Ich bin so wie ich bin. Dominic Müller

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Ich bin so wie ich bin - Dominic Müller

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zeigt sich während der Abklärungssituation nicht altersentsprechend. Dominic versteht wohl einzelne Wörter, kann in einer fremden Umgebung und mit einer fremden Person aber sehr wenig damit anfangen. Sobald ihn aber ein Material interessiert, ist er aufmerksamer und kann einigen verbalen Aufforderungen im Zusammenhang mit dem Situationsverständnis Folge leisten. In solchen Situationen zeigt er ein großes Lernpotenzial.

      Dominic hat keine verbale Sprache. Es gelingt ihm auch nicht, einzelne Laute zu imitieren. Er zeigt eine stimmliche Stereotypie, bei der ich folgende Laute höre: „ai, ui, oi, ogi, agi, ei“.

      Die oben genannten Verhaltensbeobachtungen lassen den „Laien“ wahrscheinlich keinen Autismus erkennen. Es könnte sich jedes Kind in bestimmten Situationen so verhalten. Die aufschlussreichen, beobachtbaren Verhaltensweisen bestehen aus: Inspizieren des Untersuchungszimmers, Ausschau halten nach bekannten oder interessanten Objekten, sich daran festhalten. Die anwesende Person ist kein Bezugspunkt, Blickkontakt wird nicht gesucht, sondern vermieden. Die Seifenblasen bekommen Aufmerksamkeit, die Person, welche die Seifenblasen produziert, wird nicht beachtet, Seifenblasen selber produzieren gelingt nicht. Daraus entsteht Frustration, die Hilfestellung der erwachsenen Person wird nicht angenommen, ist bedrohlich, also wird weggelaufen oder geschrien.

      Bei den Autismus-Spektrum-Störungen kann eine erfahrene Person die Kernsymptomatik sehr schnell wahrnehmen. Sie kann das Kind nicht auf gleiche Weise erreichen wie ein neurotypisches Kind.

      Erst die bewusste Beziehung und Verbundenheit mit sich selber lässt Beziehung und Verbundenheit mit anderen Menschen zu. Aus diesem Grund sind die Eltern – insbesondere die Mütter – lange die einzigen Vertrauenspersonen eines Kindes mit Autismus. Die Verbundenheit der Mutter zu ihrem Kind ist nebst der eigenen Verbundenheit wohl die stärkste.

      Menschen sind in ständiger Interaktion mit der Umwelt. Bei einem neurotypischen Baby steht die erste soziale Interaktion mit der Mutter und weiteren Bezugspersonen im Zentrum. Bei Kindern mit Autismus merken die Mütter schnell, dass etwas „anders“ ist. Sie spüren die Verbundenheit nicht, anders oder immer nur von sich ausgehend. Dies verunsichert und die Interaktion beginnt das eigene Selbst in Angst zu versetzen. Viele Fragen, Ungewissheiten, Selbstzweifel und „Hilfeschreie“ beeinträchtigen die natürliche, liebende Verbundenheit mit dem Kind. Die Mütter werden oft lange mit ihren Ängsten alleine gelassen oder werden vertröstet, „das kommt schon noch“.

      Durch Beziehungen, Verbundenheit und Interaktion mit der Außenwelt lernt das Kind. Dominic interessierte sich bereits früh für die Technik oder allgemein, wie Dinge funktionieren. Die Interaktion mit Menschen, welche ihn zur Erkundung und zum Verstehen der dinglichen Welt geholfen hätten, war und ist schwierig.

      Dominic geht seinen eigenen, ihm bestimmten Weg, wie wir alle. Durch die Technik und die Verbundenheit mit seiner langjährigen Heilpädagogin und Freundin hat er nun ein Buch geschrieben, mit dem Wunsch, dass noch viele neurotypische Menschen versuchen, Menschen mit Autismus zu verstehen und sie so zu akzeptieren, wie sie sind.

