Mein Begräbnis. Und andere Grotesken. Hanns Heinz Ewers

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Mein Begräbnis. Und andere Grotesken - Hanns Heinz Ewers страница 3

Автор:
Серия:
Издательство:
Mein Begräbnis. Und andere Grotesken - Hanns Heinz Ewers

Скачать книгу

er. Dann setzte er die Brille auf und las auf meiner Eierkiste: »Glas!« und »Zerbrechlich!« und »Vorsicht!« und »Nicht stürzen!«

      »Was geht hier vor?«, fragte er scharf.

      Der kleine Fritz gab ihm eine überraschende Antwort.

      Er konnte wirklich noch nicht rauchen, und die Zigarette war ihm sehr schlecht bekommen. Er beugte sich vor, zurück und wieder vor – da geschah das Unglück – gerade über den guten schwarzen Rock des Herrn Pastors.

      Der war erst sprachlos, dann aber, wie sich alle mit ihren Taschentüchern um ihn bemühten, fasste er sich und erklärte: »Das übersteigt wirklich alle Grenzen. – Ich nehme daran öffentlich Anstoß.«

      »Ich nehme auch öffentlich Anstoß!«, stimmte ihm ein Herr mit siebenundzwanzig Orden bei.

      »Wir nehmen von Amts wegen öffentlich Anstoß!«, sagten die Schutzleute.

      Nun wurde mir die Sache doch zu bunt, und ich sah ein, dass ich den Roten Radlern zu Hilfe kommen musste.

      Ich stieß den Deckel von der Kiste, richtete mich auf und rief zornig: »Und ich, meine Herren, ich nehme an Ihrer ungebetenen Teilnahme an meinem Begräbnis öffentlich Anstoß!«

      Der Pastor starrte entsetzt in die Grube. »Ist das hier – etwa ein christliches Begräbnis?«, stammelte er.

      »Nein«, sagte ich, »das ist ein modernes Begräbnis mit Roten Radlern!«

      Ich setzte mich auf meine Kiste, klemmte mein Monokel ins Auge und schaute die Leute an. Ich war im Pyjama, aber da ich befürchtete, mich im Grab zu erkälten, hatte ich mir meinen Pelz mitgenommen.

      Das imponierte den Herrschaften – schließlich war es mitten im Sommer!

      Ihr alter Geheimer Oberregierungsrat hatte gewiss keinen Pelz an.

      »Machen Sie, dass Sie wegkommen!«, fuhr ich fort. »Dieses Grab ist von mir bezahlt worden und gehört mir. Ich bin regelgerecht gestorben und kann mich begraben lassen, wie es mir Spaß macht. Gehen Sie also! Hier in diesem Loch und in dieser Kiste bin ich Hausherr, und ich rate Ihnen, keinen Hausfriedensbruch zu begehen.«

      »Ein Skandal!«, sagte der Herr mit den Orden. »Ein beispielloser Skandal!«

      Dann kam der Herr Staatsanwalt. »Man muss diesen Possen ein Ende bereiten!«, zischte er mich an. »Ich verhafte Sie im Namen des Gesetzes! Ich ersuche die Schutzleute, ihre Pflicht zu tun!«

      Die Schutzleute stiegen in das Loch und legten mir ihre Tatzen auf die Schulter. Aber ich blickte sie scharf an und sagte: »Haben Sie denn alle Ehrfurcht vor der Heiligkeit des Todes verloren?«

      »Er ist gar nicht tot! Schwindler!«, rief ein sehr mutiger Reserveleutnant.

      »So?«, lachte ich. »Bitte sehr!« Damit reichte ich den Schutzleuten meinen Totenschein. »Überzeugen Sie sich selbst! – Und außerdem«, fuhr ich fort, »falls Ihnen der Zettel des Bezirksarztes nicht genügt, schnuppern Sie doch mal, Sie alter Esel!«

      Der Herr mit den Orden streckte die Nase ein wenig vor. »Pfui Teufel!«, rief er und fuhr zurück.

      »Bewahren Sie die Grenzen des Anstands, mein Herr!«, ermahnte ich ihn. »Bedenken Sie, wo Sie sind! Es ist ein glühheißer Julitag und gerade Mittag. Ich bin eine Leiche und habe also ein Recht darauf, zu stinken!«

      Aber der Staatsanwalt beruhigte sich nicht.

