 150 Jahre geheim bleiben.

      Erst im 19. Jahrhundert werden Historiker ihren Namen in den Archiven der Bastille entdecken: Der sorgfältige La Reynie hatte von seinen Ermittlungen Abschriften gemacht.

      Die Nachdenklichkeit des Nicolas de la Reynie

      Nicolas de la Reynie kehrt stets nachdenklich von seinen Besuchen in Versailles zurück. Er spürt, dass der König unliebsame Beweise unterdrücken möchte - einer ehemaligen Geliebten hat Ludwig bereits zur Flucht verholfen.

      Gleichzeitig glaubt La Reynie, so notiert der Polizeileutnant in einem Bericht, dass es noch furchtbarere Geheimnisse zu entdecken gibt.

      Dieser ruhige, melancholische Mann, mit wenig Fantasie begabt, trifft in seinen Verhören auf Menschen ganz anderer Art - Menschen, die ihr Geld damit verdienen, zu lügen, zu betrügen und stets das zu sagen, was ihr Gegenüber hören möchte.

      Und La Reynie glaubt den fantastischen Anschuldigungen seiner Informanten - oder hält sie zumindest für möglich. Zu seiner zweiten Hauptzeugin wird nach La Voisin ausgerechnet eine verstörte, hoch nervöse und impulsive junge Frau mit einer lebhaften Vorstellungskraft: Marie-Marguerite Montvoisin, die 21-jährige Tochter der Giftmischerin.

      Sie ist kurz vor der Hinrichtung ihrer Mutter verhaftet worden und berichtet freimütig von der Kindheit in der Rue Beauregard. Wie es aus dem Beratungszimmer nach Schwefel stank, wie sie einmal eine weiße Taube kaufen musste, der die Kehle durchgeschnitten wurde, wie sie sich fast an einer Suppe vergiftet hätte, die für ihren Vater bestimmt war.

      Aus anderen Verhören glaubt der Polizeileutnant zu wissen, dass La Voisin damit gerechnet hatte, demnächst gut 100 000 Ecus einzunehmen (was mehr als 2000 Kilogramm reinen Silbers entsprochen hätte). Und dass sie dem König eine Petition überreichen wollte. Warum? Und wofür könnte ihr die gewaltige Belohnung ver-sprochen worden sein? Marie weiß nichts darüber.

      Doch bis zur nächsten Vernehmung hat sie drei Monate Zeit, um nachzudenken. Dann packt sie aus: Das Papier, auf dem die Petition verfasst gewesen war, sei vergiftet gewesen - La Voisin habe versucht, Ludwig XIV. zu ermorden.

      Auch die Auftraggeberin kennt Marie angeblich: Madame de Montespan. Die langjährige Mätresse des Königs.

      Ludwig XIV. hat sich stets mit vielen Liebhaberinnen vergnügt: „Er benutzt diese Art Frauen wie Postpferde, die man einmal besteigt und nie wieder sieht“, schreibt ein Höfling. Doch Francoise-Athenai's de Rochechouart, Marquise de Montespan, ist – wie wir zwischenzeitlich wissen

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