Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Zweiter Teil. Gustav Schwab

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Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Zweiter Teil - Gustav  Schwab

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rüsten; stärke sich jeder mit einem Mahl, bereite Schild und Lanze, füttre und tränke seine

       Rosse, besichtige den Streitwagen und gedenke der Schlacht, die bis zum Abend dauern wird. Bleibt

       mir einer absichtlich bei den Schiffen zurück, dessen Leib soll den Hunden und Vögeln nicht

       entgehen!«

       Als Agamemnon ausgeredet, schrien die Danaer laut auf, daß es tönte wie die Meerflut, wenn sie sich

       beim Südwind am hohen Felsenstrande bricht. Das Volk sprang auf, jeder eilte zu seinen Schiffen,

       und bald sah man den Rauch des Frühstücks aus den Lagerhütten dampfen. Agamemnon selbst

       opferte dem Zeus einen Stier und lud die edelsten Achiver zum Mahle ein. Als dies vorüber war,

       gebot er den Herolden, die Griechen zur Schlacht zu rufen; und bald stürzten die Haufen, Scharen

       von Kranichen oder Schwänen gleich, die am Flußufer hinflattern, auf die Skamandrische Wiese. Die

       Führer, an ihrer Spitze der Atride, ordneten die Reihen. Herrlich war der Fürst der Fürsten

       Agamemnon anzuschauen, an Augen und Haupt dem Göttervater gleich, an breiter Brust dem

       Poseidon und gerüstet wie der streitbare Kriegsgott selbst.

       Paris und Menelaos

       Das Heer, auf Nestors Rat nach Volksstämmen geordnet, stand in Schlachtordnung, als man endlich

       den Staub der aus ihren Mauern heranziehenden Trojaner gewahr wurde. Nun setzten sich auch die

       Griechen in Bewegung. Als beide Heere einander nahe genug waren, daß der Kampf beginnen

       konnte, schritt aus der Reihe der Trojaner der Königssohn Paris vor, in ein buntes Pantherfell

       gekleidet, den Bogen um die Schultern gehängt, sein Schwert an der Seite, und indem er zwo spitze

       Lanzen schwenkte, forderte er den tapfersten aller Griechen heraus, mit ihm den Zweikampf zu

       wagen. Als diesen Menelaos aus den sich heranwälzenden Scharen hervorspringen sah, freute er sich

       wie ein hungriger Löwe, dem eine ansehnliche Beute, ein Gemsbock oder ein Hirsch in den Weg

       kommt, und schnell sprang er in voller Rüstung von seinem Wagen zur Erde herab, den frevelhaften

       Dieb seines Hauses zu bestrafen. Dem Paris graute beim Anblick eines solchen Gegners, und er

       entzog sich dem Kampfe erblassend und ins Gedränge seiner Landsleute zurückfahrend, als hätte er

       eine Natter gesehen. Als ihn Hektor so in die Menge der Trojaner zurücktauchen sah, rief er ihm voll

       Unmut zu: »Bruder, du bist doch nur von Gestalt ein Held, in Wahrheit aber nichts als ein weibischer,

       schlauer Verführer. Wärest du lieber gestorben, ehe du um Helena gebuhlt! Siehst du nicht, wie die

       Griechen ein Gelächter erheben, daß du es nicht wagest, dem Manne standzuhalten, dem du die

       Gattin gestohlen hast? Du wärest wert zu erfahren, an welchem Manne du dich versündigt, und ich

       würde dich nicht bemitleiden, wenn du dich verwundet auf dem Boden wälzest und der Staub dein

       zierliches Lockenhaar besudelte.« Paris antwortete ihm: »Hektor, dein Herz ist hart und dein Mut

       unwiderstehlich wie eine Axt aus Erz, mit der der Schiffszimmermann Balken behaut, und du tadelst

       mich nicht mit Unrecht; aber schilt mir nicht meine Schönheit, denn sie ist auch eine Gabe der

       Unsterblichen. Wenn du mich aber jetzt kämpfen sehen willst, so heiß Trojaner und Griechen ruhen;

       dann will ich um Helena und alle ihre Schätze mit dem Helden Menelaos vor allem Volke den

       Zweikampf wagen. Wer von uns beiden siegt, mag sie heimführen; ein Bund soll es bekräftigen; ihr

       bauet alsdann das trojanische Land in Frieden, und jene schiffen heim gen Argos.«

       Eine freudige Überraschung hatte sich Hektors bei diesen Worten seines Bruders bemächtigt; er trat

       vor die Schlachtordnung heraus in die Mitte und hemmte, den Speer hochhaltend, den Anlauf der

       trojanischen Haufen. Als die Griechen seiner ansichtig wurden, zielten sie in die Wette mit

       Wurfspießen, Pfeilen und Steinen nach ihm. Agamemnon aber rief laut nach den griechischen Reihen

       zurück: »Haltet ein, Argiver, werfet nicht; der helmumflatterte Hektor begehrt zu reden!« Die

       Griechen ließen ihre Hände sinken und verharrten in Schweigen ringsumher; und nun verkündete

       Hektor mit lauter Stimme den Völkern den Entschluß seines Bruders Paris. Seine Rede beantwortete

       ein tiefes Stillschweigen. Endlich nahm Menelaos vor den Heeren das Wort: »Hört mich an«, rief er,

       »mich, auf dessen Seele der allgemeine Kummer am schwersten lastet! Endlich, hoffe ich, werdet ihr,

       Argiver und Trojaner, nachdem ihr um des Streites willen, den Paris angefacht, so viel Schlimmes

       erduldet habt, versöhnt voneinander scheiden! Einer von uns zweien, welchen auch das Schicksal

       auserkoren hat, soll sterben; ihr andern aber sollt in Frieden scheiden. Laßt uns opfern und

       schwören, alsdann mag der Zweikampf beginnen!«

       Beide Heere wurden froh über diesen Worten; denn sie sehnten sich nach einem Ende des unseligen

       Kriegs. Auf beiden Seiten zogen die Wagenlenker den Rossen die Zügel an, die Helden sprangen von

       den Streitwagen, zogen die Rüstungen aus und legten sie, Feinde ganz nahe an Feinden, auf die Erde

       nieder. Hektor sandte eilig zween Herolde nach Troja, die Opferlämmer zu bringen und den König

       Priamos herbeizurufen, auch der König Agamemnon schickte den Herold Talthybios zu den Schiffen,

       ein Lamm zu holen. Die Götterbotin Iris aber, in Priamos' Tochter Laodike umgestaltet, eilte, die

       Botschaft der Fürstin Helena in die Stadt zu bringen. Sie fand sie am Webestuhl, ein köstliches

       Gewand mit den Kämpfen der Trojaner und Griechen durchwirkend, die Augen auf ihre Arbeit

       geheftet. »Komm doch heraus, trautes Kind«, rief sie ihr zu, »du sollst etwas Seltsames schauen! Die

       Trojaner und Griechen, die noch eben voll Ingrimms zur Feldschlacht gegeneinander anrückten,

       ruhen stillschweigend, auf die Schilde hingelehnt, die Speere in den Boden gesteckt, einander

       gegenüber; aber

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