      »Das geht mich gar nichts an«, meinte er, »ich sehe nur, dass hier grober Unfug begangen wurde. Und dieser grobe Unfug bedarf gerichtlicher Sühne! Ich ersuche die Schutzleute, den Herrn in seine Kiste zu stecken und fortzubringen; die anderen aber bitte ich, mir zu folgen!«

      Die Schutzleute griffen zu, ich versuchte, mich zu wehren, so gut es ging. Aber sie waren viel stärker, steckten mich rasch in die Kiste und trugen mich aus dem Friedhof hinaus zu einem Wagen. Alle folgten, die Herren stiegen in ihre Kutschen, und die Roten Radler sprangen auf ihre Räder. Sogar die Totengräber kamen mit; ich freute mich nur, dass der Geheime Oberregierungsrat, der mich mit seinem altmodischen Leichenbegängnis so gestört hatte, nun ganz allein und verlassen dalag.

      Musste der sich ärgern!

      Meine Kiste stand auf dem Kutschbock, und der dicke Schutzmann saß oben drauf. Gott sei Dank konnte ich durch ein Astloch ein wenig hindurchgucken. Wir fuhren in scharfem Trab zurück in die Stadt. Dann hielten wir vor dem Gerichtsgebäude.

      »Saal einundvierzig!«, rief der Staatsanwalt. Die Schutzleute trugen mich in meiner Kiste hin, alles drängte eilends nach.

      Der Amtsrichter saß oben zwischen seinen Schöffen. Der Herr Staatsanwalt entschuldigte sich, dass er plötzlich die Sitzung unterbreche, aber es handele sich um eine sehr eilige, dringliche, wirklich unaufschiebbare Sache. Dann erzählte er den ganzen Vorgang.

      »Der Kerl behauptet, tot zu sein«, schloss er, »und ist auch im Besitze eines amtlich ausgestellten Totenscheins.«

      Der Herr Amtsrichter hieß mich aus meiner Kiste herauskommen.

      »Befindet sich vielleicht ein Arzt im Publikum?«, fragte er. Es kamen gleich drei heran: ein gewöhnlicher Arzt, ein Stabsarzt und ein Medizinalrat, der Vorsitzende der Landesirrenanstalt.

      Sie untersuchten mich, hielten sich dabei aber ihre Taschentücher dicht unter die Nasen.

      Sie machten es kurz: »Ganz zweifellos eine Leiche!«

      Ich triumphierte.

      »Ich werde gegen den Herrn Staatsanwalt wegen Leichenschändung vorgehen!«, rief ich.

      »Einstweilen stehen Sie hier als Angeklagter!«, fuhr mich der Vorsitzende an.

      »Nicht zu lange mehr, lieber Herr!«, antwortete ich. »Ich bin im Stadium des –«

      »Schweigen Sie!«, schrie er.

      »Nein!«, sagte ich. »Ich werde nicht schweigen. Ich habe als Preuße das Recht, meine Meinung in Wort, Schrift oder bildlicher Darstellung frei zu äußern!«

      Da lachte er. »Wir sind hier nicht in Preußen! – Und außerdem sind Sie auch kein Preuße mehr, sondern eine Leiche!«

      »Ich bin kein Preuße mehr?«

      »Nein!«

      »Dann bin ich ein toter Preuße!«

      »Und ein toter Preuße hat gar keine, aber auch nicht die allergeringsten Rechte. Das muss Ihnen doch schon Ihr gesunder Menschenverstand sagen!«

      Ich dachte nach: Der Mann hatte leider Recht.

      Ich schwieg gekränkt.

      »Sie stehen hier«, begann er wieder, »unter der Anklage des groben Unfugs, der Erregung öffentlichen Ärgernisses, der Beamtenbeleidigung und des Widerstandes gegen die Staatsgewalt! Haben Sie etwas zu Ihrer Verteidigung anzuführen?«

      »Ich bin eine Leiche«, wimmerte ich.

      »Das ist keine Entschuldigung«, behauptete der Vorsitzende. »Im Gegenteil

Скачать книгу