Sein erster Fall. Karl-Heinz "Kalle" Kowalski

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Sein erster Fall - Karl-Heinz "Kalle" Kowalski страница 4

Sein erster Fall - Karl-Heinz

Скачать книгу

penetranter Kunststoffgeruch in die Nase. Ihr unbekannter Entführer hatte den Knebel mit einem Klebeband festgeklebt, dass von einer zur anderen Backe führte. Es spannte ihre faltige Haut sehr. Lilli meinte auch schon ein kleines Taubheitsgefühl in ihrer rechten Backe zu spüren.

      „Das wird wehtun, wenn er es abreißt“, schoss es ihr durch den Kopf. Fürchtete der grausame Mann etwa, dass sie einen normalen Knebel von ihrem Mund abbekommen und dann nach Hilfe geschrien hätte?

      Als ihr ihre Gesamtlage klar geworden war, hatte sie Schnappatmung bekommen und wäre wohl beinahe erstickt, wenn sie sich nicht noch zusammengerissen hätte. Es war einfach unglaublich. Sie ließ traurig den Kopf hängen. Vergeblich hatte sie schon versucht, sich umzusehen, um vielleicht doch einen kleinen Lichtschein zu entdecken. Aber, nein. Ihr Entführer hatte sie in eine totale Finsternis gesperrt und zurückgelassen. Wahrscheinlich befand sie sich tief unter Tage, damit er mit ihr ungestört sein konnte. Weitab jeglicher Zivilisation. So dachte sie jedenfalls, da sie es nicht besser wusste. Aber warum dann der Knebel? Ihr Entführer wollte wohl auf Nummer sicher gehen.

      Sie hatte sich nur mit der Tatsache beruhigen können, dass ihr Entführer etwas Wichtiges von ihr wollte, ansonsten wäre sie wohl schon längst tot gewesen. Wenn es trotzdem bloß Geld war, dann wollte sie es ihm geben. So viel er wollte. Lilli hing sehr an ihrem Leben. Das war das einzige, was sie jetzt noch hatte. Ihr Mann war bereits mit 63 Jahren an einem Krebsleiden gestorben. Sie vermisste ihn seitdem sehr. Jede Sekunde.

      Plötzlich wurde sie in ihren Gedankengängen unterbrochen, als rumpelnd eine Tür, die sich hinter ihr befand, aufging und jemand, vermutlich der Mann, der sie entführt hatte, eintrat. Licht erhellte das Dunkel und sie nahm, zunächst undeutlich, dann, als sich ihre Sicht besserte, immer deutlicher wahr, dass sie in einem finsteren Verließ festsaß. Der kleine Raum, in dem sie sich befand, konnte nicht mehr als vier oder fünf Quadratmeter groß sein.

      „So!“, sprach der Entführer mit tiefer Stimme zu ihr. „Jetzt wollen wir uns mal unterhalten.“

      Lilli Weismüller lief es eiskalt den Rücken herunter. Sie hielt unwillentlich die Luft an. Was wollte dieser Mann denn bloß von ihr? Sie würde es sicherlich gleich erfahren; sie hoffte aber, dass er sie nicht foltern würde. Sie war zwar alt, aber nicht gebrechlich. Doch mehr als die Tortur ihres Kerkers konnte sie nicht durchstehen. Wer wusste schon, ob sie nächste Woche noch am Leben sein würde? Nächste Woche? Lilli Weismüller lachte sich im Geiste selbst aus.

      „Warum denkst du denn soweit voraus? In einer solchen Situation solltest du dich von Tag zu Tag hangeln, wenn nicht gar von Stunde zu Stunde.“ Konnte sie sich überhaupt sicher sein, ob sie heute Abend noch am Leben war?

      Sie versuchte zu sprechen, aber sie konnte natürlich nur unverständliches Brummeln von sich geben.

      „Keine Angst, Schlampe“, fuhr Lilli Weismüllers Entführer fort. „Ich werde dir gleich den Knebel herausnehmen.“

      Wieder ging Lilli ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Diese Stimme kannte sie doch? Im ersten Moment konnte sie sie aber niemandem zuordnen. Wer war das bloß? Wo war sie ihm in der Vergangenheit schon einmal begegnet?

      „Ich werde fragen und du wirst mir antworten! So läuft das Spiel! Verstanden?“ Der Mann stand nun dicht hinter ihr und die Rentnerin konnte seinen warmen Atem auf ihrem Hals spüren.

      Lilli lauschte nur und rührte sich ansonsten überhaupt nicht. Das schien dem Entführer nicht genug zu sein. Er packte sie schroff an den Haaren und zog ihren Kopf nach hinten, so dass ihr Genick überstreckt wurde.

