Die Erdmännlein. Heinz Gellert

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Die Erdmännlein - Heinz Gellert

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war Vormittag. Ich war noch nicht lange mit den Kühen auf der Weide, und mein Bruder und der Knecht hatten fast den Wald erreicht. Da sah ich die Kuh dort zwischen den beiden knorrigen Weiden“ - er zeigte mit der Hand zur Insel – „seelenruhig Gras fressen. Ich konnte es erst gar nicht fassen, dachte, ich träume, aber sie war es wirklich. Ich lief zum Ufer, schrie nach meinem Bruder und zeigte immer wieder zur Insel. ‚Da ist sie! Die Kuh ist auf der Insel’, rief ich. ‚Franz, komm zurück!’ Mein Bruder hatte mich zuerst wohl nicht richtig verstanden, kam dann aber mit dem Knecht angerannt. Und beide staunten nicht wenig, als sie das sahen, was ich sah … die Kuh nämlich. Die ließ sich überhaupt nicht von meinem Geschrei stören, fraß seelenruhig weiter.

      Tim, glaub´ mir, hätte ich sie nicht entdeckt, keiner von uns wäre auf die Idee gekommen, dort nach der Kuh zu suchen. Noch nie zuvor war eines der Tiere ins Wasser gelaufen … nicht mal zum Saufen. Das taten sie aus einem Wassergraben, der sich quer durch die Weide hinzog. Wir überlegten, was wir machen sollten. Franz vermutete, dass irgendwo im Wasser eine flache Stelle war, durch die die Kuh zur Insel gelangt sein konnte. Er zog sich darum bis auf die Unterhose aus, stieg ins Wasser und tastete mit den Füßen den Grund am Seeufer ab. Dabei ging er immer tiefer in den See hinein.“

      Der Großvater sammelte einen Stein vom Uferrand auf und warf ihn in Richtung der Insel. „Du siehst ja selbst, Tim“, sagte er, „es ist nicht weit. Man kann fast hinüberwerfen. Vielleicht dreißig Meter.“

      Tim versuchte es auch, kam aber mit seinem Stein nicht mal bis zur Hälfte der Strecke.

      „Ja“, meinte der Großvater, „etwa so weit, wie du geworfen hast, ist Franz damals gekommen, dann konnte er an keiner Stelle mehr stehen. Er kehrte deshalb um und fragte mich nach einem Strick. Damit wollte er zur Insel schwimmen und ihn der Kuh um den Hals binden. Weil er glaubte, dass sie rüber geschwommen sei, wollte er sie so ins Wasser ziehen …“

      „Können denn Kühe schwimmen?“, unterbrach Tim ihn.

      „Ja, mein Junge“, antwortete der Großvater nachdenklich, „das kann ich dir nicht sagen. Ich hab´ noch keine Kuh schwimmen geseh´n. Und die auf der Insel tat es auch nicht. Aber lass mich weiter erzählen:

      Weil kein Strick auf der Weide aufzutreiben war, auch bei den Hirten nicht, lief ich nach Hause und holte mir vom Vater einen. Mein Vater kam gleich mit zur Weide. Na jedenfalls, mein Bruder versuchte sein Glück, schwamm mit dem Strick zur Insel, aber das blöde Vieh von Kuh wollte sich nicht ins Wasser ziehen lassen. Störrisch wie ein Esel war sie. Da halfen auch keine Schläge aufs Hinterteil. Franz rief meinem Vater von der Insel zu, er solle mit dem Knecht das Angelboot herbeiholen, das ein ganzes Stück entfernt am Ufer auf Land gezogen war. Gott sei Dank! lagen die Ruder drinnen.

      Die beiden ruderten also zur Insel. Aber das hätten sie sich gleich denken können! Der Kahn war viel zu klein und zu schmal, und die Kuh viel zu schwer. Als mein Vater und Franz versuchten, der eine durch Ziehen, der andere mit einem Stock schlagend, die Kuh ins Boot zu bekommen, wär´ es beinahe abgesoffen.

      Da half nichts! Die Kuh musste auf der Insel bleiben. Ich bin dann noch ein paar Tage lang, zweimal täglich, mit dem Boot zur Insel gerudert, habe die Kuh versorgt und gemolken. Während dieser Zeit haben die Knechte des Bauern ein Floß gebaut, um sie damit von der Insel zurückzuholen. Aber daraus wurde nichts mehr; denn eines Morgens war die Kuh nicht mehr da.“

      „Ist sie ertrunken?“, fragte Tim.

