Chats. Thomas Tippner

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Chats - Thomas Tippner

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      Sie war eine Chance, die man hatte und die man versäumt, dachte er jetzt, während er Janas Bild betrachtete.

      Er wünschte sich wieder die gleiche Wut in sich zu spüren, wie er sie damals auf Frau Boscop gespürt hatte. Nur einmal noch die Schuld nicht bei sich, sondern bei anderen suchen. Nur einmal noch vor der Frau stehen, der sein Herz gehörte und dann ängstlich meinen: „Schon gut. Hat sich erledigt“, und seinen ganzen Hass auf eine andere Person fokussieren.

      So, wie er es damals gesagt hatte.

      So, wie er, als er all seinen Mut zusammengenommen und Miriam vorsichtig auf die Schulter getickt hatte, als sie unten an der Bille am großen Steg stand, gedankenverloren aufs Wasser schaute, während neben ihr ihre beste Freundin stand.

      So wie er, als ihn der Mut verließ, und er sich am liebsten dafür geohrfeigt hätte, auf ihr: „Ja?“, nicht angemessen reagierte.

      Ob es die verträumte Einbildung eines langsam älter werdenden Mannes war, der seiner Vergangenheit hinterhertrauerte, oder es die Wirklichkeit war, wusste Daniel nicht mehr zu sagen. Aber heute, so viele Jahre später, war er sich sicher, dass er in ihren Augen ein erfreutes, ein erwartungsvolles Blitzen gesehen hatte.

      Ein kurzes Aufglimmen der Freude, dass der Junge sie ansprach, für den sie insgeheim schwärmte.

      Als Daniel aber an Miriam vorbeischaute, hin zu der kleinen, untersetzten Freundin, die immer zwei geflochtene Zöpfe trug und in ihren quietschgelben Kleidchen aussah wie eine lebendig gewordene Puppe, rutschte ihm das Herz in die Hose. Er spürte, wie er Angst bekam, und er der Meinung war zu hören, wie Frau Boscop sagte: „Da kannst du erst einmal sitzen, bis wir einen besseren Platz für dich gefunden haben!“

      So hob er nur die Hand, strich sich eine in die Stirn gefallene Haarlocke beiseite und drehte sich dann, nach einer zwanglosen Plauderei, einfach herum. In sich ein Gefühl der Abscheu, des Ekels und der unbändigen, kochenden Wut, die er auf sich selbst spüren sollte.

      Die er aber, ganz seinem damaligen Naturell folgend, auf Frau Boscop lenkte.

      Daniel musste lächeln, während er sich mit den Händen durchs Gesicht fuhr und er begriff, dass er Jana wieder schreiben wollte. Dass es ihm ein Bedürfnis war, noch einmal mit ihr zu reden, sie zu hören und ihr gegenüberzusitzen.

      Und deine anderen Probleme?, fragte ihn die ängstliche Stimme. Was ist mit ihnen? Deinen Vater hast du bis heute nicht zurückgerufen, um über DAS Problem zu sprechen. Du weichst ihm aus.

       WhatsApp Nachrichten lesen?

       Geschweige denn beantworten?

       Fehlanzeige, Cowboy!

       Du igelst und schottest dich ab von der Außenwelt.

       Kein feiner Charakterzug.

       Ganz und gar nicht!

      „Ich muss arbeiten. Ich habe Abgabetermine“, murmelte er leise, um seine eigenen Gedanken übertönen zu können.

      Was ihm nicht gelang. Ganz und gar nicht. Denn in dem Moment, als er den Mund schloss, er die Augen zukniff, kamen sie zu ihm zurück. Unerbittlich, einem immer wieder auf die belagerte Stadt zumarschierenden Soldaten gleich, der jeden Augenblick damit rechnete, den sich vor sich auftürmenden Schutzwall zu durchbrechen.

       Du hast immer einen Grund. Immer. Schon bemerkt? Warum hältst du alle, die dich mögen, auf Abstand?

