Couscous Crème fraîche. Iris Maria vom Hof

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Couscous Crème fraîche - Iris Maria vom Hof

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„Ja, Madame, die liegt im Bett. Die hat so eine blutige Krankheit.“ „Wie bitte?“ Madame Doucelle stürzt ohne Anklopfen ins Schlafzimmer der Ben Ali und macht sich ein Bild von der Angelegenheit. Beruhigt kehrt sie zurück. / „Katy, Laurent, kommt beide zu mir!“ Neugierig begutachten Katy und Laurent den Inhalt des Kartons. Konserven, Biskuits, Sardinen. Ein Federballspiel, ein Fan-Schal des AC Le Havre und weiteres Sportzeugs für die großen Jungen. „Danke, Madame, das ist tierisch viel, sagt Katy höflich. Laurent schiebt mit dem Fan-Schal ab. Katy streicht um Madame Doucelle herum, fasst Mut und schmiegt sich an ihren Rock. Mm-m, was riecht sie wieder gut! Wie magisch angezogen folgt Katy dem Duft von Madame Doucelle. Und mit geschlossenen Augen, ganz hin und weg, plappert sie: „Sie riechen so wunderbar, Madame, so wunderbar!“ „Du bist ein liebes Mädchen.“ Katy zuckt verwirrt zusammen, als ihr Madame Doucelle die rechte Hand auf den Kopf legt und zärtlich hinzufügt, „meine liebe Kleine.“ Katy spürt, dass die feine Dame was für sie übrig hat. Ihr Engel in Seide. Parfümiert, gepudert, oh ja, das wäre mal eine Mutter! Ach, könnte sie mich adoptieren, denkt Katy. Dann zisch ich mit Madame Superduft ab. Oder ich klettere in den Kofferraum ihres himmelblauen Autos. Dann können die mich hier mal. / Katys Traum ist leider nicht von Dauer. Madame Doucelle ist bereits wieder im Aufbruch. „Ich habe noch was für dich, meine Kleine.“ Katy bekommt ein kleines Extrapäckchen von ihrem Idol zugesteckt, darin ein Stück Seife und schweineteure Schulsachen. „Danke, Madame, danke!“ „Stecke es gleich weg, Katy...“ flüstert Madame Doucelle. „Danke, Madame, danke tausendmal!“ „Hast du ein sicheres Versteck für die Sachen?“ „Ja, Madame, ich weiß, wo ich die Sachen bunkere.“ „Gut.“ / Halt. Da ist es wieder wie bei früheren Besuchen. Katy weiß Bescheid, sie weiß genau, was gleich kommt. Weil Madame Doucelle jedes Mal ins Schwanken gerät und weil Madame deutliche Zeichen von sich gibt. Und, wie sonst auch, Madame gibt sich einen Ruck, räuspert sich ein paar Mal und zupft den üblichen weißen Briefumschlag aus der Handtasche. Wahrscheinlich kommt das Räuspern von dem bestialischen Gestank in der Wohnung, den Madame nach einer gewissen Zeit nicht mehr aushält. Gut möglich. Kein Wunder, dass einem so was auf die Lunge schlägt. Katy selbst merkt es nicht mehr. Logo, wenn man diese Stinkwolke Tag und Nacht um sich hat. Dafür kriegt sie hundert Prozent mit, wenn die Kohle alle ist. Dann werden Gewehr, Mixer und so in die Pfandleihe verfrachtet. Nicht der Fernseher, aber sonst alles, was man versilbern kann. Und wenn der Vater flucht, dass jetzt nicht mal mehr die Pferde was zu futtern haben, dann ist der Ofen endgültig aus. Wenn er nicht mehr bei den Pferdewetten mitmachen kann, dann ruft die Mutter Ben Ali bei Madame Doucelle an. „Hallo, Madame, Sie wissen, wir...“ Immer der gleiche Ablauf. / Oh Scheiße, jetzt ist es wieder soweit. Madame Doucelle bringt der Larve das Geld. Und der Vater wird saufen und schlagen. Die Larve tischt ihr dafür wieder den letzten Schrott auf. Rechnungen, Kleidung für die Kinder, der Mann trotz täglicher Versuche immer noch keinen Job. Blablabla. Katy hätte nicht übel Lust, Madame Doucelle alles, alles zu erzählen und zwar so, wie es sich in Wirklichkeit zuträgt. Quatsch. Katy schafft es auch diesmal nicht. Und als sie nach einer Art Schockstarre aus Enttäuschung und Traurigkeit über den Abgang von Madame Doucelle wieder zu sich kommt, chauffiert Madame ihren Renault Dauphine bereits zur nächsten Problemfamilie.