      „Ich glaub´ nicht“, meinte der Großvater. „Dann hätte man die Tierleiche irgendwo im See gefunden. Ich glaub´ eher, sie wurde gestohlen.“

      „Wie denn gestohlen?“, fragte Tim erstaunt.

      „Was weiß ich!“, antwortete der Großvater. „Vielleicht hat irgendwer sie geschlachtet. Vielleicht hatte man auch in der Nacht das Floß dazu benutzt, um sie von der Insel zu holen. Es war ja fast fertig und lag hier am Ufer. Jedenfalls erzählte man sich allerlei im Dorf darüber. So mancher Verdacht fiel auf diesen oder jenen armen Schlucker.“

      Der Großvater klopfte seine Pfeife auf einem Stein aus und erhob sich. Dann sagte er noch: „Deine Oma ist allerdings anderer Meinung. Aber das lass dir von ihr erzähl´n!“ Er wollte gehen.

      „Ach Opa!“, bat Tim und zog ihn am Ärmel, wollte ihn so am Weggehen hindern. „Opa, du kannst mir doch sagen, was Oma darüber denkt.“

      „Nee, Junge“, wehrte er ab, „das frag´ sie mal selbst. Ich halte von solchen Ammenmärchen nichts. Und nun komm! Wir geh´n jetzt. Es ist Abendbrotzeit.“

      Sie gingen den Feldweg entlang an der Koppel vorbei.

      „Ist das später noch mal passiert?“, wandte sich Tim an den Großvater. „Ich meine … ist wieder mal ´ne Kuh auf der Insel gewesen?“

      „Wie ich weiß … nein“, antwortete er. „Aber verschwunden ist ab und zu schon mal so ´n Rindvieh. Weggelaufen oder gestohlen. Das kommt vor.“

      Tim betrachtete die weidenden Kühe auf der Koppel und fragte: „Wer treibt denn heute die Tiere von der Weide? Machen das die Jungs aus dem Dorf?“

      „Bei dem schönen Wetter im Sommer“, antwortete der Großvater, „bleiben sie auf der Weide.“

      „Auch nachts?“, wunderte sich Tim.

      „Auch nachts.“

      „Und wer passt auf?“, fragte Tim interessiert.

      „Keiner! Dafür haben wir hier doch den Zaun.“ Der Großvater trat an den Zaun heran. „Das ist ein Elektrozaun“, erklärte er. „Durch den Draht fließt Strom. Wenn die Tiere daran kommen, kriegen sie einen leichten Stromschlag, den sie als Schreck oder Schmerz empfinden, und laufen weg. Das merken sich die Kühe, und darum respektier´n sie den Zaun und kommen nicht in dessen Nähe.“

      „Kann man den Draht auch anfassen?“, wollte Tim wissen.

      „Versuch´s doch! Dann weißt du´s", antwortete der Großvater.

      Tim hielt seine Hand über den Draht, zögerte aber, ihn zu berühren, da er den listigen Blick des Großvaters bemerkte.

      „Ach, der Draht ist so schmutzig“, meinte Tim und zog die Hand wieder zurück.

      „Na ja, wenn er schmutzig ist“, stimmte der Großvater ihm zu, „dann sollte man ihn auch nicht anfassen. Außerdem ist er ja für die Kühe da, und denen macht der Schmutz verständlicherweise nichts aus.“

      Das hatte Tim nun davon. Er fühlte sich von seinem Großvater verkohlt. Doch anfassen würde er den Draht schon noch, aber nur, wenn keiner zusah.

      Als sie am großen Koppeltor vorbeikamen, wollte der Großvater Tim noch den Melkstand im Rinderstall zeigen. Doch dann entschied er sich, dass Tim sich den am nächsten Tag von seinem Onkel Bernhard genauer zeigen und erklären lassen sollte.

      3. Die Erdmännlein und der Tischlergeselle

      Als die Großmutter abends Tim zu Bett brachte, berichtete er ihr, was der Großvater ihm auf der Weide erzählt hatte, und er wollte natürlich ihre Meinung dazu wissen. Besonders interessierte ihn, was der Großvater für ein Ammenmärchen gemeint hatte.

      „Ammenmärchen!“, sagte die Großmutter erbost. „Dein Opa hält immer nur

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