      Mehr aus Überraschung denn aus Schmerzen brummte sie auf. Dann öffnete sie wieder die Augen und starrte auf die Skimaske, die der Verbrecher sich über den Kopf gezogen hatte.

      „Hast du das verstanden, Schlampe?“, wollte der Mann in einem aggressiven Ton von ihr wissen.

      Sie nickte schnell, damit er sie wieder losließ.

      „Dann ist es ja gut!“

      Obwohl sie ihm gehorchte, verpasste er ihr noch einmal einen Schlag gegen den Hinterkopf, bevor er sie losließ.

      Der Rentnerin war keine Verschnaufpause vergönnt. Ihr Entführer packte hart zu am Kehlkopf zu, was sie sehr schmerzte. Dann riss er ihr, aus einer Laune heraus, das Packband vom Mund, und holte den Knebel heraus, damit er sich mit ihr unterhalten konnte. Lilli Weismüller stieß einen verzweifelten Schmerzensschrei aus.

      „Halt deinen Mund!“ Wieder haute er ihr eine runter. „Wo ist die verdammte Besitzurkunde von der verschissenen Waldallee? Häh? Wo?“ Er verpasste ihr mehrere Schläge in Folge auf den Hinterkopf.

      Die Rentnerin versuchte mit ihrem Kopf, seinen Schlägen auszuweichen, doch es war hoffnungslos. „Hören Sie doch auf! So hören Sie doch auf!“, flehte sie. Sie brach in Tränen aus, die ihr seitlich die Backen herunter liefen. Sie schluchzte wieder laut.

      „Sei still!“, zischte der Mann. „Sag’ mir, wo die verdammte Urkunde ist und dann ist dieser ganze Alptraum für dich vorbei!“

      Er ließ sie zur Ruhe kommen und stand abwartend vor ihr. „Also? Was bekomme ich zu hören?“

      Lilli Weismüller blickte auf. Als er die Urkunde der Waldallee erwähnt hatte, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. „Sie sind es!“, brachte sie schließlich heiser hervor. „Der Anwalt!“

      „Schlaues Köpfchen“, grinste ihr Entführer und verpasste ihr noch einen leichten Hieb gegen den Kopf. „Dann brauch’ ich ja auch meine Skimaske nicht mehr, was?“ Er behielt sie trotzdem weiterhin auf und sprach mit eisiger Härte zu ihr: „Wo ist die verdammte Urkunde? Sprich! Ich hab’ nicht die ganze Nacht Zeit!“

      Lilli Weismüller stockte der Atem. Im Dunkeln hatte sie kein Zeitgefühl mehr gehabt. Jetzt offenbarte er ihr, dass es auch noch mitten in der Nacht war. Daher konnte er sie sich nun vornehmen, ohne Gefahr zu laufen, dass ihn jemand hörte. Indem er für sie die Nacht zum Tag machte, setzte er psychischen Terror ein. Und sie musste auf diesem furchtbaren Stuhl in ein und derselben Position unentwegt sitzen bleiben.

      Die Rentnerin begann sich zutiefst zu fürchten. Sobald er hatte, was er von ihr wollte, würde sie hier wohl ihr Grab finden. So etwas Ähnliches hatte sie schon einmal in einem Fernsehkrimi gesehen. Sie musste ihm irgendwas geben, damit er beschäftigt war, um mehr Zeit zu gewinnen. Es war bestimmt jemandem aufgefallen, dass sie verschwunden war. Womöglich hatte einer ihrer Nachbarn auch schon die Polizei angerufen. Wenn die sie nur rechtzeitig finden würden!

      „Was ist jetzt?“, grollte der Anwalt und drohte ihr mit der Faust.

      „Ja, ich mach’ ja, was Sie sagen!“, entfuhr es ihr mit weinerlicher Stimme. „Ich mach’ ja alles, was Sie mir sagen! Bloß töten Sie mich nicht!“

      „So ist es gut!“, freute sich ihr Entführer und tätschelte ihre Backe wie bei einem Kleinkind.

      „Hören Sie …“, begann Lilli Weismüller und überlegte fieberhaft, womit sie ihn wohl beschäftigen konnte. Dann fiel ihr etwas ein. „Mein Amulett …“

      „Ihr Amulett?“ Er beugte sich über sie. „Was ist damit?“

      „Man kann es öffnen. Dort drinnen …“

      „Wo ist es?“, herrschte er sie an.

      „In meiner Wohnung“, antwortete sie wahrheitsgemäß. Sie wusste,

Скачать книгу