      Kai des Vergessens

      Le Havre, Februar 1974 /// An einem abgelegenen Pier von Le Havre wird die France, der einstmalige Stolz Frankreichs, eingemottet. Auf seinem Lotsenboot bugsiert der Hafenmeister den abgehalfterten Luxusliner mit viel Hin und Her und Vor und Zurück auf seine endgültige Parkposition. Der Schiffsrumpf ächzt, grollt, bäumt sich im Schatten eines abblätternden Hafenkrans auf. In seinen Kolben steckt immer noch der unerschütterliche Widerstand eines allen Wettern gewachsenen Atlantik-Potts. Einige neugierige Gaffer sehen von Land aus zu. Allen voran die Ben Ali. Der Vater, die älteren Söhne Gérard und Denis, der kleinste, Laurent und die vierzehnjährige Tochter Katy. Der Vater Ben Ali betrachtet den maroden Schiffsgiganten. „Der Pott sah 1960 noch ganz anders aus. Und wir waren dabei, bei der Taufe, eure Mutter und ich...“ brüstet er sich vor seinen Kindern, „als Präsident de Gaulle den Dampfer eingeweiht hat. Der General hatte seine Gattin auch dabei. Das war vielleicht ein Aufstand, sag ich euch. Eine sechs Liter Flasche Champagner hat der Präsident an den Bug geknallt. Schade drum, die hätte ich mir an seiner Stelle lieber selbst hinter die Binde gegossen.“ „Durften die Großen nicht mit?“, möchte Katy wissen. „Halt den Rand, der Vater Ben Ali lässt sich nicht dazwischen quasseln. „Das war ein riesiges Ding damals. Könnt ihr mir glauben. Die Zeitungen haben sich nur so überschlagen. Technische Meisterleistung und anderes geschwollenes Zeug. Ich lach mich schlapp. Am schlimmsten waren die Werftarbeiter. Normalerweise stehen die auf Streik, die linken Säcke. Aber bei der Schiffstaufe sind sie fast übergeschnappt vor Stolz, als der Präsident die technischen Sachen vorgetragen hat. So und soviel Meter Länge. So und so viele Millionen Francs teuer. Über 100000 PS Motor und so weiter. Mit dem bescheuerten Satz die France hat soeben das Meer geheiratet war das gequirlte Gequatsche zu Ende. Dieser de Gaulle hat immer viel zu viel Schmalz abgesondert.“ „Toll, Papa!“ Technik imponiert den drei Jungs total. „Reife Leistung...“ bestätigt der Vater, „qualmte mächtig aus den beiden Dingern oben drauf, die aussehen wie Flugzeugteile.“ „Die beiden rostigen Kamine dort?“, ruft Katy vorlaut. Bum, schon fängt sie sich eine. Der Vater verpasst ihr einen satten Hieb auf den Hintern. Nicht weiter tragisch. Katy kennt ganz andere Schläge. So einen kleinen Klatsch steckt sie weg wie nix. „Schon mal von nationaler Ehre gehört?“, die gereizte Stimme des Vaters droht den nächsten Hieb an. „Quatsch, begehrt Katy auf, „wir sind doch bloß Araber!“ Katy hat es voll drauf, dem Vater auf den Sack zu gehen. Nicht extra. Aber damit macht sie sich ihr Leben nicht leichter. Denis schubst Katy vom Vater weg, um die Situation zu retten. „Du nervst, Katy. Halt die Schnauze, sonst knallt er dir noch eine!