       Was ist es, das dich fragen lässt, ob sie am Oberschenkel kitzlig ist?

       Was ist mit DEM Problem?

       Wann kümmerst du dich darum?

      Daniel hoffte, dass er es endlich schaffte, seine kreisenden und sich rasend schnell drehenden Gedanken beruhigen zu können.

      Was ihm nicht gelang. Ganz und gar nicht. In all den Wirrungen und Irrungen, in denen er sich verloren hatte, schoss ihm ein kurzer Erinnerungsblitz durch den Kopf, so dass er in seinem Stuhl sitzend, die Augen schloss, und einen schweren Seufzer ausstieß.

      Ihr Oberschenkel, dachte er und schaffte es, zu seiner Verwunderung, ohne sich selbst zu beschimpfen. Wie oft habe ich mir vorgestellt, ihn einmal mit den Fingerspitzen sanft zu berühren. Über die weiche, makellose Haut gleiten, spüren, wie sich die kleinen Härchen auf ihrer Haut aufstellen, und ich selbst von einem Schauer der Erregung übermannt werde? Wie ich fühle, dass mein Verlangen sich steigert und ich kurz vor dem Saum ihrer Unterhose meine vorwärts schiebenden Finger zum Stehen kommen lasse. Ich kann, da bin ich mir sicher, die entgegenströmende Wärme ihres Schrittes an den Fingern spüren.

       Ich kann es fühlen, dass sie berührt werden will.

      Weiter dachte er daran, wie es zum ersten Mal dazu gekommen war, dass er sich ernsthaft vorstellen konnte, sie zu berühren; wie sie spielerisch anfingen sich auszumalen, in den Urlaub zu fliegen.

      „Irgendwohin, wo es warm ist“, hatte Jana gesagt, während sie nach ihrer Abendrunde gemeinsam ins Dienstzimmer gegangen waren, um in die Patientenakten ihre Berichte einzutragen. „Die Sonne auf der Haut und das Meer vor einem.“

      „Am Strand sitzen, einen Cocktail trinken und nichts weiter zu hören, als das Rauschen der Wellen und unsere Stimmen.“

      „Klingt fantastisch!“

      „Und sieht gut aus!“

      Sie hatte ihn angeschaut, den Kopf schiefgelegt und dann verwundert klingend gefragt: „Was sieht gut aus?“

      „Du. Im Bikini!“

      „Aha!“

      Mehr hatte sie damals nicht dazu gesagt; hatte es mit einem Schulterzucken und einem niedlichen, Daniel wissenlassenden Lächeln gesagt, dass sie es schön fand, dass er sich sie im Bikini vorstellte.

      Nur um dann, zwei, oder drei Wochen später, ihm ein Bild per SMS zu schicken, das sie zeigte, wie sie in einer C&A Filiale stand, sich einen Bikini vor die Brust hielt und ihn fragte: „Soll der es sein?“

      Daniel hatte darauf scherzeshalber geantwortet: „Kann ich mir erst vorstellen, wenn ich ihn an dir sehe!“

      Woraufhin sie ihm wieder ein Bild schickte, den Bikini über das T-Shirt gezogen, in einer tölpelhaften, albernen Pose, die ihn zum Lachen brachte.

      „So und nicht anders“, hatte er ihr geschrieben und hatte das Thema vergessen.

      Bis jetzt.

      Daniel schluckte bitter.

      Ich bin so ein Idiot, schimpfte er mit sich und wünschte sich nichts sehnlicher, als einmal kurz zur Ruhe kommen zu dürfen. Nur einmal kurz innezuhalten und sich überlegen zu können, wie er seine Prioritäten richtig setzen sollte.

      Als er sich in seinem Schreibtischstuhl rücklings lehnte, er die Hände hinter dem Kopf ineinander legte, vibrierten seine Hände wieder, wieder und wieder. Der eingehende Anruf, den er im Display aufleuchten sah, ließ ihn die

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