Dialoge, Monologe, Interviews. Walter Rupp

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Dialoge, Monologe, Interviews - Walter Rupp

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      LINKSINTELLEKTUELLER: Deine Prophezeiung ging bis jetzt nicht in Erfüllung, dass die Religion... MARX: Wie kommst Du auf Religion? Ich sprach vom Glauben an den Weltkommunismus. Man will nicht einmal mehr in Osteuropa an ihn glauben und betet mich nicht einmal mehr in Deutschland an.

      LINKSINTELLEKTUELLER: Du denkst an die Studentendemonstrationen 1968.

      MARX: Sprechen Sie nicht von Demonstrationen. Es war von oben deutlich zu sehen: es waren Prozessionen. Diese Ehrfurcht,

      diese Andacht -

      LINKSINTELLEKTUELLER: ... die man dir und deinem Bild entgegenbrachte, hatte wirklich religiöse Züge. Es gab sogar Christen, die von dir wie von einem Heiligen gesprochen und deine Schriften mit dem Evangelium verglichen haben.

      MARX: Nicht zu Unrecht. Aber dass man sich jetzt meiner schämt …

      LINKSINTELLEKTUELLER: Das wird nur eine vorübergehende Krise sein.

      MARX: In meinen Voraussagen war von einer Krise nie die Rede, sondern von einer kontinuierlichen Aufwärtsentwicklung, von einem geradlinigen und steten Fortschritt. Ich habe unmissverständlich den Zusammenbruch des Kapitalismus und den Triumph des Kommunismus angekündigt, aber doch nicht umgekehrt.

      LINKSINTELLEKTUELLER: Die Geschichte geht eben häufig eigene Wege. Irgendwer hat da Sand ins Getriebe gebracht.

      MARX: Diese Proleten - man macht ihnen klar, was ihr Glück ist, und sie suchen ein anderes Glück, manchmal eines, vor dem ich sie eindringlich gewarnt habe.

      LINKSINTELLEKTUELLER: Ja, die Menschen...

      MARX: Sie haben mir mit ihrer Ungeduld alles kaputt gemacht. Ich predige: dass man für das Wohl künftiger Generationen Opfer bringen muss, und sie wollen das Glück schon jetzt. Sie sind wie kleine Kinder, sie können nicht warten, sie bestehen auf der sofortigen Erfüllung ihrer Wünsche. -

      LINKSINTELLEKTUELLER: Darf ich eine persönliche Frage stellen?

      MARX: Meinetwegen, obwohl mir persönliche Fragen zuwider sind.

      LINKSINTELLEKTUELLER: Was würdest du, wenn du noch einmal hier sein dürftest - hier sein müsstest, anders machen?

      MARX: Nicht viel, gewiss nicht viel. Ich würde vielleicht etwas vorsichtiger mit dem Kapitalismus umgehen, weil ich einsehen musste, dass es unter den Kommunisten auch anständige Kapitalisten gegeben hat.

      LINKSINTELLEKTUELLER: Müsstest du rückschauend etwas bereuen?

      MARX: Ich soll bereuen? Ich bitte dich! Sicher war es ein Fehler, Hammer und Sichel als Symbol des Proletariats zu wählen. Wir hätten uns für die Luftmatratze und den Liegestuhl entscheiden sollen. Aber zu meiner Zeit waren solche Artikel noch nicht zu haben. Vielleicht wäre es auch besser gewesen, zwischen dem Kommunismus und dem Kapitalismus keinen Unterschied zu machen. Aber sonst...

      VOLTAIRE

      *Im Fegefeuer

      PFARRER: Was ist mit Ihnen los? Sie schreiben wie besessen. Wollen Sie ein Buch schreiben, etwa über Ihre Diesseitseindrücke? Glauben Sie, dass sich hier jemand dafür interessiert?

      VOLTAIRE: O nein. Ich hasse inzwischen das Schreiben.

      PFARRER: Aber Sie können es doch nicht lassen.

      VOLTAIRE: Das ist es ja: Dieser verflixte Zwiespalt: ich möchte nicht mehr schreiben und muss es doch.

      PFARRER: Wieso müssen Sie?

      VOLTAIRE: Man hat mir auferlegt, meine Texte zu verbessern. Das Schlimmste dabei ist, seine eigenen Texte wieder lesen zu müssen. Mit meinen Texten habe ich mir drunten viele Freunde und hier oben viele Feinde gemacht.

      PFARRER: Waren Sie Schriftsteller?

      VOLTAIRE: *Er nickt. Ein Schreibverbot wäre mir lieber gewesen.

      PFARRER: Ja, was man ein Leben lang getan hat, kann man nicht mehr lassen.

      VOLTAIRE: Wie ich nur auf diese Idee kommen konnte, Sätze zu schreiben, über die sich die Menschen ärgern sollten.

      PFARRER: Mir geht es ebenso: Vieles, was ich einmal gesagt habe, würde ich jetzt auch nicht mehr sagen.

      VOLTAIRE: Ich hatte nie geglaubt, dass es so schwer ist, meinem ‚L’Evangile de la raison’ eine vernünftige Fassung zu geben.

      PFARRER: Sie haben ein ‚Evangelium der Vernunft’ verfasst? War Ihnen das christliche Evangelium nicht vernünftig genug?

      VOLTAIRE: Als ich noch drunten war, glaubte ich das.

      PFARRER: Man hätte drunten wissen sollen, was man jetzt weiß.

      VOLTAIRE: Wie finden Sie den Satz: „Wenn es Gott nicht gäbe, müsste man ihn erfinden?“

      PFARRER: Originell ist dieser Satz. Aber wer hätte Gott erfinden können?

      VOLTAIRE: Sie haben Recht, ohne ihn gäbe es ja auch keine Menschen.

      PFARRER: Wenn man über heilige Dinge lästert … Die hiesige Zensur lässt so etwas nicht durchgehen.

      VOLTAIRE: Ich wollte nie über Gott, sondern über sein Zerrbild lästern. Ich habe diesen Satz jetzt geändert: könnte man Gott erfinden, wäre er kein Gott.

      PFARRER: Gegen diese Formulierung wäre theologisch nichts einzuwenden.

      VOLTAIRE: Sind Sie Pfarrer?

      PFARRER: Ja. – Und ich entnehme Ihrer Aussprache, dass Sie Franzose sind?

      VOLTAIRE: Pardon, habe ich mich noch nicht vorgestellt? Francois-Marie Arouet

      PFARRER: Sie sind Voltaire? Das überrascht mich, dass Sie hier sind… ich wollte sagen…

      VOLTAIRE: Sie hatten mich einige Stockwerke tiefer vermutet. Man sollte mich nicht bei den Atheisten einreihen, nur weil ich die Gläubigen mit meinen Sprüchen reizte.

      PFARRER: Sie sind ein Spötter.

      VOLTAIRE: Spotten hat mir einfach Spaß bereitet. Man hat mir hier sogar bescheinigt - darauf bin ich stolz - dass meine Ironie witzig und geistreich war.

      PFARRER: Trotzdem müssen Sie hier warten.

      VOLTAIRE: Seit 1778. Das sind 226 Jahre. Das ist eine lange Zeit. – Man hat mir

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