“ Und Gérard schiebt nach: „Bist du blöd, Katy? Wir sind Algerier und nicht Araber.“ „Dass du auch mal was weißt...“ giftet Katy schnippisch zurück. „Und warum waren wir nicht bei der Einweihung, Papa?“ Gérard will es jetzt wissen. Als Ältester hat er Anspruch auf eine Erklärung, denkt er. „Du bist zu dämlich, antwortet der Vater unwirsch, „rechne mal. Ihr beiden Großen, ihr wart noch Hosenscheißer. Euch konnte man nicht mitnehmen, weil es gleich gestunken hat wie im Schweinestall. Und Katy hing noch an den Titten eurer Mutter. Und die brauchte mal eine Pause. Katy, du Kröte, du hast Tag und Nacht gebrüllt als Baby.“ Und während Gérard, Denis und Katy plötzlich so tun, als geht sie das Ganze einen Dreck an, hebt der Vater Laurent auf die Schultern, damit er besser sehen kann. „Schau gut hin, du Zwerg! Du warst als einziger beim ersten Mal dabei. Du konntest bloß noch nichts sehen, weil du noch im Bauch deiner Mutter gesteckt bist...“ Der Vater schüttet sich aus vor Lachen und greift sich ungehobelt an den Sack. „Ihr seid eine zu blöde Bande. Leckt mich doch. Ich gönne mir erst mal einen Schluck!“ Damit setzt er Laurent auf den Boden und dreht ab Richtung Stammkneipe. Ein paar Bier zischen und Dreierwette, das Übliche. / „Ab nach Hause, ihr Gören!“, kommandiert Gérard, „aber flott! Araber! Katy, du hast sie nicht mehr alle! Schämst du dich eigentlich nicht?“ „Blase dich nur auf!“, rotzt Katy zurück. Stur flitzt sie unter Gérards erhobener Schlaghand durch. Sie hat die Schnauze gestrichen voll. Und diese ganzen Leute nerven. Sie ist so viele Menschen auf einem Haufen nicht gewöhnt. Mal von links geschubst, mal von hinten geboxt, blödes Pack. Aber am schlimmsten ist immer noch ihre eigene Bande. Gibt es in dieser Familie irgendeinen, der nicht ständig überreagiert, nein. Diese blöde Sippe kennt nur eines: Von oben nach unten, hau drauf. Schlag zu. Brasil-bescheuert. Katy leidet seit Wochen an massiven Schlafstörungen. Bisher dachte sie, dann ist es eben so, scheiß drauf. Nach dem Vater kommandiert der älteste Bruder. Sie hat drei Brüder und die älteren beiden in der Kiste, zwischen den Beinen, wenn die Eltern pennen. Nicht freiwillig, oh nein. Aber sie kann sich nicht wehren. So nicht weiter. Sie macht die Fliege. Sie lässt sich von keinem dieser Arschlöcher mehr wehtun. Die Sache mit dem rostigen Pott hat Katy irgendwie getroffen, verschreckt, aufgerüttelt. Vierzehn Jahre alt und der Kahn ist kaputt. Im Eimer. Vierzehn Jahre alt wie sie. /// Nicht vor und nicht zurück. Katy hadert mit ihrem Entschluss abzuhauen. Findet sich feige. Vielleicht bringt sie es einfach nicht? Katy hängt komplett in der Uhr. Zum Trost knallt sie sich vor die Glotze. Da kann die Mutter austicken wie sie will. Katy zieht sich jede Folge von Der Schäfer Nans rein und

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