      aaa autismus approach

      Cordilia Derungs

      Ich

      Ich bin ein autistischer Mensch, ein Mensch mit frühkindlichem Autismus. Was ist das? Mit einer sicheren Diagnose kommt auch ein normaler Mensch nicht zurecht. Ich habe Autismus dritten Grades. Das ist stark. So benehme ich mich vielmals auch. Ich spreche nicht und gebe sabbernde Laute von mir. Das passt gut vom Ausdruck her, denn ich empfinde es so. Ich verstehe nach vielen Jahren ABA – das ist eine Verhaltenstherapie aus Amerika2 – viel mehr als früher. Ich habe so lesen gelernt und Schuhe binden. Auch viele Wörter verstehe ich dadurch und begreife Ausdrücke. Das war harte Arbeit. Anfangs musste ich lernen, mich auf Befehl an den Arbeitstisch zu setzen und ruhig zu sein. Wenn ich das dann gekonnt habe, ging es weiter mit Füße stillhalten und Hände verschränkt auf den Tisch legen. Das brauchte Zeit und Nerven von mir und von meinen Therapeutinnen und war eine happige Zeit für alle. Wenn ich gut war, gab es eine Belohnung. Das war stark und obercool. Was ich am liebsten habe, sind Chips. Sicher war die Belohnung nur bei guter Arbeitshaltung und einem entsprechenden Arbeitsresultat. Manchmal ging das die ganzen drei Therapiestunden super. Aber Sicherheit gab es nie, dass es so verflixt optimal gut klappte. Sicherheit ertrage ich gut, aber mein Autismus Jonas – den Namen gebe ich ihm – legte mir Falle um Falle, die dann gottlos brutal zuschnappt. Scheiße, echt scheiße war und ist das manchmal. Ich will immer alles richtig machen. Dazu zwingt mich mein Autismus. Wenn es nicht klappt, bringt das eine große Unruhe in mich und ich muss schreien, meine Sprechorgien durchziehen und kann damit nicht aufhören. In der Nase bohren, Lippen ziehen, mich seitwärts in die Wange klemmen und so vieles mehr kann dann passieren. Ich bin aber ein Glückskind. Meine Eltern, vor allem meine Mami, ist eine grandiose Kämpferin, denn sie ist immer auf der Suche nach neuen Sachen. Sei das auf spiritueller Ebene, Ernährung, Alternativmedizin und eben immer noch ABA.

      Ich bin während der Woche im Behindertenwohnheim und darf zweimal in der Woche nach Hause, um Therapie zu machen. Zu Hause ertrage ich es fabulös und gebe mir fast immer Mühe in der Therapie. Wenn ich Mami auf den Sack gehe, dann droht sie mir immer, dass ich jetzt dann in Meiringen3 bleiben könne. Sie geht mir ja manchmal auch auf den Sack, aber ich weiß auch, dass ich sie brauche. Aber auch großartig sind meine Schwestern. Sie sind verständnisvoll und verstehen mich gut. Melanie und Nathalie machen vieles mit mir, ertragen vieles und setzen sich auch für mich ein. Sicher zicken sie auch rum, aber das machen alle Frauen. Eine Sache ist klar: wir brauchen das weibliche Geschlecht, sonst wären wir einsam.

      Ich arbeite gerne etwas, und wenn ich etwas gut kann, dann umso lieber. Aber nichts tun ist auch nicht ohne. Ich arbeite nur auf Aufforderung hin. Das ist auch nicht so toll, aber es geht auch nicht so gut ohne Aufsicht. Ich habe manchmal den Drang abzuhauen und mal alleine wegzubleiben. Sie haben dann ein paarmal die Polizei angefordert, um mich zu suchen. Das war, glaube ich, immer eine große Aufregung. Ich wäre noch immer zurückgekommen. Die mochten einfach nicht lange genug warten. So gesehen kann ja die Polizei schon mal was tun für mich, ich bezahle ja auch Steuern. Auch bringe ich etwas Schwung in den Alltag meiner Mitmenschen und halte sie auf Trab. Manchmal macht das Spaß und manchmal bin ich auch traurig und muss weinen, weil ich wieder mal nicht so funktioniere, wie die lieben Mitmenschen es von mir erwarten. Ich weiß nicht, ob sie sich wirklich bewusst sind, ob das immer das Beste ist für mich. Aber ich weiß, dass sie nur das Beste wollen für mich.

      Das Leiden hat einen Namen

      (Erika Müller)

      Wie weiter?

      Meine Vermutung wurde bestätigt. Es brachte Erleichterung, das Leiden von Dominic mit einem Namen benennen zu können. Gleichzeitig war es jedoch auch ein Schock, zu erfahren, dass unser Kind nicht gesund, sondern sogar unheilbar beeinträchtigt ist. Wir Eltern mussten das erst einmal verdauen. Ratlosigkeit und Trauer vermischten sich miteinander, die Nächte des Nachdenkens waren nach der Diagnosestellung lang und quälend. Irgendwann mussten wir jedoch die Entscheidung treffen, uns neu zu motivieren, um die große Herausforderung, ein Kind mit einer Beeinträchtigung zu haben, anzupacken. Wir wollten uns nicht durch Elend und Resignation demotivieren lassen.

      Ich deckte mich kurz nach der Diagnosestellung „frühkindlicher Autismus“ mit Büchern über Autismus ein, um wenigstens rudimentär zu verstehen, was im Kopf von Dominic geschieht. Mein Mann nahm sich dem administrativen Teil an, was bis zum heutigen Zeitpunkt genauso viel Energie abverlangt, wie einen autistischen Menschen zu fördern. Ich danke meinem Mann herzlich für all die Unterstützung, die er mir und der ganzen Familie unermüdlich bietet.

      „Autismus Schweiz“ organisiert regelmäßig Tagungen

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